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Mindesthaltbarkeitsdatum unterschritten
Treffpunkt: Kritik Dank der Wunder der modernen Forschung ist es theoretisch möglich, sich heute eine Dose jüngst frisch gezupften Gemüses zu kaufen, das selbst im Jahr 2029 noch genießbar sein wird und dank einer "gesunden" Farbe ästhetischen Ansprüchen gerecht wird.
Und doch scheint die Halbwertzeit im Jahr 2006 in vielen Bereichen nur noch ein Bruchteil dessen zu betragen, wie es einmal der Fall war. In einem erschreckend rasanten Tempo erscheinen Kinofilme auf Medien für den heimischen Videomarkt, Mobilfunktelefone werden in wöchentlichen Zyklen durch neue Modelle abgelöst und selbst die im Retorten-Verfahren geschmiedeten Popstars kommen trotz immens einflussreicher Manager nur noch einmal in die Charts.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist es dabei, das Produkte mit Langzeitwert von den schnellen Verbrauchsgütern unterscheidet. Es spaltet auf in "Klassiker" und "Fast Food", "traditionell langlebig" und "schon veraltet", in "herkömmliche Lebensmittel" und "Bio".
Wer letztere Analogie nicht nachvollziehen kann, sollte einmal einen Selbsttest unternehmen; Aldi, Norma, Edeka und Co. sei Dank, sind Bio-Produkte nicht mehr länger den besser verdienenden vorbehalten, die ohne mit der Wimper zu zucken für eine Packung Chips zehn Euro aus-, und für eine EU-gerecht genormte Banane den kleinstmöglichen Geldschein abgeben. Bio, das ist in, das ist EU, das ist Deutschland und fast so trendig wie ein polyphoner, xetra-pylotischer Phenylalanin-Klingelton mit dem lilanen, quiekenden Gesangsschwein Teerid (rein optisch nicht im Geringsten dem berühmten Musikproduzenten und Fortpflanzungsorgan-Umknicker nachempfunden). Bio ist aber inzwischen auch erschwinglich, und nicht zuletzt deshalb buchstäblich in aller Munde.
Was Bio-Produkte aber am meisten von herkömmlichen Nahrungsmitteln unterscheidet, abgesehen von der meist blasseren Färbung, dem etwas faderen Geschmack und den geringeren Abpackungsmengen, ist die deutlich eingeschränkte Haltbarkeit, die nicht nur darin ihren Höhepunkt findet, dass die Bio-Bananen bereits beim Erwerb braune Stellen haben.
Wer einmal den katastrophalen Fehler begeht, ein Vollkorn-Bio-Brot zu erwerben, um dieses dann über den Lauf einer Woche verteilt zu verspeisen (500 Gramm Vollkornbrot alleinig in zwei Sitzungen zu vertilgen grenzt ja bereits an versuchtem Ballaststoff-Suizid), wird vermutlich wie der Autor feststellen, dass es hierfür gar nicht vorgesehen ist. Hält ein herkömmliches Brot den extremen Anforderungen der Gemäßigten Breiten in einer verschlossenen Box, vor Licht, Feuchtigkeit und Wärme geschützt, überwiegend problemlos stand, und ist selbst nach sieben Tag noch genießbar, sieht es mit dem streng nach kontrolliertem Anbau hergestellten, EU-konformem Bio-Brot schon anders aus: hier bildet sich nach circa fünf Tagen ein sehr gleichmäßiger, leicht fadenartiger und streng EU-konformer Schimmel-Belag, der mit Sicherheit ebenfalls einer festgelegten Norm entspricht. Was man daraus lernen kann und soll: Bio ist nicht nur hip, es ist auch kurzweilig und all jenen empfohlen, die ihr Essen schnell aufbrauchen. Fast Food für die Seele quasi, ein geistiges Beruhigungsdragee für diejenigen, die sich so gesund schnell ernähren wollen, dass neben dem Cholesterinspiegel auch das persönliche Ego gestärkt wird. Wer aber haltbare Nahrungsmittel benötigt, kommt ohne die (ebenfalls nach EU-Norm eingesetzten) Konservierungsstoffe nicht herum, die man zwar weder schmeckt, noch sieht (vom volleren Geschmack und den kräftigeren Farben abgesehen), die ihre Arbeit aber genau dann gut verrichten, wenn man sie – beziehungsweise ihr Versagen in Form von Schimmelbelag – nicht bemerkt.

Auch im Bereich der Unterhaltungsindustrie ist die Langlebigkeit nicht mehr das, was es einmal war; "Gestern noch im Kino, heute auf ihrem Fernseher" könnte da der abgewandelte Spruch eines der bekanntesten Show-Moderatoren der 1980er Jahre lauten. Dass ein Film wie Into the Blue erst nach fünf Monaten auf Video/DVD erscheint, ist ja regelrecht eine Ausnahmesituation. Peter Jacksons King Kong hielt es keine drei Monate in den Lichtspielhäusern aus und ist nun bereits erhältlich – aber lediglich in der Kino-Fassung, eine erweiterte Edition ist zwar nicht bestätigt, aber so sicher wie dass Weihnachten am 25. Dezember stattfinden wird. Die letzten Filmrollen der Science-Fiction-Mär Serenity sind noch gar nicht an den Verleih zurück gegangen, und auch das immerhin zweieinhalb Stunden dauernde Fantasy-Epos Die Chroniken von Narnia kann rechtzeitig zu Ostern im Wohnzimmer bestaunt werden … bei einem durchschnittlichen Verleihpreis von unter drei Euro ist derjenige selbst Schuld, der noch ins Kino geht, oder etwa nicht?

Wer aber gerade bei den Deluxe-, 2-Disc-, Special-, Collectors-, Extended-, Director's-Editions damit rechnet, auch alles mögliche Material zum Film zu bekommen, der irrt meistens. Dabei ist der Fehler aber nicht zwangsläufig bei den jeweiligen Vertriebsfirmen zu suchen.
So warten die Fans von Star Trek – Treffen der Generationen nach wie vor auf die Veröffentlichung des Kinotrailers, der nicht auf der DVD enthalten ist – Probleme mit den Musiklizenzen verhindern jenes Feature.
Auch bei Into the Blue fehlt der Trailer zum Film, obgleich zahlreiche Filmvorschauen auf der Silberscheibe enthalten sind. Der Grund hierfür ist jedoch ein anderer: wurde der von MGM unter der Firmherrschaft von Sony produzierte Film bei seiner internationalen Kinoauswertung (die USA ausgenommen) von 20th Century Fox vertrieben, übernimmt den Heimkinovertrieb Sonys hauseigene Vertriebsgesellschaft – und die besitzt verständlicherweise nicht die Rechte des Kinotrailers, der ja von Fox verbreitet worden war.
Wer nach diesem Mini-Exkurs der Meinung ist, dass sich die Unterhaltungsindustrie selbst unnötig Steine in den Weg legt, sollte einmal die Rechtslage zum Science-Fiction-Klassiker Blade Runner nachlesen (machbar unter anderem unter BRMovie.com), dessen Director's Cut zwar erhältlich, aber generell als schwächer eingestuft wird, als die damalige Kinofassung. Die soll nun, nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten im kommenden Jahr erscheinen.

Offensichtlich halten auch im Filmgeschäft manche "Produkte" länger, als andere, immerhin warten die Fans darauf bereits seit 25 Jahren …
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