Beating Hearts [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 9. Januar 2025
Genre: Liebesfilm / Drama / Krimi
Originaltitel: L’amour ouf
Laufzeit: 166 min.
Produktionsland: Frankreich / Belgien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Gilles Lellouche
Musik: Jon Brion
Besetzung: Adèle Exarchopoulos, François Civil, Malik Frikah, Mallory Wanecque, Alain Chabat, Anthony Bajon, Jean-Pascal Zadi, Benoît Poelvoorde, Vincent Lacoste, Élodie Bouchez, Karim Leklou, Raphaël Quenard, Louis Raison
Kurzinhalt:
Ihre Kindheit hätte kaum unterschiedlicher verlaufen können: Jackie (Mallory Wanecque) wuchs allein bei ihrem Vater auf, während Clotaire (Malik Frikah) mit mehreren Geschwistern in einer Arbeiterfamilie groß wurde. Doch während Jackie als Lehre daraus zieht, dass sie lernen und etwas aus ihrem Leben machen möchte, steht für Clotaire fest, dass die Schule nichts für ihn ist. Als Jugendliche treffen die beiden aufeinander, nachdem Jackie vom Internat geflogen ist und die Schule wechselt, vor der sich Clotaire mit seiner Clique herumtreibt. Es funkt auf den ersten Blick zwischen ihnen und während Jackie in Clotaire eine weiche Seite zutage fördert, die man unter den täglichen Wunden der Prügeleien kaum vermuten würde, hat er einen weniger guten Einfluss auf sie. Dies hält sich so lange die Waage, bis Clotaire beginnt, für den Gangster La Brosse (Benoît Poelvoorde) zu arbeiten, und immer weiter auf die schiefe Bahn gerät. Über Jahre getrennt, können sich Jackie (Adèle Exarchopoulos) und Clotaire (François Civil) nie vergessen. Doch es liegen noch mehr Tiefen vor ihnen …
Kritik:
Selbst wenn Gilles Lellouche im Kern eine Liebesgeschichte um einen „bösen“ Jungen und ein intelligentes Mädchen erzählt, die man so oder ähnlich schon zig Mal gehört hat, der nicht nur in Anbetracht der Lauflänge von beinahe drei Stunden übergroße Beating Hearts beschwört greifbar das Gefühl der ersten großen Liebe herauf, die sich anfühlt wie ein nicht endender Sommer. Dank starker Darbietungen und einer gelungenen Inszenierung ist das trotz der Klischees gelungen.
Hat man erkannt, dass die Geschichte nach einem Romeo und Julia-esquen Prolog zurückspringt und vorstellt, wie sich die beiden Hauptfiguren Jackie und Clotaire kennengelernt und verliebt haben, ahnt man, worauf die Erzählung hinauslaufen wird. Doch Filmemacher Lellouche findet hier einen interessanten Weg, die Erwartungen des Publikums zu unterlaufen. Dasselbe gilt allerdings nicht für die Liebesgeschichte selbst. Während Jackie früh ihre Mutter verloren hat und bei ihrem Vater aufwächst, ist Clotaire ein Kind einer Großfamilie. Sein Vater, ein Hafenarbeiter, sagt seiner Mutter nicht oft, dass er sie liebt, doch er tut es aufrichtig. Als Jugendliche treffen sich Jackie und Clotaire an der Schule, auf die sie geht und vor der er mit seinen Freunden herumlungert. Seine Clique stiehlt und beleidigt Gleichaltrige, die ihr Leben angeblich damit verschwenden, dass sie an die Zukunft denken. Aus ihren eigenen Leben machen sie dabei jedoch herzlich wenig. Trotz oder gerade auf Grund ihrer Unterschiede verlieben sich Jackie und Clotaire ineinander. Doch sein Einfluss auf sie ist größer, als andersherum. Sie beginnt, die Schule zu schwänzen, während Clotaire zunehmend auf die schiefe Bahn gerät. Dann fängt er an, für den Gangster La Brosse zu arbeiten und Clotaires Gaunereien zahlen sich für ihn aus. Jackie spürt, dass er ihr entgleitet, bis etwas geschieht, das die beiden untrennbar miteinander Verbundenen doch entzweit.
Der erzählerische Sprung von 10 Jahren in der Geschichte bedeutet unter anderem, dass die Figuren von unterschiedlichen Darstellerinnen und Darstellern verkörpert werden. So gelungen die Besetzung insgesamt die grundverschiedenen Charaktere zum Leben erweckt, der Wechsel sorgt zusammen damit, dass sich die Persönlichkeiten ebenfalls verändert haben dafür, dass es schwerfällt, den Zugang zu den Figuren zu behalten. Dass die ineinander verliebt sind, sieht man ihnen beinahe ab dem ersten Moment an, in dem sie sich begegnen. Sie zu beobachten, wie sie sich trauen, zueinander zu finden, macht in gewisser Hinsicht den Reiz der ersten Hälfte von Beating Hearts aus. Ein zu langer Blick, eine zu offensichtliche Abweisung des jeweils anderen. Die Anzeichen sind offensichtlich. Was sie genau ineinander sehen, ist dabei schwer zu greifen. Dass sich Clotaire aufrichtig um Jackie bemüht, ist unbestritten. Nur sind die Aufmerksamkeiten, die er ihr zukommen lässt, allesamt gestohlen. Die kluge Jackie sieht Clotaire hingegen so, wie er sich selbst gern sehen möchte, aber von niemand anderem wahrgenommen wird. Es ist eine Liebe, die sich wie ein langer Sommer anfühlt, bis Clotaires Abstieg beginnt.
