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Medaillen für Verlierer
Treffpunkt: Kritik Es gibt Auszeichnungen, auf die man stolz sein kann. Aber auch Titel, die man lieber nicht erwähnt, wenn man nicht danach gefragt wird. Dass wir einmal mehr Exportweltmeister sind, beispielsweise, ist etwas, was man gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Lage nochmals unterstreichen sollte. Dass Deutschland im Straßenverkehr das schilderreichste Land ist, könnte man ja immerhin noch damit begründen, dass wir die Navigation in der Prä-Navi-Ära für Gäste so leicht wie möglich gestalten wollten.
Was sich das Bundesverfassungsgericht allerdings mit dem jüngsten Urteil zum Nichtraucherschutzgesetz erlaubt, spricht allerdings wieder einmal dafür, dass wir in einem Justizsystem leben, dem es lieber ist, wenn es sich keine einflussreichen Feinde macht. Statt unbeliebte Entscheidungen zu treffen, wird ein Richterspruch so schwammig formuliert, dass in erster Linie die Verantwortung auf diejenigen abgewälzt wird, die derzeit mehr als nur krampfhaft darum bemüht sind, die Gunst der Wähler zu gewinnen. Und es ist, wie's nun mal trauriger Weise ist: in Deutschland herrscht ständig Wahlkampf.
Wie der Nichtraucherschutz in Berlin und Baden Württemberg derzeit gehandhabt wird ist laut Karlsruhe also nicht verfassungsgemäß, immerhin werden kleinere Kneipenbesitzer benachteiligt, wenn darin nicht geraucht werden darf und ihre größeren Pendants separate Raucherzimmer anbieten können.
So beschließen die Verfassungsrichter, dass die Gesetze geändert werden müssen – und räumen dabei eine Frist bis Jahresende 2009 (!) ein. Die einzigen legitimen Nichtraucherschutzgesetze findet man angeblich im Saarland und in Bayern. Dabei könnten beide unterschiedlicher nicht sein, denn während die Saarländer sehr Liberal mit dem Gesundheitssystem ihrer Wähler umgehen, sieht man das in Bayern schon rabiater. Dafür gibt es im blauweißen Freistaat die Möglichkeit für kleinere Lokalbesitzer, sogenannte Raucherclubs zu gründen. Immerhin müssen diese bereits an der Eingangstür deklariert werden, so dass Nichtraucher oder Menschen, die auf Essen mit Geschmack statt Nikotin und Teer bestehen wenigstens schon vor dem Besuch wissen, worauf sie sich einlassen.
Die übrigen 14 Bundesländer haben indes den karlsruher Entscheid sofort kommentiert und gemeint, man wolle die Nichtraucherschutzgesetze der einzelnen Bundesländer dementsprechend lockern, also eher dem Saarland anpassen. Verschärfen, wie in Bayern, wolle man das indes nicht, weswegen auch eine bundeseinheitliche Regelung kaum in Frage kommt. Weswegen ein Gesetz, das grundsätzlich alle Bürger des Landes schützen soll von den einzelnen Ländern geregelt werden muss, ist grundsätzlich eine Frage, die am ehesten damit zu beantworten ist, dass die Bundesparteien bei der nächsten Wahl sonst mit gar keiner Mehrheit mehr rechnen könnten.

Dabei entpuppen sich die Bundesverfassungsrichter einmal mehr als handlungsunfähig, geben die Verantwortung lieber an die Länder ab, ob Nichtraucher nun geschützt werden sollen, oder nicht.
Die Grundsatzfrage sollte doch vielmehr lauten, weswegen gesundheitsschädliche, abhängig machende Zigaretten überhaupt gesetzeskonform sind! Wieso werden die vermeintlichen Warnhinweise auf den Packungen so lapidar gestaltet? Statt "Rauchen kann tödlich sein" oder "Durch Rauchen fügen Sie sich und den Menschen in Ihrer Umgebung Schaden zu" sollte es lauten "Durch das Rauchen von nur einer Zigarette töten Sie Menschen!" oder "Raucher sind Mörder!". Auch das Suchtverhalten von Rauchern wird auf den Packungsaufschriften gar nicht thematisiert. Wieso ist nirgendwo zu lesen "Zigaretten machen süchtig!" und "Raucher sind legitimierte Junkies!"?
Aber wie so oft in Deutschland gilt man als intolerant oder pingelig, wenn man solche Missstände offen anspricht, der Täterschutz ist eben bedeutend höher als der Opferschutz. Bleibt die Frage, was einem als Bürger lieber ist – Opfer zu sein, oder als Täter erst einmal süchtig zu werden.

