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"Ich streik(t)e" | von Jens am 29.08.2007, um 13:07 Uhr. |
Laut des Wissenssammelwerkes Brockhaus ist ein Streik "[...] allgemein die zeitweilige Verweigerung eines geschuldeten oder üblichen Verhaltens [...] zur Durchsetzung einer Forderung oder als Ausdruck eines Protests". Nun ja, wer sich vor nicht allzu langer Zeit an einem Bahnhof aufhielt, in der Hoffnung mittels der gestellten Transportmittel von A nach B zu kommen, durfte am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn Menschen "streiken". Das Schlüsselwort bei der Erklärung aus dem Lexikon ist allerdings "eines geschuldeten [...] Verhaltens", denn auch wenn die Damen und Herren der Deutschen Bahn nicht gerade so viel Geld bekommen, wie sie möchten (das tut gerade einmal die Hälfte der arbeitenden deutschen Bevölkerung, wenn man Umfragen Glauben schenkt), sie werden für ihre Arbeit ja entlohnt. Und verweigern sich anschließend, ihrer Schuldigkeit nachzukommen und tatsächlich zu arbeiten. 20% mehr Lohn ... das wäre eine feine Sache. Aber vorerst wird ja nicht gestreikt – schade eigentlich, sind die Damen und Herren der Politik doch gerade aus ihrem Sommerstreik, Verzeihung, der Sommerpause, zurückgekehrt. Ein Streikposten wäre also gerade offen. |
Die allgemeine Irrsinnigkeit, mit der die Lokführer dabei vorgingen (oder wieder vorgehen werden) spottet dabei nicht einer gewissen Raffinesse. Denn während in den streikintensiven Momenten beteuert wird, die Züge würden doch bis morgens um 5 Uhr und dann wieder ab 11 Uhr fahren, ist aus vielen Bahnhöfen vor 5:15 Uhr gar nicht wegzukommen gewesen.
Bei der Deutschen Bahn stellt man unterdessen auf den Standpunkt, dass ein Streik "höhere Gewalt" sei und damit von den Forderungen der Kunden-Charta ausgenommen. Glücklicherweise gibt es dagegen aber bereits Kundencenter, die sich für die Rechte der Bahnkunden einsetzen.
Das Verständnis vieler Bürger ist dabei groß und manch einer schlägt sich gar auf die Seite der Lokführer, die um jeden Preis das bekommen wollen, was sonst niemand kriegt. Die anderen Mitmenschen blicken der Wahrheit ins Gesicht und sagen sich zu Recht "ich verdiene nicht so viel wie ein Lokführer" – und streike auch nicht. Ganz abgesehen davon ist die Beharrlichkeit der Deutschen Bahn umso verständlicher, denn während sich die deutsche Politik darum bemüht, auch durch terroristische Drohungen nicht erpressbar zu werden, sollen die Herrschaften bei der Bahn sofort nachgeben, wenn eine Gruppe Gewerkschaftsführer (wohlgemerkt nicht einmal die Angestellten selbst, denn die haben ja gar keine Berechtigung, von sich aus zu streiken) bockig mit dem Fuß aufstampft und so viel mehr Geld verlangt, dass die Bahn gar nicht darauf eingehen kann, um bei den nächsten Verhandlungen nicht erneut erpressbar zu sein. Dass Bahn-Chef M. an sich nur auf ein Monatsgehalt verzichten müsste, um die Forderungen der Gewerkschaften für dieses Jahr zu erfüllen, sei mal außen vor gelassen.
Momentan ist die Streiksituation ja im Griff, beziehungsweise auf die lange Bank geschoben. Schade nur, dass sie zu früh gerichtlich eingeschränkt wurde, bevor das Sommerloch zu füllen war.
So mussten sich an den wenigen sonnigen Tagen doch gar wieder die Politiker aus ihrem Urlaub melden und wieder in aller Öffentlichkeit Pläne schmieden, die selbst hinter verschlossenen Türen niemanden interessieren.
Brav macht es da schon unsere Umwelt-Kanzlerin, die sogar in China kein Reiskorn vor den Mund nimmt und dort sogar Themen anspricht, für die Einheimische auf dem Platz des Himmlischen Friedens landen würden. Sie selbst hat sich in der Urlaubszeit erstaunlich ruhig gehalten und lässt (leider) auch ihren Ministern freien Lauf. So bekommt man in den Zeitungen Namen von Abgeordneten zu lesen, von denen man nicht einmal wusste, dass sie überhaupt je zur Wahl standen. Wenigstens konnte sich die Regierung bei den ganzen Verhandlungen in Meseberg darauf einigen, dass man sich nur teilweise einigen konnte, woraufhin die Opposition (seit Beginn der Legislaturperiode ja bekanntermaßen im Dauerstreik) einmal mehr bockig vor die Kameras trat und meinte, es sollten doch am besten alle zurücktreten. Grundsätzlich könnte man meinen, dass die Tiefroten, die Gelben und die Grünen seit zwei Jahren ebenfalls die Arbeit verweigern, denn außer zu sagen, dass sie nichts zu sagen haben, sagen sie eigentlich nicht viel.
Diesbezüglich darf man, bei Politikern zumindest, nicht so engstirnig sein, auch Otto-Normal-Verbraucher scheinen länger mal auf der Stelle zu treten, dabei ist das bei denen gar nicht böse gemeint.
So muss man sich nur einmal die aktuellen Vorstellungen bei der Internationalen Automobilausstellung ansehen, bei der doch tatsächlich Kraftsportpferdchentreiber Porsche einen Hybrid-Motor in Aussicht stellt – nach jahrelanger Entwicklungszeit. Die Konkurrenz hat das zwar schon lange, und braucht auch weniger Sprit, aber so können diejenigen Straßeneinfahrt-mit-Cayenne-Blockierer in Zukunft wenigstens sagen, "mein Auto braucht nur 9 Liter im besten Fall". Das ist schon etwas, zumal gerade in den heutigen Großstädten ein Cayenne von großem Vorteil ist, wenn es um enge Gassen und Parkhäuser geht.
Das mit den Entwicklungen der Konkurrenz darf man außerdem nicht so ernst nehmen, auch wenn man den letzten Platz bei den Innovationen belegt, wird man namentlich wieder erwähnt – so denken wohl die meisten deutschen Entwickler.
Abgesehen davon geht es beim Fahren eines Porsche, eines großen Mercedes oder BMW, oder aber des überhaupt gar nicht Volkswagen Phaeton nicht um Umweltfreundlichkeit oder Sparsamkeit, sondern um den Fahrspaß, das "Feeling".
Und: Wer kennt ihn nicht, den glasigen Ausdruck in den Augen jener Business-Menschen, die sich morgens schon bei Arbeitsbeginn riesig freuen, wenn sie gestern Abend mit ihrem Pseudo-Geländewagen eine Bordsteinkante erklimmen konnten?
Manchmal, so scheint es, streikt eben auch die Intelligenz – mitunter schon, wenn sie in die Wiege gelegt werden soll.
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