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Was kommt nach dem Gipfel?
Treffpunkt: Kritik Jetzt endlich, nachdem die Fans Jahre darauf gewartet haben, die Zuschauer wie die Spieler literweise ihren Stolz und ihre Überzeugung ausgeschwitzt haben, jetzt endlich ist der Sieg bei einem internationalen Turnier wieder in greifbarer Nähe. Es scheint kein anderes Thema mehr zu geben, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, man kann sich in keine Straßenbahn, keinen Zug, Restaurant, nicht einmal in eine öffentliche Toilette setzen, ohne dass einem dieses Thema ans Ohr getragen wird. In den Zeitungen ist es wichtiger, als wenn Barack Obama seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf ankündigen würde. Und die "Tagesschau" berichtet zuerst vom Sieg, von der Vorbereitung oder den Vornamen der Nationalmannschaft, ehe das internationale politische Geschehen beleuchtet wird.
Noch drei Tage, ehe die Entscheidung fällt - egal zu welchen Gunsten. Und fallen wird sie, selbst wenn die Mattscheibe wieder schwarz bleiben sollte. Doch die Frage bleibt: was ist nach dem Finale?
Über die Frage nach dem danach scheinen sich die wenigsten Menschen Gedanken zu machen, und das nicht nur beim Fußball. Gegebenenfalls, wir werden wieder nur "Meister der Herzen", welche Botschaft würde dies an die ganzen aufstrebenden Fußballnachwüchslinge schicken? Dass es genauso gut ist, zu verlieren, weil man dann immer noch die Sympathien auf seiner Seite hat? Dass Gewinnen ohnehin überschätzt ist, oder dass wir es in Deutschland einfach nicht mehr in uns haben, den ersten Platz auf dem Podest zu erklimmen?
Noch viel schlimmer wäre es, wenn wir tatsächlich gewinnen würden, es würde sich einmal mehr die Weisheit bestätigen, dass "Fussball eine Sportart ist, in der zwei Mannschaften 90 Minuten lang gegeneinander spielen, und am Ende die Deutschen gewinnen". Auch wenn es nicht wirklich verdient ist - hat ja gestern auch funktioniert. Was, wenn wir im Fußball zwar die besten sind, aber bei PISA, Wirtschaftswachstum, Mitspracherecht in der EU und sonst überall verlieren. Würde uns das nicht dazu verleiten, unsere Kräfte nur noch auf den Sport zu konzentrieren und alles andere außen vor zu lassen? Wie immer man es nimmt, kein Ausgang hat nur Vor- oder nur Nachteile. Zumal man sich den immensen Druck gar nicht vorstellen möchte, mit dem wir in den nächsten internationalen Wettbewerb einsteigen würden. Selbst ohne Druck haben wir es mit den vermeintlich "einfachsten" Gegnern am schwersten. Würde dann in zwei Jahren auch noch der Erwartungsdruck hinzu kommen, dass wir einen Titel zu verteidigen hätten, könnten wir unsere sieben Sachen gleich zuhause lassen.

Doch dies selbst ist kein Problem, das allein auf den Fußball beschränkt ist. Die wenigsten denken darüber nach, was einmal geschieht, wenn man die Spitze erklommen hat. Früher oder später müssen sich aber die meisten damit auseinandersetzen, denn - und das suggeriert uns Hollywood gerne anders - nach dem Finale ist es nicht vorbei. Auch dann geht das Leben weiter.
So dachte man beim einstigen Prestigekonzern Siemens sicher nicht, dass man einmal mehr Geld für Schmiergelder ausgeben würde, als für neu angemeldete Patente. Um diese Mehrausgaben auch in Zukunft finanzieren zu können (oder den Konzern wieder in die Gewinnzone zu bringen, was angeblich nicht gleichzusetzen ist), möchte Siemens-Chef Löscher große Veränderungen vornehmen. Groß vor allem für die 15.000 Beschäftigten, deren Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Ob sie wie die Angestellten der Deutschen Post Filialen auch zuerst in externe Firmen ausgegliedert werden sollen, ehe sie abgeschossen werden, steht noch nicht bekannt. Doch auch die so erfolgreiche, Gummibärchen werbende Post, die "Welten bewegt", um den Brief vor die Haustüre zu legen (wenn er denn nicht verschlampt wird), sieht sich gezwungen, alle Postfilialen dicht zu machen. So heißt es in Zukunft auch in Großstädten wie schon bereits auf dem Land, "zwei Brötchen, ein Croissant und eine Briefmarke bitte". Wer Bedenken haben sollte, seine persönliche Korrespondenz seinem Frisör, Bäcker oder Metzger anzuvertrauen, sollte dankbar darum sein, dass Deutschland inzwischen an dritter Stelle der am präsentesten im Internet vertretenen Ländern steht. Nach China und den USA sind kaum irgendwelche Mitbürger eines Staates so online, wie wir. Nur gut, dass es für E-Mails (noch) keine elektronische Briefmarke gibt.

