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Plakatieren erwünscht | von Jens am 13.05.2006, um 08:00 Uhr. |
Zwar gehört sie an sich seit jeher zum Alltag der Menschen, hat sich ihre Akzeptanz und ihre Form in den letzten zehn bis zwanzig Jahren stark gewandelt. Diese Änderungen sind lokal ebenso auffällig wie in ihrer Art, und gleichwohl die meisten unter uns sie so gut wie möglich auszublenden versuchen, nehmen wir ihr Fehlen ebenso war, wie ihre Anwesenheit. Die Werbung hat dabei in manchen Bereichen inzwischen Ausmaße erreicht, die es quasi unmöglich machen, sie zu ignorieren, und wenn es denn doch geschieht, ertappt man sich beim wöchentlichen Einkauf doch immer wieder dabei, wie man nach bestimmten Produkten Ausschau hält, die einem in den unzähligen Medien auf subtilste Weise suggeriert wurden. |
Ähnlich sieht es bei demjenigen aus, dem es gelingt, eine Kinovorstellung zu besuchen, bei der der Hauptfilm zu der Zeit beginnt, die auf dem Ticket als Vorführungsbeginn aufgeführt ist. Inzwischen stapeln sich die lokalen und überregionalen Spots zusammen mit den Filmvorschauen in Himmelshöhen, zwanzig Minuten gehören dabei zur untersten Grenze, dreißig sind normal und in den großen Metropolen und den entsprechend großen Cineplexen sind es gar 40 und mehr Minuten. Dass diese Werbeeinnahmen für die Betreiber der Kinos unabdingbar sind, steht außer Frage, und man ist als Zuseher ja durchaus geneigt, sich die Spots anzusehen, wenn dies erträgliche Eintrittspreise bedeutet; allerdings sollten die werbenden Firmen dann auch die Weitsicht besitzen, regelmäßig neue Spots in die Kinos zu bringen. Wenn ein und dieselbe Filmrolle zum fünfhundertsten Mal über den Projektor gejagt wird, verwundert es nicht, dass die Konturen im Bild nur mit in das Zelluloid eingespritztem Kontrastmittel zu sehen sind, und der Ton sich anhört, als würde er von einer ovalen Schallplatte unter Wasser abgespielt stammen. Dass man bei regelmäßigen Kinobesuchen außerdem manche Spots in uns auswendig lernen kann, ist zwar für etwaige Wett-Kandidaten bei Wetten dass ..? interessant, für Otto-Normal-Verbraucher aber ohne Interesse.
Auch im Fernsehen wird die Masse an Werbespots nicht wirklich weniger, ganz im Gegenteil, und man darf gespannt sein, ob die in doch absehbarer Zeit kostenpflichtigen Privatsender auch gegen Gebühr ihre Werbeprogramme fahren werden. Gänzlich ohne wird ein Betrieb heute schlicht kaum mehr möglich sein, das sieht man auch daran, dass internationale Filmproduktionen immer mehr auf "Product Placement" angewiesen sind. Ohne hätte beispielsweise der letzte James Bond-Film nochmals 20-30 Millionen Dollar mehr gekostet, und auch TV-Serien wie CSI: Miami lassen sich (weit weniger auffällig) von zahlreichen Firmen wie der Autoschmiede Hummer sponsern.
Gelingt es den Verantwortlichen dabei, dass die Zuschauer bei populären Figuren eine Marke mit dem Charakter assoziieren, ist der Coup gelungen, sieht man jedoch heute im Kino ausschließlich Apples iPod als tragbare Musik-Jukebox und wird das Logo der Digitalkamera größer geschrieben, als die Namen der Beteiligten im Vorspann, kommen doch erste Zweifel beim Publikum auf, ob die Produkte der Story angemessen ausgewählt wurden, oder ob zuerst Werbeverträge ausgehandelt und anschließend der Film darum gestrickt wurde. Aber auch diesbezüglich gehen die Verantwortlichen heute mit bedeutend mehr Fingerspitzengefühl vor, als beispielsweise vor zehn Jahren, als Hollywood das "Product Placement" nicht nur als gering abwerfende Einnahmequelle entdeckte, sondern das Potential hinter den gesponserten Herstellerartikeln erkannte und perfektionierte.
Als GEZahlter Mitbürger muss man sich immer wieder an die positiven Seiten jener Zwangsgebühr erinnern, derer es zwar nicht viele gibt, die aber insbesondere bei einem meist übersehenen Werbemedium ins Ohr fallen: Dem Radio. Wie praktisch hier die abgeführte Gebühr eingesetzt wird, sieht man an einem sehr einfachen Vergleich zwischen staatlich gefördertem, öffentlich rechtlichem Radio und privaten oder lokalen Radiosendern.
Auch wenn die öffentlich-rechtlichen Stationen den Zuhörer mit Berichten und Werbeeinblendungen attackieren, ist dies im Vergleich zu den privaten Sendern geradezu verschwindend gering. Dort bekommt man mitunter mehr Sponsoring-Meldungen zu hören, als tatsächlich Musik gespielt wird. Das geht mitunter soweit, dass die aktuellen Verkehrsnachrichten, oder die Ansage der Uhrzeit von jeweils einer Firma präsentiert werden. Telefonstreiche, Charts, bestimmte Musiktitel und der Wetterbericht stammt von jeweils einem anderen Wohltäter, und man darf sich nicht wundern, wenn in absehbarer Zeit jede einzelne Nachrichten-Meldung von einer anderen Firma gesponsert wird. Das wäre schon insofern nachvollziehbar, als dass eine Einblendung wie bei den Nachrichtensendungen der privaten Fernsehsender, von wem die Anchormen, beziehungsweise Anchorwomen eingekleidet wurden, im Radio niemanden so recht interessiert. Bleibt nur die Frage, wie viele Firmen gerne mit Unfällen oder Katastrophen in Verbindung gebracht werden wollen? Vermutlich mehr, als mit Berichten über die neuesten Bundestagsdebatten.
Werbung muss dabei generell nicht schlecht oder langweilig sein, kann mit einfallsreichen, interessanten Ideen verblüffen und auch Monate später im Gedächtnis bleiben – das beweisen Spots wie ein tanzendes Roboter-Auto der dadurch erneut in den Köpfen präsenten Automarke, oder aktuell ein wirklich exzellent umgesetzter und innovativer Kommunikations-Spot mit Eintagsfliegen als Protagonisten.
Werbung ist zu weit mehr in der Lage, als man denkt, dies sieht man schon daran, dass man sich gelegentlich dabei ertappt, wie man nach in Werbespots vorgestellten Marken Ausschau hält. Aber die Liste der schwarzen Schafe – meist bestehend aus Hygiene-, Haushalts- oder Nahrungsmitteln wie Waschpulver oder Schokolade – ist lang und wird ebenso häufig erweitert, wie die Spots überall wiederholt werden. Bei sich so häufig wiederholenden Mustern ergreift man als Zuschauer aber dann früher oder später die einzig mögliche Option und blendet das Geschehen best-möglich aus. Das gefährliche daran ist nur, dass man der Dauerbeschallung aus den Medien damit eben jenes Tor zum Unterbewusstsein öffnet, durch das die Werbenden erst ihre größten (und vor allem dauerhaften) Erfolge erzielen. Vielleicht ist es ja gerade der falsche Weg, sich über Werbung zu beschweren, denn solange sie bekannten Mustern folgt, ist ihre Wirkungsweise immerhin absehbar. Aber der Schritt von der Anerkennung einer gelungenen Werbung bis hin zum ersten Kauf des Produkts ist weit kürzer, als man meinen würde.
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