Als Täter sehen sich die chinesischen Behörden interessanterweise auch nicht, obgleich mit dem jüngst bekannt gewordenen Verhalten gegenüber der internationalen Presse ein weiteres Abkommen gebrochen wurde, zu dem sich das Gastgeberland der Olympischen Sommerspiele 2008 bereit erklärt hatte.
Im Vorfeld wurde eingeräumt, dass wenigstens den internationalen Journalisten ein freier Internetzugang zuteil würde. Ein Luxus, von dem die in China ansässigen Berichterstatter gar nicht mehr zu träumen wagen, da sie ansonsten erneuter Verfolgung fürchten müssen.
Doch wie kaum anders zu erwarten surfen die Journalisten aus aller Herren Länder über dieselben Leitungen, wie die einheimischen – mit denselben Beschränkungen. Wer sich also für die Menschenrechte, die Deutsche Welle oder gar die BBC interessiert, sollte seine Unterlagen beisammen haben, ehe er in den Fernen Osten fliegt. Die Veranstalter wollten sich dazu gestern noch gar nicht äußern, geben sich heute aber dafür großzügig und meinen, dass ja Sportseiten im Internet uneingeschränkt aufrufbar seien. Anderes würde während der zweieinhalb Wochen ja nicht gebraucht.
Schon zu sehen, wie eine solche Regierungsform immer um das Wohl der Bürger bemüht ist. Dabei auch derer, die nur zu Gast sind. Ob das Verhalten der chinesischen Offiziellen Konsequenzen nach sich ziehen wird (immerhin wird damit die zugesicherte Pressefreiheit nachdrücklich eingeschränkt), bleibt abzuwarten. Und wenn, dann sicher erst nach den Spielen. Man möchte die Gastgeber ja nicht verärgern, sonst könnten wir demnächst eine ganze Menge unfreiwilliger chinesischer Auslandskorrespondenten mehr haben.

Angesichts dieser Nachricht ging eine andere heute beinahe unter, obgleich sie von ebenso großer Bedeutung ist. So wurde vom Internet Chat- und Telefonieprogramm Skype bekannt, dass angeblich Generalschlüssel existieren, mit deren Hilfe sich die verschlüsselten Text- und Sprachnachrichten entschlüsseln lassen.
Interessant beispielsweise für Sicherheitsbehörden, FBI, CIA – oder Wolfgang Schäuble. Ob es solche Schlüssel gibt, oder wie viel Wahres dahinter steckt, dazu schweigt sich die zugehörige Firma aus. Man wolle "keine Medienspekulationen" kommentieren, heißt es.
In der Welt des Journalismus heißt "no comment" allerdings soviel wie "ja, nur darf ich dazu nichts sagen". Was aus den Vorwürfen wird, wie es das Verhalten der Nutzer im Internet verändern wird, darüber darf man gespannt sein.

Es verdeutlicht allerdings einmal mehr, dass man nicht alles, was einem "geschenkt" wird, auch als recht und richtig ansehen sollte. Eine Hintertür halten sich die meisten offen, wie beispielsweise das Bundesverfassungsgericht, das sich nur zu entscheiden wagt, dass der jetzige Zustand nicht rechtens ist – aber keinen konkreten Lösungsvorschlag anbietet.
Oder aber das chinesische Olympiakomitee, das der Meinung ist, Freiheit für sportrelevante Internetseiten ist Freiheit genug.
Traurige Bilanz des Ganzen ist, dass wir heute allzu schnell vergessen, trotz der Spitzelaffäre wieder bei Lidl einkaufen oder nach wie vor Nokia Handys bestellen. Die Zeitung von heute ist morgen schon veraltet. Das gilt für Erkenntnisse von heute allzu oft genauso. Auch darin sind wir (und dies ist leider kein Deutschland spezifisches Problem) Meister. Stolz sein dürfen und sollten wir darauf aber nicht.
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