Schneewittchen [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. März 2025
GGenre: Fantasy
Originaltitel: Snow White
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Marc Webb
Musik: Jeff Morrow, Benj Pasek, Justin Paul
Besetzung: Rachel Zegler, Gal Gadot, Andrew Burnap, Ansu Kabia, Hadley Fraser, Lorena Andrea, Emilia Faucher
Stimmen: Patrick Page, Jeremy Swift, Martin Klebba, George Salazar, Andy Grotelueschen, Tituss Burgess, Jason Kravits, Andrew Barth Feldman
Kurzinhalt:
Einst herrschten ein guter König (Hadley Fraser) und eine gute Königin (Lorena Andrea) über ihr Königreich, in dem es den Menschen an nichts fehlte. Ihre Tochter Schneewittchen (Emilia Faucher) erzogen sie mit eben diesen Werten. Doch nach zwei Schicksalsschlägen reißt eine böse Königin (Gal Gadot) die Herrschaft an sich. Der Zusammenhalt im Volk schwindet und die Menschen leiden. Selbst Schneewittchen (Rachel Zegler), inzwischen erwachsen geworden, hat vergessen, dass es an ihr als Prinzessin wäre, das Königreich ihres Vaters wiederherzustellen. Als sie sich gegen die Rachsucht der bösen Königin auflehnt, beauftragt diese den Jäger (Ansu Kabia), Schneewittchen zu ermorden, zumal ihr magischer Spiegel ihr verraten hat, dass Schneewittchen schöner ist, als sie selbst – ein Gedanke, den die böse Königin unerträglich findet. Doch der Jäger bringt es nicht übers Herz, die Prinzessin zu töten und so flieht sie in den verwunschenen Wald. Dort begegnet sie zum einen dem Banditen Jonathan (Andrew Burnap), der glaubt, ihr Vater sei in den südlichen Ländern noch am Leben, und sieben Zwergen, die allesamt nicht nur Schneewittchens Schicksal, sondern das des gesamten Königreichs verändern werden …
Kritik:
Verschiebungen und ein exorbitant gestiegenes Budget sind keine Hoffnung erweckenden Vorboten zur Realverfilmung von Disneys Animationsfilmklassiker Schneewittchen. Dabei ist Marc Webbs Interpretation kein schrecklicher Film, selbst wenn er auf den ersten Blick schreckliche Elemente bereithält. Es ist vielmehr das Gesamtkonzept, das so wenig zusammenpassen mag, dass die durchaus gelungenen Modernisierungen am Ende kaum positiv in Erinnerung bleiben.
Präsentiert wird Schneewittchen wie ein ganz klassisches Märchen, bei dem zu Beginn das Buch aufgeschlagen wird, ehe ein Erzähler von einem gütigen Königreich berichtet, in dem Königin und König nach langem Warten mit einer Tochter gesegnet wurden. Schneewittchen trug die Güte ihrer Eltern weiter, bis das Glück der Familie ein jähes Ende fand und eine böse Königin mit magischen Fähigkeiten das Königreich an sich riss. Besessen davon, die Schönste im ganzen Königreich zu sein, häuft die Königin Reichtümer an, während das Volk verarmt und verhungert. Schneewittchen wird selbst zur Dienstmagd und vergisst beinahe, wie gut das Leben einst war. Als sie die Königin herausfordert und ihr magischer Spiegel ihr verrät, dass Schneewittchen schöner ist, als sie, ersinnt die böse Königin einen finsteren Plan, ihre Stieftochter zu ermorden und damit alle Hoffnung im Königreich zu begraben.
Die Geschichte folgt der Vorlage Schneewittchen und die sieben Zwerge [1937] weitgehend, ehe vor allem die Auflösung eine andere Richtung nimmt. Doch was früh auffällt ist, wie wenig zauberhaft Schneewittchens Welt bereits zu Beginn bereits aussieht, noch bevor der erste Song einsetzt. In einem langen, stellenweise gesungenen Prolog schildert der Erzähler, wie es um das Königreich bestellt ist, während man Figuren beobachtet, die durch künstliche Landschaften tanzen vor offenkundig unechten Hintergründen, bei denen die Farben auch nie wirklich überspringen wollen. Flieht Schneewittchen vor dem Jäger, den die böse Königin beauftragt, die Prinzessin zu töten und ihr deren Herz in einer Schatulle zu bringen, landet sie in einem verwunschenen Wald, der zuvor nicht nur keine einzige Erwähnung gefunden hat, sondern der ebenfalls derart künstlich wirkt, als wären die Verantwortlichen zu keinem Moment von wahren Bäumen umgeben gewesen. Dort trifft die Prinzessin auf allerlei Tiere, die teilweise durchaus putzig aussehen, überwiegend jedoch ebenfalls so unecht, dass man sich fragen muss, weshalb es am Ende des Abspanns heißt, dass keine Tiere beim Dreh zu Schaden kamen – echte sind schlicht nicht zu sehen. Dies geht soweit, dass man, ohne es böse zu meinen sagen muss, dass jeder Walt Disney-Animationsfilm mehr Leben besitzt, als die hier in Großaufnahme gezeigten, computergenerierten Rehaugen.
