The Woman in the Yard [2025]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. März 2025
Genre: Horror / Drama

Originaltitel: The Woman in the Yard
Laufzeit: 88 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jaume Collet-Serra
Musik: Lorne Balfe
Besetzung: Danielle Deadwyler, Peyton Jackson, Estella Kahiha, Okwui Okpokwasili, Russell Hornsby


Kurzinhalt:

Nach einem Schicksalsschlag kann sich Ramona (Danielle Deadwyler) jeden Morgen nur mit Mühe aufraffen, den Tag zu beginnen. Das liegt nicht an der Verletzung ihres Beines, weswegen sie mit Krücken geht. Stattdessen schwelgt sie, in ihr Bett zurückgezogen, in Erinnerungen an bessere Zeiten. Bis ihr Sohn Tay (Peyton Jackson) sie herausreißt, da der Strom ausgefallen ist. Doch Ramona kann niemanden informieren, da die Batterie ihres Telefons leergelaufen ist. Ihre junge Tochter Annie (Estella Kahiha) versucht, die Situation bestmöglich zu ertragen, doch die Spannungen im Haushalt sind unübersehbar. Weit abgelegen, sind sie in dem Haus auf sich gestellt, mit dem Wissen der gerade erst geschehenen Tragödie, das über ihnen schwebt. Da bemerken sie, dass im Hof vor der Farm eine in schwarz gekleidete Frau (Okwui Okpokwasili), mit einem Schleier über dem Gesicht auf einem Stuhl sitzt und zum Haus blickt. Ramona wagt sich schließlich nach draußen, doch die Frau gibt ihr nur kryptische Antworten und strahlt etwas Unheilvolles aus, was Ramona veranlasst, zurück ins Haus zu gehen. Dort spitzen sich die Konflikte in der Familie weiter zu, während die Frau offenbar immer dichter zum Haus rückt …


Kritik:
Jaume Collet-Serras stimmungsvoller The Woman in the Yard ist weniger ein Horrorfilm, als ein Drama, das im Gewand einer gruseligen Geschichte erzählt wird. Gut gespielt und vor allem überaus einfallsreich in Szene gesetzt, scheint das inhaltlich lange absehbar und ist weniger überraschend, als erhofft. Doch wenn die verschiedenen Elemente zusammengeführt werden, um zum Anfang zurückzufinden, beweist die kammerspielartige Erzählung mehr Finesse, als man ihr zugetraut hätte.

Sie beginnt damit, wie die alleinerziehende Mutter Ramona im Bett liegend ein gemeinsames Video mit ihrem Mann David darin ansieht. Es war eine glückliche Zeit, in der er davon erzählt, wie er das Farmhaus, das er in renovierungsbedürftigem Zustand gekauft hatte, auf Vordermann gebracht hat. Doch die Realität sieht anders aus. Ramonas Teenagersohn Tay reißt sie aus ihrer Erinnerung, da der Strom ausgefallen ist. Den Stromanbieter können sie jedoch nicht anrufen, da nun auch die Batterie von Ramonas Mobiltelefon versagt. Das Haus ist weit davon entfernt, renoviert zu sein, in den Wänden sind Risse zu sehen und die Farbe blättert ab. Ramona selbst ist verletzt, ihr bandagiertes Bein in einer Schiene. Dass die Verletzung etwas mit Davids Abwesenheit zu tun haben muss, ist von Beginn an offensichtlich und auch die Blicke von Tay, Ramona oder der jungen Tochter Annie sprechen Bände. Die Stimmung innerhalb der Familie ist angespannt, da es Ramona auch nicht schafft, die Einkäufe oder den Haushalt zu organisieren. Gerade, als sie sich erinnert, was mit ihr und David geschehen ist, bemerkt die Familie plötzlich jenseits der Auffahrt zum abgelegenen Haus eine in schwarz gekleidete Frau, deren Gesicht man hinter einem Schleier nicht erkennen kann und die auf einem Stuhl sitzend zum Haus blickt.

Nachdem Ramona nach einigem Zögern versucht hat, mit ihr zu sprechen und danach nur noch mehr Fragen hat, anstatt Antworten bekommen zu haben, zwingen die Umstände die Familie dazu, im Haus dichter zusammen zu rücken. Die Anspannung zwischen ihnen wird dadurch nur größer. Früh vermutet man dabei bereits, wofür die Titel gebende The Woman in the Yard, die Frau in der Auffahrt, steht. Zu offensichtlich ist, wie sehr Ramona von Trauer ergriffen ist, von einer Dunkelheit, die sie vielleicht morgens noch aufstehen lässt, aber nur, weil sie es aus Verantwortungs- und Pflichtgefühl ihren Kindern gegenüber glaubt, zu müssen. Wäre es nicht um sie, würde sie für immer in der Erinnerung jenes Videos verharren und die reale Welt außen vor lassen. Filmemacher Collet-Serra portraitiert eine zutiefst verletzte, gebrochene Persönlichkeit, die in einem Haus lebt, in dem sie alles daran erinnert, was sie verloren hat. Ramona hat die Traurigkeit, Schuld und Scham derart verinnerlicht, dass sie Teil ihrer selbst geworden sind.

