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Willkommen im Morgen von Gestern
Treffpunkt: Kritik Fortschritt ist eine tolle Sache. Ohne Fortschritt würden die Menschen noch in Höhlen leben, darauf warten, dass ein Blitz ein Feuer entfacht, Mammuts jagen und so etwas wie Stromausfälle oder nicht funktionierende Technik gar nicht so schlimm finden – denn sie würden es ja nicht kennen.
Fortschritt hat die Menschen an die Schwelle der Selbstzerstörung gebracht, hat uns Medizin und Waffen erfinden lassen (zugegebenermaßen in anderer Reihenfolge), und Fortschritt führt uns tagtäglich vor Augen, dass der geistige nicht mit dem technologischen Fortschritt gleichzusetzen ist. Anders kann man es sich nicht erklären, dass in 24 Stunden Tausende Menschen an Krankheiten, Krieg und Hunger sterben. Aber Fortschritt, und das ist das ebenso Erschreckende wie Beruhigende, fand nicht nur in der Vergangenheit statt, er passiert hier und heute, und die Tatsache, weswegen man davon nichts mitbekommt ist ganz einfach diese, dass es danach meist schlimmer ist als vorher.
Ein Lied hiervon können all diejenigen singen, die vor etwa einem Jahr für circa 100 Euro ihres bitter ersparten Geldes den Sprung vom Analogen zum Digitalen Fernsehen in weiten, unterstützten Teilen Deutschlands gewagt haben (deutschlandweit bis 2010). Das weniger, weil sie es wollten, als weil sie sonst gänzlich in die Röhre geschaut hätten, denn der Fortschritt macht am wenigsten vor denjenigen Halt, die sich ihm verwehren. So stellten die Sender Stück für Stück die analoge Ausstrahlung des Fernsehsignals ein und luden quasi all diejenigen ein, Teil des Digitalen Zeitalters zu werden, die überhaupt noch etwas sehen wollten.
Der Preis der neuen Geräte, die dafür notwendig wurden, wurde damit begründet, dass die neue Technik so modern, so hoch entwickelt ist, dass dies auch sein Geld wert sei. Mit glasklarem Bild und Ton wurde geworben, Störungen sollten der Vergangenheit angehören – brillanter und lebensnaher als Digitales Fernsehen sei nur das Leben selbst, und selbst das nicht immer.
Als dann, nach der flächendeckenden Ausstattung mit Digitalen Empfängern, die Zuschauer fortan trotz der Prophezeiung keine Einsen und Nullen, sondern nach wie vor fern sahen, schien die Welt in Ordnung, das Loch im Portemonnaie war schnell verschmerzt und man widmete sich wieder dem Tagesgeschäft. Bis, ja bis eines Tages ein bösartiger Cumulonimbus daher kam, ein Wolkerich der vertikalen Gattung mit Blitz und Donner, der sich anschickte, die süddeutsche (Verzeihung: bayrische) Stadt München mit seinen Fähigkeiten zu beglücken. Wenig später hatten die Menschen in der bayrischen Metropole die Gelegenheit, Blitz und Donner in reinster Form zu genießen, denn urplötzlich wurde der Bildschirm schwarz. Dieses auch in vielen, vielen Kilometer Entfernung noch, denn ein Stromausfall im Sendezentrum München (ein zentraler Umschlagplatz für die zahlreichen, ins Digitale Netz eingespeisten Sender) hatte einen Sendeausfall im gesamten Einzugsgebiet zur Folge. So sahen auch die Menschen nahe dem Bodensee nur Schwarz im Fernseher, konnten aber kein Gewitter außerhalb der eigenen vier Wände genießen, weil bei ihnen kein Tröpfchen Regen fiel.
Der Tumult war groß, am kommenden Tag brachten die ersten Käufer erbost ihre Digitalen Geräte zurück zum Händler mit der Begründung, "dies ist mir mit meiner Antenne noch nie passiert". Man gelobte Besserung und tatsächlich erfreut sich seither das Digitale Fernsehen immer größerer Beliebtheit. Dies allerdings nur, bis wieder ein bösartiges Wölkchen daher kommt und die Menschen mit seinem hell-lauten-Schauspiel verzücken möchte, dann bleibt der Fernseher nämlich wieder schwarz – ebenfalls rings um München und das Einzugsgebiet herum. Woran das liegt? An den schweren Unwettern (immerhin hatte man bislang niemals im Sommer auch nur den Hauch einer Wolke am Himmel gesehen) und beinahe schon fast behobenen technischen Problemen im Digitalen Fernsehnetz. Bedauerlich ist das insofern, als dass einige Mitbürgerinnen und Mitbürger nach wie vor eine analoge Antenne auf dem Dach stehen haben, nur damit inzwischen ebenfalls nichts mehr empfangen können, da das alte Netz, die alte, unzuverlässige Technik, nicht mehr unterstützt wird. Das wäre ja auch – entgegen dem hiesigen Solidaritätsprinzip – vollkommen unsolidarisch, wenn diejenigen, die sich dem Fortschritt verschließen würden, auch seinen Macken entgehen würden. Wenn also kein Bild zu sehen ist, dann bitte für alle.