So überraschend das für die Beteiligten der Siemens AG und der Post ist, so absehbar war es für die Beteiligten der Maxfield-Firma, in den Ruin getrieben von Franjo Pooth, der letzten Oktober knapp einem Insolvenzantrag entkommen war, ehe er ihn Anfang des Jahres selbst stellte. Doch zur Vernehmung kam es vor drei Tagen wieder nicht - Herr Pooth war nicht in der Lage, den Termin vor Gericht wahrzunehmen und erschien nicht. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Millionen schweren Pleitegeier weiter, der selbst seiner Frau Verona noch Geld aus einem gar nicht richtig in die Gänge gekommenen Werbevertrag schuldet. Ihren gemeinsamen Urlaub vor ein paar Wochen scheint dies aber nicht getrübt zu haben.
Ob sich der illusionäre Sohn aus wohlhabendem Hause immer noch auf dem aufsteigenden Ast wähnt, ist nicht bekannt.

Dafür scheint die bekannte Sängerin Amy Winehouse momentan vielleicht nicht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, dafür aber zweifellos auf dem ihres Bekanntheitsgrades angekommen. Und das nicht, weil ein neuer Song überall gespielt wird, sondern weil die von Drogen geplagte 24-jährige von einem Tag auf den anderen Mal in Todesgefahr schwebt und dann doch wieder nicht.
Ein angeblichen Lungenemphysem ist nun doch keines, die Drogeneskapaden gehören irgendwie zum Kultcharakter der jungen Soulsängerin, und wenn sie damit nicht aufhört, wird es vielleicht sogar gesundheitliche Konsequenzen für sie haben. Weshalb das Bild einer solchen Person in den Medien derart aufgebauscht wird, sie zur Ikone für unzählige Nachwuchssuperstars stilisiert wird, obgleich sie durch ihre Eskapaden mehr für Schlagzeilen sorgt, als durch ihre Songs, ist unverständlich.

Wohl genauso wie das Verhalten der meisten deutschen Bürger, die ausgerechnet einer Supermarktkette Rekordzahlen beschert. Lidl (deren neuester Slogan lauten könnte "we're watching you!") hat kräftig zulegen können, während Aldi zum ersten Mal in der Firmengeschichte mit rückgängigen Zahlen zu kämpfen hat. Eine neue Situation für den Marktriesen, der immer noch einen Marktanteil von knapp 20% besitzt.
Erschütternd insofern, als dass vor wenigen Monaten erst bekannt wurde, wie bei Lidl Mitarbeiter und Kunden ins Visier der Kameras geraten waren - also wie sind diese Zahlen zu verstehen? Während groß über den Gewinnrückgang bei Aldi berichtet wurde, wurde nur klein geschrieben, dass es sich dabei um das Jahr 2007 handelte. Wie sich die Situation im aktuellen Jahr gestalten wird, ob die Käufer Lidl jene containerartigen Auswüchse verzeihen werden, wird das kommende Jahr zeigen. Dabei kann man nur hoffen, dass die Öffentlichkeit nicht so schnell vergisst, wie es mitunter den Anschein hat.

Ob das Fußballspiel am kommenden Sonntag eines sein wird, das man lieber vergessen möchte, wird sich weisen. Aber da Fußball ja ein bisschen wie das richtige Leben ist (oder das richtige Leben ein bisschen wie Fußball), sollte man mit der Zuversicht an die Herausforderung herangehen, dass alle, die oben sind, auch irgendwann wieder nach unten kommen. Und alle die unten sind, die können mit Eigeninitiative und etwas Glück auch mal nach oben kommen. Nur was danach kommt, das kann niemand vorhersagen.
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