In diese Seele taucht The Woman in the Yard stärker ein, als man es bei Filmen dieser Art erwartet. Die Verantwortlichen finden mehr als nur ein Sinnbild dessen, was in Ramona vor sich geht – sie zeigen eine Manifestation. Dabei steht die Frau in schwarz für etwas anderes, als man es zu Beginn erwarten würde, wenn sich das Drehbuch dem nähert, was mit David und Ramona geschehen ist. Das ist inhaltlich durchaus schwere Kost und mit überraschend viel Feingefühl dargebracht, ohne die schwierigen Fragen, die hierbei eine Rolle spielen, auszublenden. Vor allem jedoch ist Regisseur Jaume Collet-Serra merklich darum bemüht, seiner Erzählung eine eigene Handschrift zu verleihen. Angefangen von der warmen Sonne, die die Räume in den meisten Momenten flutet, aber die Atmosphäre doch nicht erwärmen kann. Hin zu einfallsreichen Perspektiven, schnellen Kameraschwenks und vielen spiegelbildlichen Aufnahmen, die mitunter so gelungen sind, wie die berühmte Szene in Robert Zemeckis’ Contact [1997]. Zusammen mit der schaurigen Musik und der Präsenz der Frau in schwarz verleiht dies dem Gezeigten eine unheimliche Stimmung, selbst wenn manche der laut eingespielten Toneffekte eher altbekannte Klischees bedienen.

Doch klingt das negativer, als es gemeint ist, denn die handwerklichen Kniffs, die Collet-Serra aufgreift, funktionieren überaus gut. Sei es, wie die sitzende Frau sich dem Haus immer weiter nähert, sie Schatten manipuliert oder welche Wirkung es hat, wenn sie urplötzlich nicht mehr still sitzt. Der beinahe interessantere Aspekt ist hier noch, welch düstere Züge die Beziehung der Figuren im Haus zueinander annehmen. Ramonas Geduldsfaden reißt immer schneller, die Aggressivität steigt merklich. Es bahnt sich eine Eskalation an, deren Ausgang man nicht abschätzen mag. Doch so gelungen das inhaltlich im Grunde ist, ganz unabhängig von der handwerklich tadellosen bis einfallsreichen Umsetzung, die meisten Szenen sind im Verlauf weit absehbar, was nicht an der ruhigen Erzählweise liegt. Auch bewegt das Schicksal dieser spürbar vom Leben gezeichneten Figuren weniger, als man vermuten würde. Doch das heißt nicht, dass ein Publikum, das bereit ist, sich auf einen düsteren, ernsten Gruselfilm einzulassen, hier nicht fündig wird. Ganz im Gegenteil.


Fazit:
Trägt man eine Dunkelheit lange genug in sich, bestimmt sie irgendwann das eigene Handeln, um einen selbst mit in die zerstörerische Finsternis zu reißen. Ramonas Traurigkeit nimmt sie derart ein, dass sie die Menschen, die ihr am nächsten sind, verletzt, ob sie dies möchte, oder nicht. Regisseur Jaume Collet-Serra findet viele treffende Sinnbilder, auch beim Finale, spielt mit Licht und Schatten, wie sie die Seele der Figuren ebenfalls berühren. Das ist inhaltlich bedeutend cleverer, als man in Anbetracht eines typischen Genrefilms vermuten würde, aber trotz der ebenso unheimlichen wie stellenweise beängstigenden Präsenz der Frau in schwarz, packt das nie in dem Maße, wie es auf Grund der düsteren, traurigen Geschichte sollte. Ganz abgesehen davon, dass die Bedeutung der Titelfigur wie auch der Hintergrund der Tragödie überwiegend früh vorhersehbar sind. Der Hinweistext beim Abspann unterstreicht, dass den Verantwortlichen die sensible Thematik durchaus bewusst ist und sie auf diese Art und Weise zur Geltung zu bringen, ist eine gute Idee. Doch trotz alledem und dem Ende, das ein interessiertes Publikum zum Nachdenken anregen wird, kann The Woman in the Yard nie das Potential entfalten, das es in sich birgt. Was einen erwartet, ist nicht einfach, aber für das richtige Publikum durchaus interessant und auch sehenswert.