Eden [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. März 2025
Genre: Thriller / Drama
Originaltitel: Eden
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Ron Howard
Musik: Hans Zimmer
Besetzung: Jude Law, Vanessa Kirby, Daniel Brühl, Sydney Sweeney, Ana de Armas, Jonathan Tittel, Richard Roxburgh, Felix Kammerer, Toby Wallace
Kurzinhalt:
Im Jahr 1929, als die Weltwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg zusammengebrochen ist, macht sich der Berliner Arzt Dr. Friedrich Ritter (Jude Law) mit seiner Frau Dora Strauch (Vanessa Kirby) auf, auf der Insel Floreana des Galápagos-Archipels fernab jeglicher Zivilisation ein Leben in der wilden Natur zu führen und dort seine Vorstellung einer radikal neuen Philosophie zu verfassen, durch die sich die Menschheit selbst retten können soll. Immer wieder gelangen Berichte seines einfachen Lebens in die Presse und inspirieren wenige Jahre später Heinz Wittmer (Daniel Brühl), mit seiner Frau Margret (Sydney Sweeney) und seinem Sohn Harry (Jonathan Tittel), nach Floreana aufzubrechen, um sich Ritter anzuschließen. Doch auf der abgelegenen Insel angekommen, weist Ritter sie ab, immerhin hat er sich dort zurückgezogen, um ungestört arbeiten zu können. Er sagt ihnen, wo sie ihr Lager aufschlagen können, in der Hoffnung, dass die Wittmers keinen Monat durchhalten werden. Doch Heinz und Margret erweisen sich als geschickt und übertreffen Ritter was das Leben in der Natur angeht in jeder Hinsicht. Als eine kleine Gruppe um die Baronesse de Wagner-Bosquet (Ana de Armas) auf der Insel eintrifft, die dort ein Luxushotel bauen lassen möchte, steigen die Spannungen. Umso mehr, als eine Dürre die Vorräte der Ausgewanderten aufzehrt. Anstatt zusammen zu arbeiten, treten die schlimmsten menschlichen Eigenschaften zutage …
Kritik:
Ron Howards Nacherzählung der sogenannten Galápagos-Affäre um mehrere Aussteiger, die sich Ende der 1920er- bzw. Anfang der 1930er-Jahre auf dem Inselarchipel niederließen, auch, um dem aufkommenden Faschismus in Europa zu entfliehen, ist einerseits so eindringlich, wie andererseits wenig packend. Stark gespielt und tadellos in Szene gesetzt, schildert Eden den menschlichen Abstieg fernab der Zivilisation und gesellschaftlicher Normen. Mahnend ist es allemal.
Darin sucht im Winter 1932 die Familie Wittmer, allen voran Vater Heinz, fernab von Europa mit seiner jüngeren Frau Margret und seinem an Tuberkulose erkrankten Sohn Harry aus erster Ehe mehr als nur einen Neuanfang. Inspiriert von den Berichten um den Berliner Arzt Dr. Friedrich Ritter, der sich mit seiner Frau Dora im Herbst 1929 auf der Insel Floreana niederließ, um dort ein philosophisches Manifest zu verfassen, mit dem sich die Menschheit vor sich selbst retten können soll, hofft Heinz, dass sein Sohn geheilt werden könne. Wie auch Dora ihre Multiple Sklerose überwunden haben soll. Fernab jeglicher Siedlungen wollen sie sich auf der Insel ein Leben aufbauen. Doch bei seinem Idol angekommen, muss Heinz feststellen, dass Ritter überaus abweisend reagiert. In der Hoffnung, dass die Störung durch die Außenseiter bald vorüber ist, wenn Ritter sie an einem Ort platziert, an dem nichts wächst, erweisen sich die Wittmers nicht nur als widerstandsfähig, sondern überaus geschickt. Geschickter, als Ritter selbst. Doch dann trifft die Baronesse Eloise Bosquet de Wagner Wehrhorn ein, die auf der Insel ein exklusives Luxusresort erschaffen will. Nicht nur, dass sie der Auffassung ist, die übrigen Siedlerinnen und Siedler müssten ihr dienen, sie scheut vor keiner Manipulation zurück, ihr Ziel zu erreichen. Als eine Dürre eintritt und die Vorräte aller Ausgewanderten zur Neige gehen, beginnt ein Kampf ums Überleben, bei dem diese vor nichts zurückschrecken.
