Das Licht [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 28. Februar 2025
Genre: Drama
Laufzeit: 162 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Tom Tykwer
Musik: Johnny Klimek
Besetzung: Nicolette Krebitz, Lars Eidinger, Tala Al-Deen, Elke Biesendorfer, Julius Gause, Elyas Eldridge, Toby Onwumere, Mudar Ramadan, Şiir Eloğlu, Marius Biegai, Ruby M. Lichtenberg, Julius Gause, Victoire Laly, Anna Shirin Habedank, Gerrit Neuhaus
Kurzinhalt:
Während Milena (Nicolette Krebitz) in Afrika kurz davor steht, das Projekt für Jugendliche, an dem sie seit Jahren als Mitarbeiterin des Ministeriums arbeitet, auf die Beine zu stellen, steht der Bau, den sie anstoßen wollte, doch kurz vor dem Aus. In Berlin ist Werbefachmann Tim (Lars Eidinger) darum bemüht, die Kampagnen, die die Menschen wachrütteln sollen, so eingängig wie möglich zu gestalten, doch er erkennt nicht, dass er die Aussagen, die er vorgibt vorzuleben, nicht einmal verinnerlicht hat. Die beinahe volljährige Frieda (Elke Biesendorfer) hingegen sucht im Drogenrausch eine Ablenkung von dem Ganzen betäubenden Wahnsinn des Alltags, während sich Jon (Julius Gause) dafür in virtuelle Welten zurückzieht und sein Zimmer kaum verlässt. Ihrer aller Leben wird durch Farrah (Tala Al-Deen) verändert werden, die auf der Suche und einer Reise ist, den Schmerz erträglich zu machen, der sie so lange schon nicht loslässt …
Kritik:
Wenn für nichts anderes, sorgt Filmemacher Tom Tykwer mit seinem ersten Spielfilm seit Ein Hologramm für den König [2016] für Diskussionen beim Publikum. Sein fantasylastiges Familiendrama Das Licht ist in jeder Hinsicht überlebensgroß und sprengt Konventionen. Hier gibt es animierte Abschnitte, schwerelos schwebende Verliebte, ein Blick auf Seelen im Jenseits neben Tanz und Liedeinlagen einer Patchwork-Familie, die jedes nur erdenkliche Klischee erfüllt. Das klingt nicht nur nach viel, das ist es auch.
Dabei fragt man sich zu Beginn durchaus einige Zeit, wessen Geschichte Tykwer eigentlich erzählen möchte bzw. was für eine Art. Eingangs begleitet er mehrere Figuren, angefangen von Farrah, die vor einer pulsierenden Lichtlampe sitzt, über den Werbefachmann Tim, der im strömenden Regen im heutigen Berlin mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, dort barfuß von moralischen Standards predigt, die in neue Kampagnen eingearbeitet werden, die er selbst jedoch nicht lebt. In Nairobi versucht Milena, ein Theater für Jugendliche zu bauen, bis ihr die Förderung des Ministeriums wegzubrechen droht, während Jon in seinem Zimmer in der deutschen Hauptstadt in eine VR-Welt flieht. Gleichzeitig ergibt sich die gleichaltrige Frieda in einer Diskothek dem Drogenrausch, um ihr Bewusstsein zu erweitern. Es dauert, bis klar wird, dass sie alle Teil der Familie Engels sind, zu der auch Milenas uneheliches Kind Dio gehört. Doch die Familie, der es finanziell an nichts zu mangeln scheint, auch wenn sie in einer vollkommen überfrachteten Wohnung wohnt, hat kaum mehr etwas gemein. Während sich die Zwillingsgeschwister Frieda und Jon jeweils in eigene Welten flüchten, leben Milena und Tim lediglich nebeneinander her. Er arbeitet bis spät in die Nacht, sie ist meist auf Grund ihrer Projekte unterwegs, die sie aber nicht zu Ende bringt. Körperliche Nähe gibt es zwischen ihnen ebenso wenig, wie ein offenes Gespräch. Bis Farrah als neue Haushaltshilfe in ihr Leben tritt. Doch die gebildete Frau, die aus Syrien geflohen ist und sich nun lieber als Putzkraft nützlich macht, während sie immer wieder Menschen „ins Licht führt“, hat ein dunkles Geheimnis.
