Mickey 17 [2025]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Februar 2025
Genre: Science Fiction / Unterhaltung

Originaltitel: Mickey 17
Laufzeit: 139 min.
Produktionsland: Südkorea / USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Bong Joon Ho
Musik: Jung Jae-il
Besetzung: Robert Pattinson, Naomi Ackie, Mark Ruffalo, Toni Collette, Steven Yeun, Holliday Grainger, Anamaria Vartolomei, Thomas Turgoose, Angus Imrie, Cameron Britton, Patsy Ferran, Daniel Henshall, Steve Park, Tim Key


Kurzinhalt:

Vor etwas mehr als vier Jahren haben sich Mickey Barnes (Robert Pattinson) und sein Freund Timo (Steven Yeun) auf der Flucht um ihr Leben für einen Flug des Kolonialraumschiffs des gescheiterten aber bei seinen Anhängern weiterhin populären Politikers Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) gemeldet. Der will auf einem weit entfernten Planeten eine menschliche Siedlung nach seinen Vorstellungen aufbauen. Ohne nachzudenken, hat sich Mickey dabei als sogenannter „Expendable“ angeboten, nicht ahnend, dass er gefährliche und niedere Arbeiten übernehmen muss, die nicht selten tödlich enden, nur damit im Anschluss ein Klon von ihm gedruckt und mit seinen Erinnerungen versehen wird. Während alle an Bord ihn ständig fragen, wie es ist, zu sterben, steht die Elite-Agentin Nasha (Naomi Ackie) fest an seiner Seite. Ihre Beziehung trägt ihn durch den Alltag, in dem er oft als Mensch dritter Klasse behandelt wird, während Marshall und seine Frau Gwendolyn (Toni Collette) im Luxus leben. Doch auf ihrem schneebedeckten Zielplaneten begegnet Mickey nicht nur Ausserirdischen, da geglaubt wird, er habe die Begegnung nicht überlebt, steht er kurz darauf seinem nächsten Klon gegenüber. Doch die Regularien verbieten, dass es mehr als einen von ihm geben darf. Auch wenn Mickey schon so oft gestorben ist, sowohl er als auch sein Nachfolger entwickeln einen ungeahnten Überlebenstrieb …


Kritik:
Die teilweise ziemlich böse und auch hintersinnige Science Fiction-Gesellschaftssatire Mickey 17 präsentiert derart interessante Ideen und ist mit einem sichtbaren Aufwand von einer engagierten Besetzung zum Leben erweckt, dass es durchaus ein wenig enttäuscht, wie wenig Bong Joon Hos Film letztlich mitzureißen vermag. Das liegt weniger an den Beteiligten selbst als daran, dass sich die Geschichte mit Nebenschauplätzen aufhält, anstatt straff zu erzählen, was sie erzählen möchte. Trotzdem lohnt es durchaus, sich darauf einzulassen.

In ihrem Zentrum steht Mickey Barnes, der im Jahr 2054 auf dem Planeten Niflheim dem sicheren Tod ins Auge blickt und dem Publikum erzählt, wie er dorthin gelangt ist. Vor vier Jahren hatte er einem Kredithai auf der Erde sehr viel Geld geschuldet und nachdem dieser sehr bildlich vor Augen geführt hatte, was er mit Mickey und Timo anstellen würde, suchten sie eine Zuflucht so weit wie irgendmöglich von der Erde entfernt. Das Kolonialraumschiff des gescheiterten Politikers Kenneth Marshall, der auf dem Planeten Niflheim eine menschliche Kolonie nach seiner Vorstellung erschaffen möchte, kam da gerade recht. Ohne wirklich zu wissen, worauf er sich einlässt, unterschrieb Mickey als sogenannter „Expendable“ und stirbt seither im Dienste der Mission oder der Wissenschaft regelmäßig, um einen Tag später wieder, mit seinen aktuellen Erinnerungen bestückt, aus dem Drucker zu schlüpfen. Die Einzige, die all dies erträglich macht, ist Nasha, eine Elite-Agentin des Schiffs. Auf dem schneebedeckten Planeten Niflheim angekommen, überlebt der 17. Mickey unerwartet einen Sturz aus großer Höhe und sieht sich wenig später dem 18. Mickey gegenüber. Da es aber strengstens untersagt ist, dass gleichzeitig mehrere Klone existieren dürfen, steht fest, dass einer sterben muss. Doch da entwickeln beide einen unerwartet starken Überlebenswillen.

Basierend auf Edward Ashtons Roman Mickey 7 [2022] stellt Regisseur Bong Joon Ho eine ebenso düstere wie zynische Zukunftsvision vor, in der die Menschen dem Planeten lieber den Rücken zukehren, anstatt sich um dessen Rettung zu bemühen. Um im gleichen Zug sämtliche moralische Bedenken gefährliche Arbeiten betreffend zu umgehen, greift der selbsternannte Commander Marshall, der von seinen Anhängerinnen und Anhängern religiös verehrt wird, auf das Konzept der auf der Erde verbotenen „Expendables“ (die „Entbehrlichen“) zurück, von denen es an Bord jedoch nur einen gibt: Mickey. Als Expendable wird er für alles verwendet, unangenehme Tätigkeiten oder gefährliche wie Strahlentests im Weltraum, Impfstoffentwicklung oder als Versuchskaninchen für neue Nahrung oder Medikamente. Dass manche seiner Versionen nur Minuten überleben, stört ihn nicht, auch wenn nicht alle Klone von Mickey gleich sind. Mickey 17 beispielsweise ist sanftmütiger, Nummer 18 aggressiver. Doch beide wollen überleben, selbst wenn es ihnen vorher egal war, dass sie buchstäblich verheizt wurden. Denn das Sterben, über das Mickey von allen an Bord befragt wird, ist eine furchtbare Erfahrung, einzig erträglich dadurch, dass er weiß, dass er zurückkommen wird.