Dass das vermeintliche Paradies alles andere als das ist, spürt man bereits, wenn die Wittmers auf der Insel ankommen. Statt satter Farben und einer blühenden Pflanzenwelt erscheint die Landschaft ausgebleicht. Sogar für Ritter, der sich bewusst dorthin zurückgezogen hat, ist es kein Garten Eden. Er hat sich selbst alle Zähne gezogen, um gefährlichen Infektionen vorzubeugen. Spärliche Nahrung, kaum Frischwasserquellen, die im Sommer zudem versiegen, Krankheiten … alles ist eine Herausforderung. Diese selbstauferlegten Entbehrungen sind notwendig für sein Manifest, das jedoch nicht wirklich vorankommt. Die Wittmers respektieren die Zurückgezogenheit der Pioniere, obwohl Ritter insgeheim nach Anerkennung lechzt. Doch die Ankunft der Baronesse verändert die Situation grundlegend. Ritter sieht eine Möglichkeit, sie und die Wittmers gegeneinander auszuspielen, so dass sie die Insel verlassen. Die Baronesse erkennt dies und tut es Ritter gleich. Als Intrigantin zeigt Ana de Armas eine so einnehmende wie starke Darbietung, während Jude Law und auch Vanessa Kirby als zurückgezogenes Paar auf der Suche nach Erleuchtung das genaue Gegenteil darstellen. Sie alle spielen merklich kräftezehrend, niemand jedoch so wie Sydney Sweeney, der einmal mehr eine der physisch forderndsten Rollen zufällt. Eine Sequenz, die niemanden kalt lassen kann, ist ungemein packend, geradezu schmerzvoll zum Leben erweckt. Sie zeigt gleichzeitig, wie sehr die junge Margret, die gar nicht auf der Insel sein möchte, sondern nur ihrem Ehemann gefolgt war, über sich hinauswächst.
Diese Aspekte bringt Eden erstklassig zur Geltung und stellt dabei heraus, wie diese drei Parteien in einer Zeit größter Not und noch größerer Unsicherheit angesichts der aufgebrauchten Vorräte nicht zusammenarbeiten, sondern gegeneinander. Dabei kommen derart niedere Charakterzüge zum Vorschein, dass man mitunter nur fassungslos zusehen kann. Denn so groß die Ablehnung der Ritters gegenüber den Wittmers zu Beginn ist, der wahre Teufel ist hier jemand anderes. Doch so gelungen dies herausgearbeitet ist und so gut gespielt und geschrieben insbesondere die Dialoge sind, mit Ausnahme einiger einzelner Szenen reißt Ron Howards Erzählung kaum mit. Das mag daran liegen, dass der größte Teil der Figuren sich diese Insel freiwillig ausgesucht hat, oder dass gerade Heinz Wittmer zu wenig definiert wird, als dass wie er versucht, seine Familie zu beschützen, packen würde.
Lässt man sich darauf ein, überzeugen die Darbietungen ebenso, wie die handwerkliche Umsetzung, der es an nichts mangelt. Viele Details werden gar nicht in den Mittelpunkt gerückt, sondern bleiben einem aufmerksameren Publikum vorbehalten. Wie dass es Heinz Wittmer gelingt, eine richtige Steinhütte zu bauen, in der er mit seiner Familie lebt, während Ritter und die Baronesse mehr in notdürftig aufgebauten Unterkünften hausen. Oder dass auch im Gefolge der Baronesse nicht alle ihrer Meinung sind. In bestimmten Situationen wie dem großen Abendessen fallen Spitzen, bei denen man förmlich die Luft anhält und kommt es schließlich zur großen Konfrontation, sollte einen dies umso mehr mitnehmen. Doch genau dies geschieht nicht, so dass Eden weniger einlädt, sich zu fragen, was man an Stelle der Siedlerinnen und Siedler in dieser Ausnahmesituation getan hätte. Vielmehr bleibt man in der Position der Beobachtenden. Das mag sogar beabsichtigt sein, doch es macht das Ergebnis nicht spannender.
Fazit:
Anstatt des Paradieses erwartet die Figuren in Ron Howards Thriller-Drama die Hölle auf Erden. Abgesehen von einer ungastlichen Insel, auf der man sich selbst rudimentäre zivilisatorische Errungenschaften erst hart erkämpfen muss, treten bei den drei Parteien, wenn die Vorräte zur Neige gehen und es ums blanke Überleben geht, die schlimmsten Eigenschaften zur Geltung. Es gibt keinen Zusammenhalt und während manche Personen über sich hinauswachsen, folgen andere gleichzeitig ihren niedersten Beweggründen. Insofern ist es eine Ironie des Schicksals, dass gerade der Ort, an dem Dr. Ritter seine neue, radikale Philosophie zur Rettung der Menschheit verfassen will, er selbst mit beweist, dass die Gesellschaft sich in einer Extremsituation doch nur selbst zerfleischt. Diese Aussagen und die grundsätzliche Stimmung, lassen Eden düster und hoffnungslos erscheinen, dabei sollten die Ereignisse anspornen, dem nicht nachzugeben, sondern selbst besser zu sein. Als Mahnmal ist das durchaus sehenswert und stark gespielt. Nur nicht so spannend, wie erhofft und darum gefühlt etwas länger, als es sein müsste.