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Zum Zusehen verurteilt
Treffpunkt: Kritik Nie war das Informationsangebot rund um den Globus größer, als heute; die Menschen können sich aus allen möglichen Quellen in einem so umfassenden Maße informieren, dass Pisa-Schlappen der Vergangenheit angehören und Kreuzworträtsel grundsätzlich thematisch unterteilt sein sollten in "Prähistorische Kunstwerke" oder "Quanten- und Nanotechnologie", um wenigstens einen gewissen Anreiz zu bieten. Die Wirklichkeit sieht aber zumeist gänzlich anders aus. Statt sich bei verschiedenen Anbietern zu informieren, verweilt der Durchschnittsbürger meist bei ein und demselben Neuigkeits-Abzapfer, der die von ihm gewünschen Informationen in handlichen Dosen an die willige Zuhörerschaft abgibt. Das könnte nach dem Willen der Industrie in Zukunft noch verheerender ausfallen als bisher, erfüllt der Industriegigant Philips doch die kühnsten Träume und Wünsche ganzer Industriezweige und hat ein Patent für einen "Advertisement Controller" eingereicht – dabei ist so etwas mit der neuesten Technologie doch gar nicht mehr notwendig.
Wer hätte vor Jahrzehnten gedacht, dass RTL und ProSieben, mit die bekanntesten Privat-Sender Deutschlands, planen, ihr Angebot in Zukunft nur noch kostenpflichtig anzubieten? Stand insbesondere RTL früher für die Unabhängigkeit von der Öffentlich Rechtlichen Doktrin, hat sich das Image des Riesensenders in den Jahren danach merklich gewandelt; als Familien-Alleinutnerhalter möchte RTL den Menschen rund um die Uhr begleiten, sei es mit Power-Shopping, extra Fernsehsendern oder dem RTL-Radio. Hierfür griff der Sender sogar zum vollkommen unerwarteten Mittel und kaufte prestigeträchtige Fernsehsendungen aus den USA ein, die überraschenderweise ebenso erfolgreichen laufen, wie die einheimisch produzierte Fließbandware von jenseits schwedischer Gardinen.
Und doch gibt es bei RTL und Konsorten Bestrebungen, die Inhalte zukünftig nur noch gegen Bezahlung ins digitale Netz zu speisen, immerhin muss man Ausfälle wie die nicht den Privatsendern zur Verfügung gestellten GEZ-Gebühren irgendwie kompensieren.
Der Elektronik-Konzern Philips könnte hier unverhofft zur Rettung des freien Fernsehens und der Fernsehsender zugleich eilen, wenn auch zu einem sehr hohen Preis für den Konsumenten, sprich den Zuschauer. Philips reichte (wie hier nachzulesen) ein Patent ein, das dem Zuschauer die Freiheit der Tastenwahl auf der Fernbedienung nehmen könnte. Geplant ist mit dem "Advertisement Controller", das Umschalten bei Werbeblöcken zu unterbinden, Zappen bei öden Spots würde damit der Vergangenheit angehören. Möglich würde das durch eine digitale Signatur im Videostream, die die Sendung als "nicht zappbar" deklarieren würde. Der Clou daran: durch die digitale Natur des Signals wäre es auch möglich, die Zuschauerfreiheit beim Abspielen aufgenommener Sendungen zu unterbinden – das Überspulen der Werbeblöcke wäre damit nicht mehr möglich.
Ob die Zuschauer das tatsächlich mit sich werden machen lassen, muss abgewartet werden, dass das Interesse bei den Fernsehsendern dementsprechend groß ist, ist verständlich – immerhin könnte man die Zappfähigkeit der Sendung beim Zuschauer auch gegen eine Gebühr ermöglichen. Diese Entwicklung markiert dabei nur einen kleinen Schritt in der konstant fortschreitenden Geschichte der Entmündigung des Publikums, immer unter dem Deckmantel der Rechtewahrung der Anbieter. Dass das viel gerühmte HDTV nämlich mit einer ähnlichen Funktion daher kommt, ist den wenigsten bekannt. Zwar wird es dem Zuschauer hier nicht verboten, den Sender zu wechseln, aber eine Technik ist bereits in den HDTV-Geräten integriert, die (die entsprechenden Aufzeichnungsgeräte vorausgesetzt) dem Sender die Kontrolle darüber überlässt, ob sich eine Fernsehsendung überhaupt aufzeichnen lassen wird – oder für wie lange. So ist denkbar, dass Fernsehsender ihre großen Blockbuster mit einer Aufnahmesperre versehen, man die Sendung also nur live anschauen kann. Oder aber, dass der Sender das Aufzeichnen und Abspielen innerhalb von 24 Stunden ermöglicht. Gewünscht wurde das von den Sendern bereits seit der Einführung von Medien wie der Videokassette, und ältere Semester werden sich an die Streitigkeiten erinnern, die die VHS ihrerzeit zwischen Herstellern und Sendern auslöste, wie schon die gewöhnliche Musikkassette bei den Radiosendern. Die Technik, um die Kontrolle der Aufnahmemöglichkeit – wie auch der Umschaltbarkeit – in die Hände der Anbieter zu legen, existiert inzwischen, die Frage ist nur, ab wann sie flächendeckend genutzt werden wird.

