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Rentabilität eines Versprechens | von Jens am 27.05.2006, um 08:00 Uhr. |
Sei es nun das Gelöbnis der ewigen Treue oder aber die Zusage, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen – Versprechen begegnen uns an allen Ecken und Enden des Alltags. Diese werden auch meistens dazu eingesetzt, um den eigenen Vorteil zu erwirtschaften und (von wenigen, löblichen Ausnahmen abgesehen) meist auch mit der Absicht gemacht, sie später – erneut zum eigenen Vorteil – wieder zu brechen. Als geprelltes Opfer bieten sich in so einem Fall mehrere Möglichkeiten, die aber meist auf ein und dasselbe hinaus laufen, nämlich beim nächsten Mal nicht erneut darauf herein zu fallen. Es gibt allerdings eine Gruppe, die seit Jahrzehnten regelmäßig geprellt wird, und doch in eben jenen Abständen bereitwillig die Geldbörsen öffnet, sodass man beinahe vom "Battered-Fan-Syndrome" sprechen kann. |
Als 1997 die vorletzten Überarbeitungen der Originalen Science Fiction-Mär in die Kinos und wenig später für den Heimvideomarkt erschienen, wurde bekannt, dass der Schöpfer der Reihe die Originalen Negativ-Filmrollen für den neuen Schneideprozess hernahm – die alten Fassungen, die Fans und Zuschauer 1977, 1980 und 1983 lieben gelernt hatten, warn unwiederbringlich verloren – von den vielen anderen Kopien der Filme bei Sammlern und Kinos überall auf der Welt einmal abgesehen.
Als vor wenigen Jahren Star Wars auf DVD erschien, war die Verwunderung der Fans groß, dass Lucas nicht die alten Kino-Fassungen ebenfalls mit veröffentlichte, immerhin waren dies diejenigen Filme gewesen, die ihn zu jenem Milliardär gemacht hatten, der er heute ist. Doch Lucas gab bekannt, dass die alten Filme für ihn nicht mehr existierten, und auch niemals, überhaupt nie, solange die Erde sich um die Sonne drehe, die alten Fassungen auf DVD erscheinen würden. Immerhin hatte er auch die originalen Filmrollen neu schneiden lassen – wovon sollte man also einen Transfer wagen?
Die Fans waren zwar nicht zufrieden, kauften Star Wars aber wie gewohnt in Massen. Als nun vor wenigen Wochen von LucasFilm bekannt gegeben wurde, dass die Originale Trilogie auf DVD erscheinen würde, war die Verwunderung groß, immerhin hatte Lucas verkündet, dass dies nie geschehen würde? Nun, "nie" ist ein sehr relativer und weit gefächerter Begriff, im Gegensatz zu "bald", "womöglich" und "vielleicht", die absoluter kaum sein könnten – außerdem sind die Fans ja bereit, Geld für die Trilogie auszugeben, wieso also nicht ein wenig mehr Geld machen, als ohnehin schon verdient wird?
So erscheint im Herbst die alte Star Wars-Trilogie auf DVD und die Fans wären beinahe glücklich – aber die "neuen" DVDs sind nur bis Ende des Jahres verfügbar und werden danach wieder vom Markt genommen. Das hat zum einen zur Folge, dass der empfohlene Verkaufspreis von 25 EUR pro Film (!) kaum fallen wird, und dass LucasFilm bedeutend schneller viel mehr Geld einnehmen wird, als sonst.
Hatte Lucas die unverständigen Stimmen der Fans gekonnt ausblenden können, musste er aber leider doch auf die wenig später folgende Berichterstattung im Internet reagieren, denn wie Fans so sind, sind sie einfallsreich und haben erfahren, dass für die kommenden DVDs keine neue Abtastung der alten Filme vorgenommen wird (immerhin hat Lucas seine Rollen zerschnitten und – wie inzwischen bekannt – alle möglichen anderen Filmrollen der ursprünglichen Filme aufkaufen und vernichten [!] lassen), sondern den Fans wird vielmehr die LaserDisc auf DVD gebrannt, was auch den verhaltenen Ton erklärt und, weswegen das Bild nicht anamorph auf den Silberling gepresst sein wird.
Die meisten der willigen, beeinflussbaren Fans werden gar nicht wissen, worin der Unterschied zwischen Anamorph und Letterboxed beim DVD-Bildformat liegt, aber es lässt sich vielleicht am besten damit vergleichen, dass der teuer gekaufte, speziell auf die WM zugeschnittene HD-Ready-Fernseher nichts weiteres bei den Star Wars-DVDs machen wird, als das Bild des alten 4:3-TVs auf zu zoomen. Der Vorteil von 16:9 ist damit dahin, denn statt ein größeres, klareres Bild darzustellen, wird das Bild größer aber unschärfer.
