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Eine Perspektive für 3D
Treffpunkt: Kritik Mitunter hat man das Gefühl, dass die Industrie schneller neue Technologien entwickelt, als diese sich tatsächlich etablieren können. Waren auf den Elektronikmessen der letzten Jahre 3D-Fernseher in allen Größen und Formen zu sehen, berichteten die Beobachter bei der CES dieses Frühjahr, dass man an kaum einem Stand mehr eine 3D-Brille aufsetzen musste. Ultra High Definition oder 4K lautet das neue Schlagwort, eine Technik, welche die Auflösung von HD-Fernsehern verdoppelt. Dafür gibt es dann auch riesige Geräte mit Bilddiagonalen von 177 cm und mehr, wofür die Hersteller wiederum einen Abstand zum TV von mindestens 7 m empfehlen. Nunja, wer im Keller die eigene Bowlingbahn versteckt, wird vermutlich auch ein entsprechend geräumiges Wohnzimmer haben. Doch was ist aus 3D geworden? Und vermisst es überhaupt jemand? Eine (leicht voreingenommene) Meinung.
Zu behaupten, ich wäre Feuer und Flamme für die Filmtechnik, ist sicher übertrieben. So interessant sie immer war, so sehr hat sie mich in James Camerons Avatar - Aufbruch nach Pandora [2009] mitgerissen. Die Bilder waren plastisch, die Szenen in allen Dimensionen komponiert. Doch was kam danach? Zum einen Produktionen, die versuchten auf der Welle mitzuschwimmen, die Avatar losgetreten hatte, ohne jedoch inhaltlich überzeugen zu können (oder zu wollen). Und andererseits eine Menge Filme, die nachträglich in 3D konvertiert wurden, um vom höheren Ticketpreis zu profitieren. Das bedeutet jedoch, dass die Bilder vom Regisseur gar nicht in 3D gedacht waren, ihm die Technik aber hinterher aufgezwungen wurde. Prominentes Beispiel ist hierfür Kampf der Titanen [2010]. Viele Kinozuschauer waren von den sogenannten post-converts enttäuscht, da sie weder die Klarheit der richtigen 3D-Produktionen boten, noch die räumliche Tiefe. Vor allem verstärkte dies den Eindruck, als wollten die Studios zusätzlich etwas mehr Geld an der Kinokasse abgreifen, ohne hierfür viel tun zu müssen. Die Neuveröffentlichung von Filmklassikern in 3D schlägt in dieselbe Kerbe.
Die wahre Bedeutung von 3D für die Studios. Bild von: dream designs / FreeDigitalPhotos.net Finanziell lohnt sich das 3D für die Studios durchaus, immerhin kostet das Ticket meist zwei Euro oder mehr noch mehr, als bei der normalen Vorführung. Denn auf die Augenwischerei sind die Kinos längst eingestiegen: Kostet die 3D-Aufführung nur 1 bis 1,50 Euro mehr als normal, kommt hierzu noch eine Gebühr für die (verkratzte) 3D-Brille dazu. Das Argument, man bringt seine eigene mit – und würde so nebenbei weniger Müll produzieren – lassen die Kinos nicht gelten. Wer einen Film in 3D schauen will, muss die Brille zumindest an der Kasse bezahlen (wenn auch nicht mitnehmen), so wenigstens meine Erfahrung. Hinzu kommt ein Überlängenzuschlag, wenn der Film mit Abspann länger als zwei Stunden geht und neuerdings ein Aufschlag für die höhere Bildrate HFR. Allein ein aktueller 3D-Film liegt pro Eintrittskarte in Großstädten bei 12,- Euro oder mehr. Der Wochenendzuschlag ist hier noch gar nicht dabei. Ergibt bei einem Besuch von vier Personen knapp 50,- Euro. Ohne Parkhausgebühr, Preis für den öffentlichen Nahverkehr oder gar Getränke oder Snacks. Und da wundern sich die Kinobetreiber und Studios, weswegen die Zuschauerzahlen zurückgehen? Die Einnahmen steigen zwar auf Grund der höheren Ticketpreise, aber tatsächlich sind die Zuschauerzahlen rückläufig[2]. Nur ist die Frage, was war zuerst? Die höheren Preise, die die Zuschauer in die Flucht geschlagen haben, oder das ausbleibende Publikum, das die Studios gegen ihren Willen zwang, höhere Preise zu rechtfertigen?
Im Gegenzug kostet eine aktuelle Blu-ray bei Veröffentlichung drei bis sechs Monate nach Kinostart durchschnittlich 13,- Euro, die 3D-Variante ca. 25,- Euro. Den Film kann man Zuhause dann so oft ansehen, wie man möchte und auch mit so vielen Gästen wie gewünscht. Über den Verleih gibt es die Discs schon ab 2,50 Euro, beziehungsweise als Video on Demand für ca. 5,- Euro. Die Größenordnung der Kostenersparnis wird umso offensichtlicher, wenn man den Fall nur bei einem Film pro Monat auf das Jahr hochrechnet.