Die einzige Konsequenz, wie man als Zuschauer dann noch für sich ziehen kann ist der Verzicht auf das "freie Fernsehen", und der Griff zur DVD. Die hat gerade in der letzten Woche die lang erwartete Konkurrenz aus dem eigenen Hause bekommen, die HD-DVD hat das Licht der Welt erblickt und buhlt fortan um die Käuferschaft, in der Hoffnung, sich genügend auf dem Markt etablieren zu können, ehe die BlueRay-Disc ebenfalls auf die Suche nach willigen Käufern geht.
Weswegen es sich die Industrie erneut so schwer machen muss, und den Konsumenten mit mehreren konkurrierenden Formaten beschießt, verstehe wer will. Dass das Debakel vor über 20 Jahren mit Beta Video und VHS den Anbietern eine Lehre gewesen ist, war wohl Wunschdenken der damaligen Käufer. Auch bei der Einführung der DVD spielte sich dasselbe Fiasko ab und bis heute halten sich DVD+ und DVD- am Markt, wirklich populär wurde die Silberscheibe für Käufer allerdings erst, als Multi-Format-Geräte in den Handel kamen. Bis das bei HD-DVD, beziehungsweise BlueRay der Fall sein wird, werden noch viele Gletscher abschmelzen, und angesichts der verhaltenen Reaktion derjenigen, die jetzt schon die ersten Abspielgeräte und HD-DVDs testen konnte, bleibt der Nutzen der neuen Generation der Heimunterhaltung auch noch außen vor.
Nicht nur, dass die Player selbst beinahe eine Minute benötigen, bis sie einsatzbereit sind, auch vom Einlegen der Disc bis zum Beginn der Vorführung vergeht nochmals eine halbe Minute. Der Verzicht auf klassische Menüstrukturen (ein Menü ist während des Abspielens wie im Betrieb der aktuellen Microsoft Windows-Versionen auswählbar) macht den Testern ebenso zu schaffen, wie plötzliche Aussetzer und Ruckler bei der Wiedergabe.
Man wird also den Eindruck nicht los, dass HD-DVD mit zu vielen Kinderkrankheiten auf den Markt kam, um für ein ausgereiftes Produkt zu stehen. Als wäre das nicht genug, zeigten sich viele Tester von der gebotenen Bildqualität durch die über doppelt so hohe Auflösung im Vergleich zur DVD wenig beeindruckt. Dass das Bild gerade auf großen Breitbildfernsehern nochmals an Schärfe zulegen könnte, sei unbestritten, aber gerade auf handelsüblichen Geräten wäre der Unterschied zur DVD nur marginal.

Wer soll also auf den neuen Technikzug aufspringen, sei es nun die HD-DVD, die sich trotz ihres frühen Einstands schon deswegen noch nicht gegen BlueRay durchgesetzt hat, weil ihr Konkurrent die Bühne noch nicht einmal betreten hat, und die überdies mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen hat, oder aber mit den neuen Technologien im Bereich der Fernsehunterhaltung, die zwar von der Industrie befürwortet und gefordert (und gefördert?) wurden, die aber letztlich den Zuschauer in seiner Entscheidungsfreiheit nur behindern und beeinträchtigen?
Zeichnet den Menschen vermeintlich sein freier Wille von anderen Lebewesen auf dem Planeten aus, liegt es doch am homo sapiens selbst, diesen auch zu nutzen, und sich nicht von neuen Formaten, neuen Techniken und den Versprechungen der Verkäufer, dass neu=besser ist, blenden zu lassen, sondern das Informationszeitalter auch als solches zu nutzen. Das neueste Produkt am Markt ist (wie die Erfahrung zeigt) nicht unbedingt das Beste, sondern lediglich weniger lange erprobt, als das Vorgängermodell. Und möchte man selbst nicht unfreiwillig zum Test-Käufer werden, ohne dafür entlohnt zu werden, genügt auch der Griff zum bewährten Produkt – das dem pressionsfreien Berater nicht unbedingt die höchste Provision einbringt, dem Konsumenten aber die Sicherheit gibt, nicht die Katze im Sack erworben zu haben.
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