Die Empörung der Fangemeinde ist groß, die Kaufkraft aber noch größer und so schmücken die angekündigten DVDs bereits die ersten Ränge bei den Vorbestellungs-Listen. Dass er Veröffentlichungszeitpunkt angesichts der jüngst gestarteten HD-DVD aber so günstig gelegt ist, dass sich zum 30-jährigen Jubiläum der Saga im nächsten Jahr erneut eine Sonder-Edition (oder gar eine nagelneue Abtastung auf HD-DVD?) wird finden lassen, scheinen die meisten nicht zu bemerken. Aber auf diese Weise sorgt George Lucas in regelmäßigen Abständen dafür, dass der Star Wars-Kuchen wenn schon nicht größer wird, immerhin gleich groß bleibt, ganz egal, wie viel Geld die Fans bereits ausgegeben haben, um sich einen Teil davon zu sichern.
Ähnlich verhält es sich bei der immens groß angelegten Werbe- und Merchandise-Kampagne zum vermeintlichen Glaubens-Erschütterer-Film The Da Vinci Code.
Zugegeben seit dem Erscheinen des Buches 2003, beziehungsweise der Übersetzung Sakrileg 2004, hatten die meisten Interessenten die Möglichkeit genutzt, sich das Werk zu Gemüte zu führen, und allein in den Wochen vor dem Kinostart verkaufte sich der Roman nochmals mehrere Millionen Mal – aber es ist doch eigentlich eine Unverschämtheit, davon auszugehen, dass Inhalt und Auflösung allen Menschen rund um den Globus bekannt seien.
Gerade deshalb ist es aber unverständlich, weswegen jede winzige Pseudo-Nachrichten-Sendung mit Boulevard-Schmonzes-Charakter, jede wissenschaftlich angemalte Dokumentationsreihe im TV und jedes, vom Streiflicht angeleuchtete Kolumnenchen in der Zeitung es für notwendig hält, die eigentliche Auflösung des Films, beziehungsweise des Buches vorweg zu nehmen. Da wird munter über diejenigen Theorien palavert, die erst beim Höhepunkt des Buches enthüllt werden – und das aus keinem anderen Grund, weil jede dieser Publikationen und halb-populären Dokusoaps der Meinung sind, man könne mit der Thematik Käufer, beziehungsweise Zuschauer anlocken, und noch ein wenig Manna auf der Haben-Seite verbuchen. Dass man damit denjenigen, die sich bislang vor dem "Teufelswerk" in Sicherheit bringen konnten, und womöglich einen Kinobesuch in Betracht gezogen hatten, gründlich den Spaß am Erlebnis nimmt, den Mystery-Thriller jeglichen Mystery-Elements beraubt, scheint den Herrschaften zwar klar zu sein, aber angesichts der großen, leuchtenden Euro-Noten in Kauf genommen zu werden.
Es ist momentan offensichtlich gar nicht möglich, sich der allgemeinen Da Vinci Code-Hysterie zu entziehen, auch wenn manche diesen Trubel als angenehmen Gegenpol zum grassierenden, alle Marken und Gebrauchsgüter einnehmenden Fussball-Fifa-Worldcup-Championship-Weltmeister-Virus empfinden. Ist die Kirche schon seit drei Jahren soweit zu sagen, ihnen hängt Da Vinci zum Halse raus, ergeht es inzwischen sogar Fans des Buches so, die von den vermeintlichen, unsäglich gepushten Anti-Vatikan-Parolen des Buches schon deswegen die Nase voll haben, weil in der Vorlage das speziell gar nicht behauptet wird – ganz im Gegenteil, wo die Kirche Lügen und Hasspropaganda gegen die eigenen Reihen sieht, sehen diejenigen, die das Buch überhaupt gelesen haben, eine Bejahung des Glaubens.
Dass die Kirche mit den Leitsprüchen und Doktrinen von "unwahren Theorien im Da Vinci Code" aber denjenigen Tür und Tor öffnet, die sich ernsthaft fragen, wie vieles aus der Bibel sich beweisen lässt, scheint den Verantwortlichen noch nicht aufgegangen zu sein.
Und um dem allgemeinen Trend nicht entgegen zu laufen, sei hiermit offiziell verkündet, dass die Auflösung in Da Vinci Code so banal wie überraschend ist – es war nämlich nicht der Gärtner. Alles andere sollten Interessenten bei der persönlichen Lektüre oder dem Kinobesuch erfahren. Fairerweise sei nun allen Gläubigen auch der Ausgang der Bibel gespoilert, denn wer noch nicht so weit gelesen hat, kann das Buch nun gleich wieder zuklappen: nach der Offenbarung folgt – zur allgemeinen Überraschung – das Jüngste Gericht.
Wie, das nimmt einem den ganzen Spaß an der persönlichen Erfahrung? Eben.
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