Aber, so argumentieren Studios, Kinobetreiber und viele Filmfans, das Heimkino ist mit dem richtigen Kino nicht zu vergleichen, mit der riesigen Leinwand, dem ohrenbetäubenden Ton und dem Gefühl, mit mehreren Hundert Menschen gleichzeitig das filmische Ereignis zu teilen.
Lange Zeit habe ich dieselben Gründe für die Überlegenheit des Kinos vorgebracht. Aber stimmt das noch?
Popcorn auf den Sitzen, am Boden, an der Decke, ein Filmprojektor, der trotz digitaler Quelle schlicht zu dunkel und kontrastarm eingestellt ist, und eine Tonanlage, die auf Bass und Lautstärke getrimmt, nicht aber für den jeweiligen Film abgestimmt wird. In Folge ist der Ton laut, aber detailarm – und die Räumlichkeit geht bei der Beschallung so auch verloren. Eine vernünftig ausbalancierte Vorstellung zu erwischen, ist eine Herausforderung und die Ankündigung der Kinobetreiber, noch mehr Vorführer zu entlassen[3], stellt keine Besserung in Aussicht. Bleibt als Hauptargument für das Kino das 3D, das auf der großen Leinwand angeblich besser zur Geltung kommt, als im heimischen Wohnzimmer.
Doch auch hier ist ein Urteil bei weitem nicht so einfach, wie es den Anschein haben mag. Während manche 3D-Produktionen im Kino durchaus beeindrucken, sind viele andere eher mau, deren räumliche Tiefe kaum zu sehen. Dieselben Filme entwickeln im 3D-Heimkino oft einen bedeutend plastischeren Effekt und offenbaren eine bessere Tiefenwirkung, als im Kino. Woran liegt das?

Keine Technik kann alles. Bild von: worradmu / FreeDigitalPhotos.net Nun, zum einen wird das Heimkino Zuhause einmal auf die Entfernung und den Blickwinkel des Zuschauers eingestellt und bleibt dann fest, während im Kino ein bedeutend größerer Blickwinkel und unterschiedliche Entfernungen zur Leinwand abgedeckt werden sollen. Dass hier Kompromisse gemacht werden müssen, ist nachvollziehbar. Aber andere Berichte lassen auch den Schluss zu, dass die Kinos selbst an der 3D-Justierung etwas verbessern können, beziehungsweise müssten – und zwar bei jedem Film neu[4]. Das bedeutet Aufwand und Kosten, die nur mit einem besseren Kinogefühl dem Publikum zugutekommen würden. Und daran scheint man sparen zu wollen, zumindest so lange, wie sich die hohen Ticketpreise noch rechnen.

Schlussendlich bleibt die Frage, ob 3D für die Erfahrung des Films wirklich notwendig ist. 3D-euphorischen Filmfans wird hier mit Argumenten nicht beizukommen sein. Der eigentliche Knackpunkt ist doch, ob die Technik eine gute Geschichte verbessern kann, oder eine mittelmäßige?

