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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.Für den Inhalt sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Auch spiegelt die Meinung eines einzelnen Autors nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.
"Nichts ist so beständig wie der Wandel" | von Jens am 04.05.2011, um 07:00 Uhr. |
![]() Früher war es so, dass man von den Mitmenschen eher belächelt wurde, wenn man einen gelb-roten Ansteck-Button mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein danke" getragen hat. Heute lächelt niemand mehr, im Gegenteil: mehrmals pro Woche wird man von fremden Menschen angesprochen, auf der Rolltreppe, im Fahrstuhl, in der U-Bahn. Man wird gefragt, ob man nicht irgendwo noch einen weiteren Button hat, den man abgeben könnte. Früher konnten sich die Machthaber in den arabischen Ländern ihrer Macht sicher sein, Ausgangssperren wurden verhängt, Nachrichtensperren durchgesetzt. Heute demonstrieren jeden Tag tausende Menschen für ihre Freiheit und ihr Mitbestimmungsrecht, auch wenn sie dafür mit ihrem Leben bezahlen. Man hat das Gefühl, als wäre die Welt nicht mehr die alte. So viele Dinge ändern sich derzeit in einer Geschwindigkeit, dass es schwer fällt, nicht den Anschluss zu verlieren – und nicht zu vergessen, was früher war. Über Nacht wird verkündet, dass einer der meist gesuchten Terroristen der Welt getötet wurde, urplötzlich ist nach einer Naturkatastrophe ein Hochindustrieland stellenweise unbewohnbar und der Aufbau wird Jahre dauern. Änderung ist immer um uns, nur momentan hat man das Gefühl, man würde von ihr geradezu überrollt. |

Nicht ganz zwei Monate ist es her, dass eine Naturkatastrophe und ihre Auswirkungen der Welt die Augen geöffnet haben, dass es keine Sicherheit beim Thema Kernkraft gibt. Dabei ist die Sicherheit ein verlockendes Gefühl, das sich im September 2001 bereits als Trugschluss herausgestellt hatte. Viel geändert hat sich in den letzten acht Wochen nicht, außer Versprechungen, man wolle den Atomausstieg beschleunigen. Würde man ihn seit Jahren nicht mutwillig in die Länge ziehen, wäre uns doch schon viel geholfen. Dieselbe Regierung, die Anfang des Jahres Zuschüsse für Hauseigentümer, die auf Solar-Energie umsteigen möchten, gestrichen hat, will nun wieder in erneuerbare Energien investieren. Es wird ein Atommoratorium festgelegt – über das inzwischen kaum mehr gesprochen wird –, bei dem zwar die ältesten Atommeiler vom Netz genommen werden, die radioaktiven Brennstäbe aber immer noch in der Anlage verbleiben (müssen). Bis diese soweit abgekühlt sind, dass die Anlage tatsächlich geschlossen werden kann, werden Jahre vergehen. Und das, obgleich immer noch nicht sicher ist, wo man mit dem radioaktiven Müll hin soll. Eine Endlagerung ist nicht in Sicht, Zwischenlager erweisen sich immer wieder als nicht sicher genug, und das, obwohl dort noch nicht einmal eine Naturkatastrophe zugeschlagen hat. Wie die Sicherheit in den Wiederaufbereitungsanlagen aussieht, wird in der Öffentlichkeit generell totgeschwiegen. Diese halten keinem Luftangriff oder anderen Attacken stand und beinhalten ebenso verhängnisvolles, strahlendes Material. 25 Jahre nach Tschernobyl[2] sind die vermeintlichen Lehren, die daraus gezogen wurden, nirgendwo mehr zu sehen.
Der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands hat seine Alltagsarbeit noch nicht aufgenommen, da wird ihm von Seiten seiner politischen Gegner (nicht einmal im eigenen Bundesland) vorgehalten, er gehöre dem "politischen Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern" an[3]. Nicht, weil er sich permanent gegen etwas aussprechen würde, sondern weil er sich für einen bewussten Umgang mit der Umwelt ausspricht. Aus Angst, das eigene Fundament unter den Füßen zu verlieren, schüren die Verantwortlichen wieder die Angst vor schwindenden Arbeitsplätzen und bieten Firmen an, in benachbarte Bundesländer umzuziehen, um nicht unter den Folgen eines umweltbewussten, wirtschaftlichen Handelns finanziell leiden zu müssen. Dabei lassen sich mit erneuerbaren Energien oder dem Umrüsten auf sparsame Technologien viele neue Arbeitsplätze schaffen[4],[5]!
Aber wenn junge deutsche Erfinder sparsame, serienreife Batterien für Elektroautos entwickeln, die sich in Alltagstests bereits bewähren, von der Automobilindustrie jedoch abgewiesen werden, weil man dort die eigenen Erfindungen erst in vier Jahren marktreif haben möchte[6], muss man sich wundern, weswegen die ach so besorgte Politik nicht eingreift. Die Behauptung, der Markt reguliere sich selbst, trifft immer noch zu – nur wie früher bereits, reguliert er sich zur Gewinnmaximierung und nicht zum verantwortlichen Umgang mit Ressourcen.
Hört man die Parolen der verschiedenen Volksvertreter, die vor Fukushima in die eine, danach in die andere Richtung riefen und sich jetzt wieder im Kreis drehen[7], möchte man fast glauben, es habe sich gar nichts geändert. Oder es ändert sich etwas, wenn es von politischem Nutzen ist.

Niemand lässt sich gern zwei Mal übers Ohr hauen, und wenn ein Technikriese wie Sony, der zuletzt ins Fadenkreuz von Hackern gelangt war, austrickst werden kann, wie sieht es dann bei anderen Anbietern aus? Während selbst Datenschützer in Deutschland, die bereits gegen Googles StreetView und Microsofts Streetside vorgehen, daran denken, Sony für den mangelhaft sorgfältigen Umgang mit sensiblen Daten monetär in die Verantwortung zu nehmen[11], fragt niemand, wie sicher andere solche Dienste sind. Würde sich genügend kriminelle Energie einfinden, gezielt ein Unternehmen zu hacken, könnte man etwas dagegen tun? Auch Amazons ausfallsicherer Cloud-Service ging kürzlich offline[12], wobei einige Daten unwiederbringlich verloren gingen.

Veränderungen sind Bestandteil unserer Welt seit ihrer Entstehung. Wir bauen auf Sicherheiten, die uns eine genaue Planbarkeit ermöglichen, immerhin haben wir uns unsere Zukunft bereits ausgemalt und wenn noch nicht mit Details, dann zumindest in einer groben Vorstellung. Dabei neigen wir dazu, die Welt um uns herum unseren Gesetzmäßigkeiten zu unterwerfen, anstatt uns selbst unterzuordnen. Wohin das führt, haben uns die Ereignisse dieses jungen Jahres mit seinen Katastrophen und Naturgewalten allerorts gezeigt. Vielleicht helfen sie auch, dass wir uns nicht weiter wie Herrscher über unsere Welt benehmen, denn als Gast. Zu wissen, dass nichts sicher ist, ermöglicht schließlich auch eine gewisse Planung. Vielleicht sogar eine vor- und umsichtigere.
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