"Unisono" scheint auch ein Leitmotiv einer ganz anderen Sparte der Gesellschaft zu sein, wo man sich jüngst dazu entschloss, dass ein Alleingang zum Wohle der Menschheit doch keine gute Idee ist. Immerhin gab es wegen solcher 'Nichtigkeiten' bereits Glaubensspaltungen.

Es ist erstaunlich, wie sich eine Glaubensgemeinschaft, die sich angeblich dem Leben verschrieben hat, dieses mit so wenig Achtung behandeln kann, und dennoch in der Gesellschaft akzeptiert wird.
Es gab nur wenige, die in der Schwangerenkonfliktberatung einen "Freischein für die Abtreibung" sahen, ganz im Gegenteil, Studien haben bewiesen, dass diese Beratungsstellen halfen, die ungeborenen Kinder am Leben zu erhalten, dass sie ausgetragen und geboren wurden, und nicht weniger oft auch in der Obhut der Mutter, beziehungsweise der Eltern blieben. Aber von der Philosophie, dass der Hirte seine Herde verlässt, um ein Schaf zurück zu holen, scheinen die Geistlichen in Rom nicht viel zu halten, denn auch wenn nur ein Kind nicht gerettet wurde, war dies Grund genug, im Jahr 2000 vollständig aus dieser Beratung auszusteigen. Die Geretteten waren/wären im diesem Falle als Kollateralschaden zu verbuchen. Als Begründung führt die Katholische Kirche an, dass man sich (mit der Unterschrift des berüchtigten Scheins nach der Beratung) nicht in irgendeinem Falle an dem Tötungssystem des ungeborenen Lebens beteiligen möchte. Eine Begründung, die aber selbst die hauseigenen Priester und Bischöfe vielerorts nicht teilten.
Nun ist der Mensch ja generell erfindungsreich und so schlossen sich viele prominente Persönlichkeiten und Bischöfe in Deutschland zusammen, um die kirchenunabhängige Organisation "Donum Vitae" zu unterstützen, die eben jene Beratung wieder anbot.
Dass dies aber einem altbekannten Muster gleichkam, laut dem dem alten Kind ein neuer Name gegeben wurde, war den Herren im Vatikan durchaus bewusst, und so wurde kontinuierlich Druck ausgeübt, die Kirchenangestellten auch aus "Donum Vitae" heraus zu halten.
Bevor sich auch noch das Oberhaupt der Katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI. in dieses Versteckspielen einschaltete, haben die Verantwortlichen nun nachgegeben und nach einer Erklärung, die in den Amtsblättern der Bistümer verbreitet wird, ist "Personen, die im kirchlichen Dienst stehen, […] eine Mitwirkung bei Donum Vitae untersagt". Als der Papst noch Präfekt der Glaubenskongregation gewesen war, hatte er sich ebenfalls schon für einen Ausstieg aus dem uneigennützigen Verein eingesetzt, und plant wohl, dies nun auch während seinem Pontifikat zu tun – wieso auch nicht, Unfehlbarkeit ist ja bekanntlich ein Segen und gottgegeben, denn eine Einbildung von größenwahnsinnigen Diktatoren.
Zwar fällt in der Erklärung kein negatives Wort über "Donum Vitae", man darf allerdings abwarten, was geschieht, wenn ein Priester seines Amtes entbunden wird, nachdem sich dieser bei "Donum Vitae" engagierte – das Konfliktpotential ist vorhanden, und wenn es nach dem denkenden Teil der Glaubensjünger geht, sollte es lieber bald als später entzündet werden.
Denn momentan wird dieser Konflikt (und das ist er angesichts der 'verhaltenen' Reaktion der deutschen Bischöfe zweifellos) einzig und allein auf dem Rücken derjenigen ausgetragen, die auf eine (geistliche) Beratung angewiesen wären – den Frauen, die sich noch nicht für eine Abtreibung entschieden haben.
Hatte sich die vatikan'sche Führung bislang nur für die unzähligen Seelen zu verantworten, die sie auf ihr Geheiß aus dem Leben gerissen hatte, gesellen sich zu all jenen nun auch die Seelen der ungeborenen Opfer des Glaubens. Das ist ein Verdienst, der in den Geschichtsbüchern unbedingt erwähnt werden sollte; und beim sonntäglichen Messebesuch.

Ja, Fortschritt ist in der Tat etwas Tolles – schade nur, dass man so wenig davon sieht.
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