Immer wieder beweisen Produktionen, dass eine emotionale oder beeindruckende Story keine Dialoge benötigt, manchmal auch keine Farbe, oder beides. Wieso also 3D? In Avatar verstärkte die dritte Dimension, dass sowohl die fremde Welt, die Wesen, ja das ganze Erlebnis dieser Welt etwas völlig Neues war. Es ist ein Erfolgsmodell, das sich seither nicht wiederholen ließ. Selbst Der Hobbit – Eine unerwartete Reise [2012] in 3D provozierte beim Großteil des Publikums nicht dieses Gefühl. Im Gegenteil, viele empfanden es als befremdlich (auch dank des HFR)[5]. Filmemacher Christopher Nolan (Die Batman-Trilogie mit Christian Bale als maskierten Helden) meinte sogar einmal, dass alle seine Filme perspektivisch gedreht sind, immerhin berücksichtige er Unschärfen, Entfernungen und den Raum in seinen Bildern[6]. Wie alle anderen Regisseure auch.
Bei guten Filmen ist das 3D ein willkommener Zusatz, ob es tatsächlich einen Mehrwert bietet, muss jeder für sich entscheiden. So sieht beispielsweise auch die nachträgliche Konvertierung von Titanic [1997] im Heimkino beeindruckend aus und bietet insbesondere in den Innenaufnahmen eine spürbare Räumlichkeit. Doch drei Stunden lang eine (unbequeme) Brille auf der Nase zu haben, ist ein Kompromiss, den ich nicht bereit bin einzugehen, insbesondere, da der Film in 2D ein brillantes Farbspektrum bietet und ich die komponierten Szenen ebenso genießen kann. Und dabei genauso ein Gefühl für die Beklemmung und die Weitläufigkeit der Areale bekomme.
Nach wie vor keine bequeme Brille. Bild von: Grant Cochrane / FreeDigitalPhotos.net Ein mittelmäßiger oder gar schlechter Film, der nicht wirklich interessiert, dessen Geschichte und Figuren zur Nebensache verkommen, wird durch eine weitere Dimension nicht besser, da das Publikum nicht (nur) auf visueller Ebene mit einem Film eine Verbindung aufbaut, um mit den Geschehnissen mitzufiebern, sondern auf inhaltlicher Ebene. Hätte ein Millionenpublikum Titanic ein halbes Dutzend Mal im Kino angeschaut, nur um den Untergang des Schiffes zu sehen? Oder sind sie dorthin geströmt, weil ihnen die Story und die Charaktere darin wichtig waren?

Wer sich wirklich für 3D interessiert und sich im Einzelhandel informiert, sollte bedenken, dass die Vorführgeräte meist keinen realistischen Eindruck vermitteln. Zum einen entwickelt das Format seine Stärken in einem abgedunkelten, am besten stockfinsteren Raum (Umgebungslicht ist ein Feind der Technik) und zum anderen sind die Geräte in den seltensten Fällen vernünftig kalibriert. Vielmehr werden oft alle Einstellungen auf Maximum gedreht, in der Hoffnung, dass die Kaufwilligen dann eher zuschlagen.
Ob es wirklich wichtig ist, einen Film in 3D zu sehen, man also mehr in die Geschichte gezogen wird oder man gar einen anderen Film zu sehen bekommt, ist in etwa so, als wenn ein Buch in unterschiedlichen Schriftfarben gedruckt ist. Das hat bei Michael Endes Die unendliche Geschichte [1979] für eine andere Wahrnehmung der unterschiedlichen Erzählebenen geführt, doch die fantastische Geschichte wurde damit nicht noch besser, sie kam nur anders zum Ausdruck.

Ich persönlich empfinde das durch die 3D-Brille dunklere Bild und die Einschränkung, nicht in jeder Perspektive, also auch nicht mit geneigtem Kopf, durch die Brille sehen zu können, als ein Hindernis. Das macht den Film mitunter anstrengender als er sein muss. Insofern bleibt für mich 3D ein Nischenformat, das ohne Frage seine Fans hat und findet. Und eines, das durchaus seine Berechtigung besitzt. Aber weder wird ein Film damit neu erfunden, noch eine Story besser erzählt. Und für ein "nettes" Extra sind mir der damit verbundene Preis und die Kosten schlicht zu hoch.


(ohne Fußnote) Forbes: CES 2013: 3D TV Is Dead, Long Live 4K
[2] International Business Times: Hollywood's Incredible Shrinking Audiences
[3] Heise: Kino-Digitalisierung: Auch Cinestar entlässt Vorführer
[4] The Digital Bits: The Hobbit Unexpected, Hobbit, The: An Unexpected Journey 3D
[5] Gizmodo: The Hobbit: An Unexpected Masterclass in Why 48 FPS Fails
[6] ScreenRant: Christopher Nolan Talks IMAX, 3D & CGI in Movies
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