Mickey 17 nimmt diese Ausgangslage auf jenem fremden Planeten und nutzt sie, um einerseits Kommentare darüber zu treffen, welche moralischen Implikationen das Klonen überhaupt haben würde, aber vor allem in Hinblick darauf, wie die Gesellschaft mit geklonten Menschen umgehen würde. Mickey wird als Wesen zweiter Klasse behandelt. Obwohl er härter arbeitet als die meisten, werden seine Essensrationen gekürzt, denn selbst wenn er verhungert, könnte er ja neu gedruckt werden. Er soll unmenschliche Arbeiten verrichten und erhält nicht einmal einen Dank dafür. Mickey steht in der Rangordnung sogar noch unter der übrigen Besatzung, die die alltäglichen Dinge an Bord des Raumschiffs erledigt, wie den Müll in die Verbrennungsanlage zu werfen – hierzu zählt Mickey immerhin selbst gelegentlich. Auf der anderen Seite steht der egomanische Politiker mit faschistischer Gesinnung, der auf einem weißen, schneebedeckten Planeten seine Vision einer reinen Menschenkolonie erschaffen will. Manche Frauen wurden dabei sogar nach ihren genetischen Merkmalen ausgesucht, um besonders zeugungsfähig zu sein. Dass Kenneth Marshall, toll zum Leben erweckt von Mark Ruffalo, ein Getriebener seiner intriganten Frau Gwendolyn (nicht minder gelungen Toni Collette) ist, sich selbst inszeniert und im Überfluss lebt, während die Besatzung rationierte Nahrung zu sich nehmen muss, ist ein gelungenes Spiegelbild für unsere Gesellschaft. Dass Marshall in Mickey nicht mehr als eine Verfügungsmasse sieht, die er nach seinem Willen einsetzen will, rundet das zynische Bild nur ab.

So gelungen all diese Aussagen jedoch sind, sie sind eingebettet in einer Story, die sich mit Nebenhandlungen aufhält, die die Geschichte nur länger machen. Angefangen von Mickeys Hintergrund, der von der Erde vor seinen Problemen flieht, ohne dass diese später eine wirkliche Rolle spielen. Selbst dass Timo am Ende hiervon gewissermaßen eingeholt wird, spielt keine wirkliche Rolle. Die an Mickey ebenfalls interessierte Kai tritt zwar sporadisch auf, wird aber irgendwann einfach aus der Story geschrieben und im letzten Drittel hat man merklich das Gefühl, als würde die Erzählung nicht zum Schluss finden wollen, bis hin zu einem Tagtraum, der einen zusätzlich aus dem Geschehen reißt. Mickey 17 besitzt ein tolles Konzept und es gelingt den Verantwortlichen, diese Welt greifbar zu erschaffen, bis hin zu Aliens, die durchaus für Überraschungen sorgen. Aber wirklich mitreißen kann Mickeys Schicksal nicht, was vielleicht auch daran liegt, dass er selbst nach dem ersten Aufeinandertreffen mit seinem Nachfolger beinahe zum Zuschauer wird. Erst zum Ende hin kommt die politische Satire zum Tragen, doch bis dahin ist es beinahe schon zu spät.


Fazit:
Sagt ein Klon zum anderen, „Ich bin nicht wie Du“, klingt das so absurd, wie es hier aber zutrifft. Robert Pattinson gelingt es ausgesprochen gut, die verschiedenen Facetten seiner Mickey-Inkarnationen zu verkörpern, auch wenn er von Grund auf sein Schicksal zu sehr zu akzeptieren scheint. Regisseur Bong Joon Ho erzählt seine Geschichte durchaus erfrischend böse und stellt überdies einen selbstgefälligen Politiker vor, der auf Maskulinität und Selbstdarstellung setzt, Menschen in Kategorien als austauschbar oder wertvoll einteilt, als Anführer jedoch ebenso grausam ist wie seine Speichellecker ihm nach dem Mund reden. Ein Schelm, wer Parallelen zur Wirklichkeit entdeckt. Handwerklich ist all dies toll umgesetzt und überdies stark gespielt. Doch was der Geschichte ab der Hälfte fehlt, ist Tempo oder ein Gefühl der Dringlichkeit. Stattdessen plätschert das Geschehen vor sich hin und verliert dabei auch aus den Augen, was zu Beginn im Zentrum stand: Mickey und die ethischen Fragen seiner „Erschaffung“. Spürbar zu lang durch Storyelemente, die letztlich keinen Mehrwert bringen, wird die Science Fiction-Story ihrem Potential nur selten gerecht. Mickey 17 ist eine durchaus beißend satirische Gesellschaftskritik mit einer so einfallsreichen wie im Kern bereits amüsanten Idee, die stellenweise wenig zimperlich präsentiert wird. Doch so behäbig wie es nach dem starken Auftakt weitergeht, reißt das Ergebnis zu wenig mit.