Bis man diese Zusammenhänge versteht, überhaupt hinter die Familiendynamik geblickt hat, vergeht viel Zeit. In Anbetracht der Laufzeit von merklich über zweieinhalb Stunden baut Regisseur Tom Tykwer diese Welt mit einer Bedächtigkeit auf dass man eingangs noch vermuten würde, dass verschiedene Aspekte zum Tragen kommen würden. Eingangs beispielsweise sieht eine Person eine Seele, die jüngst verstorben ist, doch dieser Storystrang wird ebenso wenig aufgelöst, wie dass nochmals darauf zurückgegriffen wird, dass zwischen zwei gleichzeitigen Todesfällen offenbar eine metaphysische Verbindung besteht. Das heißt nicht, dass all dies nicht in der grundlegenden Story widergespiegelt wird, doch diese zwei konkreten Figuren finden später schlicht keine Verwendung mehr. Dafür schildert Das Licht, wie weit sich die zentralen Charaktere voneinander entfernt haben. Jon und Frieda wechseln kaum ein Wort miteinander und wenn Tim seine Frau Milena nur berührt, zuckt sie zusammen und weicht aus. Ihre (offenbar nicht erste) Paartherapie erläutert dem Publikum zwar ihre jeweiligen Charakterzüge, eine Lösung oder Annäherung führt sie aber nicht herbei.
Das Licht rückt Figuren ins Zentrum des Geschehens und beleuchtet ihre Konflikte, ohne dass diese am Ende aufgelöst werden. Stattdessen widmet sich die Story zunehmend Farrah und ihrem so düsteren wie tragischen Hintergrund, der für ein aufmerksames Publikum aber keine wirkliche Überraschung darstellt. Die Personen, mit denen man zuvor Zeit verbracht hat, werden so zu Statisten ihrer eigenen Geschichte. Immerhin, bis es soweit ist, dürfen sie sich anschreien, singen, tanzen und eben schweben. Tykwer scheint darum bemüht, keine herkömmlichen erzählerischen Grenzen zu berücksichtigen, sondern den Emotionen der Figuren die gesamte Palette zur Verfügung zu stellen, um sie darauf spielen zu lassen. Am ehesten wird dabei auffallen, dass es in der Geschichte permanent regnet. Es erzeugt eine bedrückende Stimmung, bis klar wird, dass die Charaktere den Regen in sich tragen. Erst, wenn sie in Form einer Tanznummer ihren Träumen und Wünschen nachgeben dürfen, weicht das deprimierende Wetter dem Sonnenschein, ehe sie in ihren alten Trott zurückfallen.
Das ist, wie Vieles bei Das Licht, ein gelungenes Sinnbild, wie auch die schwebenden Verliebten oder dass sich Milena nicht in Schubladen stecken lassen oder Erwartungen erfüllen will und daher alle möglichen Figuren in ihrem Freiheitssong ist. Doch das ändert nichts daran, dass die Story selbst, auch auf Grund der Art und Weise, wie sie zum Leben erweckt wird, kaum zugänglich ist. Doch wenn die Figuren nicht fesseln, weshalb sollte man sich dann auf eine überlange Reise mit ihnen einlassen, die am Ende außerdem etwas ganz anderes erzählen will? Das Drama findet darauf leider keine Antwort, so furchtlos und anerkennenswert eigenwillig es auch umgesetzt ist.
Fazit:
So viele Aspekte sind bei Tom Tykwers durchaus mutiger Erzählung gelungen. Angefangen von den Bildern und den Perspektiven oder der Choreografie, wenn Jon auf das Mädchen trifft, von dem er schwärmt. Aber auch die Besetzung ist gefordert mit einigen hochemotionalen Momenten, deren Wirkung aber doch verpufft, weil keine der Figuren wirklich sympathisch ist oder ihr Schicksal mitreißt. Dass der Filmemacher alle seine Aussagen erklären muss, unterstreicht zudem, wie wenig er seiner Story offenbar vertraut. So fasst Frieda selbst die Engels zusammen, wenn sie sagt, sie seien eine typisch deutsche, dysfunktionale Familie, in der jeder sein eigenes Süppchen kocht. Tim gibt Preis, dass er gern Spuren hinterlässt, ohne Verantwortung dafür zu übernehmen und die Eheleute selbst können nicht beantworten, ob sie die Therapie machen, um zusammen zu bleiben, oder sich zu trennen. Das Publikum sollte dies entdecken, ohne dass es einem vorgekaut wird. Die Story über menschliche Verbindungen über den Tod hinaus mit Farrah als Bindeglied der Familie klingt poetisch und will Vieles umfassen. Doch die Umsetzung ist nicht nur durch die Liedeinlagen so sehr auf einen künstlerischen Anspruch getrimmt, dass die Zugänglichkeit vollends auf der Strecke bleibt. Oder um es anders zu sagen, Das Licht ist voll von inhaltlich gelungenen Aussagen, doch dem zuzusehen, ist nur anstrengend statt aufschlussreich. Das ist letztlich schlicht schade.