Hat man dies überstanden, trifft Schneewittchen auf die heimlichen Stars des zugrundeliegenden Animationsfilmklassikers: die Zwerge. Die Entscheidung, diese nicht von menschlichen Darstellern verkörpern zu lassen, hat im Vorfeld bereits für Unmut gesorgt. Es lässt sich jedoch kaum beschreiben, wie unbeholfen die ebenfalls computergenerierten Charaktere im fertigen Film erscheinen. Weder ihre Haare, noch Haut, Kleidung oder ihre Bewegungen können in auch nur einem Moment überzeugen. Sie bewegen sich beinahe, als würden sie durch Gelee waten, während sich Schneewittchen oder die Tiere um sie herum normal bewegen. Dass ihre Haut und Gesichter zum Ende hin detailreicher erscheinen, wiegt den schlicht grausigen Ersteindruck leider nicht auf. Immerhin, ihr arg albernes Verhalten dürfte vor allem ein sehr junges Publikum freuen, sobald es darüber hinwegsieht, dass die Figuren wie aus einem anderen Film wirken.
Gerade in Anbetracht dessen gibt sich Hauptdarstellerin Rachel Zegler in der ersten Hälfte sichtlich Mühe, immerhin agiert sie überwiegend gegenüber nichts Realem. Auch Gal Gadot findet sichtlich Gefallen an ihrer Rolle der bösen Königin. Enttäuschend ist einzig Andrew Burnap, dem es weder gelingt, seinem neu hinzugefügten Charakter Jonathan (einen Prinzen, der Schneewittchen aus dem Schlaf rettet, gibt es hier nicht) ein wirkliches Profil zu verleihen, noch eine Chemie zur Titelfigur aufzubauen. Gerade diese Modernisierungen, zu denen auch das Ende gehört, bei dem sich das Volk gegen die böse Königin auflehnt, können im Kern durchaus gefallen. Doch wie Schneewittchen dies präsentiert, enttäuscht leider durchweg. Angefangen von den Kostümen, die zwar toll designt sind, aber beispielsweise bei den Banditen nicht passen wollen, leben diese doch seit langem im Wald, sind aber perfekt gekleidet. Oder wenn sich diese Gruppe Außenseiter gegen die Garde der Königin stellt und ein Kampf entbrennt, der so behäbig umgesetzt wie inhaltlich absurd ist. Die Zwerge überhaupt zum Finale zu bringen, ergibt bereits keinen Sinn, aber eine Aufgabe erfüllen sie dort aber ebenso wenig.
Selbst die Andeutung zum Verbleib von Schneewittchens Vater verläuft im Sande und kommt es schließlich zum ikonischen Biss in den Apfel, wird auch dies nach wenigen Minuten wieder aufgelöst, ohne dass die Auswirkung auf die übrigen Charaktere herausgestellt wird. Wie die zahlreichen, kaum eingängigen Songs, die die jeweiligen Szenen nur länger machen, ohne sie inhaltlich zu bereichern, wirkt Schneewittchen, als wäre die ursprünglich mehr als 20 Minuten kürzere Geschichte hier unnötig aufgebläht worden, ohne ihr aber entscheidende Details hinzuzufügen. Das Ergebnis ist ein Märchen, das weder die magische Stimmung der Vorlage einfängt, noch die kompakte Erzählung widerspiegelt. Kurz vor Ende zudem noch eine öffentliche Hinrichtung vor den Bewohnerinnen und Bewohnern des Königreichs zu fordern, erscheint inhaltlich außerdem derart unpassend, dass man sich fragt, was sich die Beteiligten dabei gedacht haben. Je länger der Film dauert, umso häufiger stellt man sich diese Frage ohnehin.
Fazit:
Filmemacher Marc Webb präsentiert durchaus einige gute Ideen, die grundlegende Geschichte um eine Prinzessin, die von einem Prinzen gerettet werden muss, zu modernisieren. Dazu zählt auch, dass es eben nicht unbedingt einen König braucht, ein Königreich gütig zu führen. Doch sieht man sich auch das Ende an, verpuffen viele dieser Einfälle, wenn man genauer darüber nachdenkt und sie keinen wirklichen Sinn ergeben (Stichwort: Der Kuss der wahren Liebe). Mit diesen Unstimmigkeiten könnte man leben, zumal das ganz junge Zielpublikum ohnehin nicht darauf achten wird. Schwerer wiegt jedoch, dass es der Realfilminterpretation nicht gelingt, eine zauberhafte Stimmung zu erzeugen. Zu künstlich die Hintergründe, die Tiere und nicht zuletzt die Zwerge, die in wenig schmeichelhafter Art und Weise an Der Polarexpress [2004] erinnern. Das gesamte Design von Schneewittchen erscheint so notdürftig zusammengeschustert, dass es selbst den Beteiligten schwerfällt, in der zweiten Filmhälfte mit demselben Enthusiasmus zu agieren wie zuvor. Es unterstreicht die Enttäuschung, die sich auch beim Publikum einstellt, das sich entweder den Zeichentrickfilmklassiker zurückwünscht, oder dass Disney statt auf Realverfilmungen wenigstens auf animierte Neuverfilmungen setzen würde. Dann würden die unechten Aspekte immerhin nicht so stark auffallen.