Als einschneidende Ereignisse in seiner Geschichte wählt Lellouche zwei Sonnenfinsternisse. Beide ändern den Pfad, auf dem sich die Figuren zu jenem Zeitpunkt befinden. Die erste Clotaires als Jugendlicher, die zweite Jackies als Erwachsene, die eine Beziehung führt, deren Glück sie sich mehr selbst einredet, als empfindet. Überhaupt ist die Bildersprache von Beating Hearts überaus treffend, sieht man von einer allzu plakativen Einstellung zu Beginn mit einem pumpenden Herz einmal ab. Die warmen Farben und die Perspektiven vermitteln jenes nostalgische Flair aus den 1980er-Jahren und den folgenden Jahrzehnten, während die Einstellungen am Strand oder bei Sonnenuntergängen für sich genommen mitunter schlicht schön ausgesucht sind. Geradezu behutsam und in der ersten Hälfte merklich amüsant inszeniert der Filmemacher die junge Liebe und ihre gegenseitige Anziehung buchstäblich als einen wilden Tanz. Das mag in manchen Momenten bewusst künstlerisch überspitzt sein, doch ist es für sich so passend, wie die actionreichen Augenblicke mit entsprechendem Tempo umgesetzt.
Die für das Publikum vermutlich kontroverseste Entscheidung wird jedoch inhaltlicher Natur sein, wenn sich der Verlauf der Geschichte anders darstellt, als zu Beginn in Aussicht gestellt. Dabei kann man erst dann Clotaires Entscheidung verstehen, wenn man seine und Jackies gemeinsame Geschichte gesehen hat. Es ist ein Sinnbild dafür, einem impulsiv gesteuerten, ziellosen Leben durch die Liebe oder die Aussicht darauf einen Sinn und eine Mäßigung zu verleihen. Es ist weniger ein Klischee als kitschig, aber etwas, das man den Figuren nach allem, was sie durchmachen in Beating Hearts, durchaus von Herzen wünscht. Zu diesen Wünschen zählt auch, dass sich die Verantwortlichen in der zweiten Hälfte mehr Zeit nehmen würden, in der sie die Geschichte des Aufstiegs eines neuen Gangsters erzählen, die hier lediglich in einer Collage vorgestellt wird. Es ist beinahe, als würde Regisseur Gilles Lellouche im Grunde zwei Stories erzählen, für die er gleich viel Zeit bräuchte, doch er gibt dem ersten Teil mehr, als dem zweiten. Wäre es nicht um die Besetzung, die sich hier merklich Mühe gibt, die alles andere als einfachen Figuren mit Leben zu füllen, und um die tolle Optik, würde man dem Regisseur seine Entscheidung weniger verzeihen, als der Fall ist.
Fazit:
Es gibt wenige Momente, sowohl als Jugendlicher als auch als Erwachsener, in denen man Clotaire begegnet, ohne dass er eine Verletzung im Gesicht trägt. Nie einem Streit aus dem Weg gehend, die meisten sogar provozierend, sucht er beständig eine Anerkennung, die er erst findet, wenn er Jackie trifft. Zumindest so lange, bis ihn die Aussicht auf Reichtum und noch mehr Anerkennung durch andere von ihr entfernen. Jackie sagt zu ihm einmal, dass er das Schlechte in sich gewinnen lässt und wie sehr sie dies beide betrifft, ist ihnen anzusehen. Dabei zeigt Filmemacher Gilles Lellouche auch, dass die Liebe Clotaire dazu bringen kann, besser sein zu wollen und zu werden, als er ist. In mancherlei Hinsicht fühlt sich seine Geschichte an, wie eine auf die Leinwand gebrachte, lange Liebesrockballade. Und wie diese, ist was der Regisseur erzählt, nicht wirklich neu. Doch dank der engagierten Besetzung und der handwerklich tadellosen, mitunter sogar durchaus einfallsreichen und flotten Inszenierung, kann man sich von der Love-Story von Beating Hearts merklich mittreiben lassen. Das heißt nicht, dass man sie nicht hätte straffen können und in der ersten Hälfte gelingt sie besser, als in der ernsteren zweiten, in der man nicht so recht weiß, wieso die Figuren wieder zueinander finden sollten. Doch wie in der Liebe auch, muss hier manches nicht immer einen Sinn ergeben.