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Krank auf Rezept | von Jens am 11.08.2008, um 08:00 Uhr. |
Auch wenn einem die Arbeitgeber meist ein anderes Bild vorhalten wollen, so wenig wie im letzten Jahr waren die Arbeiter im Land nie krank gewesen. Man traut es sich beinahe schon gar nicht mehr, sich beim Arzt zu melden, oder überhaupt das Vorzimmer zu betreten. Immerhin werden vor der ersten Frage schon 10 Euro fällig, die man den Kassen nicht auch noch in den Rachen werfen möchte. Dabei stehen die Krankenkassen in Kürze vor einer großen Veränderung, und es würde einen nicht wundern, würde man in Zukunft ein paar Euro dafür bekommen, dass man sich beim Arzt meldet und mit Stolz verkündet "ich bin krank!". Denn wenn der Gesundheitsfond erst einmal eingeführt ist, werden sich die Kassen Hände nach den siechenden und Hypochondern reiben. Bonussysteme gibt es dann für diejenigen, die jährlich an Gewicht zulegen, oder sich neue Allergien aneignen. Endlich hat die Krankenkasse ihren Namen auch verdient – und kann nicht einmal was dafür. |
Man muss sich dabei die Funktionsweise der Krankenkassen einmal vor Augen führen. Immerhin bekommen Krankenkassen bislang das Geld, das der Versicherte zahlt, um damit zu wirtschaften.
Wird der Gesundheitsfond erst einmal eingerichtet, bekommen die Kassen aber nicht mehr den gesamten Beitrag, sondern nur einen Teil. Dafür bekommen sie Geld aus dem Fond, wenn der Versicherte eben krank ist und medizinische Versorgung benötigt. Will heißen für einen Versicherten, der nicht krank ist, bekommt die Kasse weniger Geld. Für einen chronisch Kranken dafür umso mehr. Da die Krankenkassen aber darum bemüht sind, eher an ihre früheren Einnahmen heran zu kommen, sind kranke oder chronisch kranke Versicherte an sich deutlich interessanter, als jemand, der die meist Zeit gesund geblieben ist.
Programme, die Fitness oder Gewicht der Versicherten regulieren sollen, zum Nichtrauchen ermutigen oder aus Abhängigkeitssituationen befreien sollen, sind also für die finanzielle Planung der Krankenkassen eher schädlich – und werden somit (so wird vermutet) in Zukunft der Vergangenheit angehören.
Uwe Seybold von der "Audi Betriebskrankenkasse" äußerte sich, dass er als Mensch das System für pervers erachte, immerhin sei es "wirtschaftliches Ziel […], den Kunden krank zu behalten". Man darf sich wundern, mit welcher Intention im Hinterkopf die Politiker sich ein solches System überlegen.
Mit dem obigen im Hinterkopf scheint eine weitere aktuelle Nachricht geradezu hirnrissig. Demnach sollen Kombinationen aus Süßigkeiten und Spielzeug verboten werden, da Kinder nicht zwischen den beiden Elementen unterscheiden könnten und somit auf Süßes+Spiel trainiert würden. Das soll einerseits Müsliverpackungen treffen, die in regelmäßigen Abständen mit Spielsachen (bevorzugt Filmwerbung) einhergehen, aber auch das allseits beliebte Überraschungsei.
Seit 34 Jahren bereits erfreuen sich kleine wie große Kinder auf der ganzen Welt an der Kombination Kinderschokolade und Spielfigur (oder was zum selber basteln). Nach dem Willen unserer Politiker soll das aber der Vergangenheit angehören. Ob in den letzten 30 Jahren Studien angefertigt wurden, die das Gewichtsverhalten derjenigen Kinder untersuchte, die regelmäßig ein Überraschungsei bekamen, ist nicht bekannt. Dafür eignet sich das aktuelle Sommerloch doch am allerbesten für solch geistigen Ergüsse unserer elitären Politik.
Nimmt man allerdings den Gesundheitsfond zur Grundlage, sollten an sich die Krankenkassen als aller erstes gegen ein solches Vorhaben stimmen. Im Gegenteil, grundsätzlich sollte ein Überraschungsei pro Tag im Grundgesetz für alle unter 18 Jährigen verankert werden.
Oder aber das regelmäßige Infoblatt der eigenen Gesundheitskasse kommt in Zukunft immer mit einem Schokoriegelcoupon oder einem Zigarettengutschein. Wie auch immer, irgendwie müssen die Menschen krank gehalten werden. Dabei aber körperlich krank und nicht in dem Sinne beeinträchtigt, wie manche Damen und Herren in Berlin, die sich so sehr freuen, wenn ihnen ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird, dass sie sich dann auch die dämlichsten Ideen aus dem Ärmel schütteln.
Wird also Zeit, dass endlich die ersten Schneeflocken fallen. Dann hätte man einerseits endlich wieder ein vernünftiges Gesprächsthema gefunden, die Versicherten bräuchten wieder mehr Medikamente (was den Krankenkassen mehr Geld bringen würde) und das Sommerloch wäre auch endlich vorbei.
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