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Generationenwechsel im Devolutionskreislauf | von Jens am 17.06.2006, um 08:00 Uhr. |
Tagtäglich erblicken neue technische Errungenschaften das Licht der Welt – wir leben in der kommunikativsten Phase unseres Planeten … einfacher wären Gespräche nur, wenn man sie nur noch denken müsste. Telefon, E-Mail, Fax, Handy, SMS, MMS, XL-SMS, E-Cards, Briefe, Postkarten, Lieferservice – die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Und stetig kommen neue hinzu. Bis in 15 Jahren wird es den Fernseher von heute nicht mehr geben. Mit dem Fernseher kann man dann Videokonferenzen abhalten, E-Mails schreiben, im Internet surfen, Filme online ausleihen, und noch vieles mehr. Fernsehen vielleicht immer noch. Aber dieser rasante Fortschritt hat auch einen ganz entscheidenden Nachteil: wer nicht mithält, fällt zu weit zurück, als dass das Aufholen sich noch lohnen würde. Wer sich einmal eine Pause gönnt, wird vom Güterzug des Fortschritts überrollt. Das gilt aber nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Hersteller, bei denen es schon lange nicht mehr genügt, mit den Konkurrenten am Markt mitzuhalten. Man muss besser sein, das erste Produkt auf dem Markt bieten, um überhaupt noch bestehen zu können. Ob der Artikel eigentlich schon marktreif ist, wird in dem Falle gar nicht gefragt, denn sobald neueste Technologie darauf geschrieben steht, sind die Kunden eher bereit, den Geldbeutel zu zücken – immerhin fehlt im ersten Moment auch die Vergleichsmöglichkeit. |
Hat bislang die HD-DVD als einziges High-Defenition-Format den Heimvideomarkt dominiert, sollte sich das in den letzten Wochen mit dem Erscheinen mehrerer Blue-ray-Discs endlich wandeln. Dann wird sich also herausstellen, welches Format für den Heimverbraucher eher gedacht ist, denn wie man sich leider erinnern muss, konnten die ersten Veröffentlichungen der HD-DVD nicht überzeugen. Von einer besseren Bildqualität wurde nur teilweise gesprochen, am Ton hat sich ohnehin nichts geändert. Ärgerlich waren allerdings eine nicht sonderlich intuitive Menüführung der Silberscheiben, die denen der bekannten DVDs entgegen läuft, sowie Fehler beim Abspielen. Stottern, Aussetzer und Sprünge im Film machen auch bei hoch auflösender Bildqualität keinen Spaß und scheinen im Gegensatz zur DVD ein Schritt in die falsche Richtung zu sein.
Die Vermutung lag nahe, dass die Hersteller ihre Geräte um jeden Preis auf den Markt bringen wollten, ehe die ersten Filme und Player im Blue-ray-Format erhältlich waren; hierfür wurde auch nicht ausgereifte Technologie in Kauf genommen, die die Hersteller seither notdürftig zu flicken versuchen. Mit dem früheren Erscheinen schien das Rennen um die Heimunterhaltung des 21. Jahrhunderts bereits gelaufen, nun aber hat der Käufer die Qual der Wahl, ob man auf HD-DVD oder Blue-ray setzt. Beides wird schon aus Kostengründen kaum möglich sein, und eine Entscheidung fällt schon deswegen schwer, weil manche Verleihfirmen nur ein Format unterstützten. Entscheidet man sich also für HD-DVD bleiben einem im Zweifel Filme aus dem Hause XY in einem High-Def-Format verwehrt. Diese Frage wird umso akuter, je mehr HD-Ready-Fernseher im Zuge der Fußball-WM einen neuen Besitzer fanden. So kann man nur hoffen, dass es den Herstellern gelingen wird, einen Hybrid-Player zu entwickeln, der sowohl HD-DVD, als auch Blue-ray wird lesen können, ähnlich wie es bei den DVD-Recordern mit DVD+R/RW und DVD-R/RW der Fall war.
Eine solche Idee wurde zwar von Samsung und LE Electronics diskutiert, dann aber ebenso schnell wieder fallen gelassen. Bis es soweit ist, wird sich aber die Kaufbegeisterung der Kunden im Zaum halten, immerhin möchte man ja nicht auf ein Format setzen, das in wenigen Jahren nicht mehr unterstützt wird. Ganz entscheidend wird der Format-Krieg sicherlich von der Videospiele-Industrie beeinflusst, immerhin wird Microsoft mit einem speziell erhältlichen Laufwerk für die Xbox360 die HD-DVD unterstützen, wohingegen Sony in der kommenden PlayStation3 bereits ein Blue-ray-Laufwerk integriert. Das wird schon deswegen bitter notwenig sein, weil Blue-ray-Player nach wie vor auf sich warten lassen. Frühestens August wird nun als Starttermin anvisiert, dabei sollten die ersten Discs bereits vor Wochen erhältlich sein und sind wohl auch schon fertig gepresst - aber ws nützt einem die Disc, ohne eine Möglichkeit sie abzuspielen? Im Herbst werden wir wohl mehr dazu wissen ... Es bleibt also spannend am Format-Markt, und für diejenigen, die sich schon längere Zeit für die Materie interessieren, wird sich ein Muster herauskristallisieren, das ebenso unverständlich wie bezeichnend ist, gab es diese Streitigkeiten doch bereits zur Zeiten der VHS und bei den Aufnahmemedien der DVD. So scheint die Industrie auch bei neuen Generationen nicht aus den Fehlern der alten zu lernen, zum Leidwesen der Konsumenten.
Davon, dass dieses Verhalten nicht nur auf die Multimedia-Industrie beschränkt ist, kann man sich auch bei einer Reise mit den neuen Generation des InterCityExpress, kurz ICE, der Deutschen Bahn überzeugen – wenn man denn die Vergleichsmöglichkeit mit einer älteren Generation besitzt.
Begibt man sich nämlich in einen jener schicken, kühl, dezent, industriell blauen Wagons, kann man nicht nur den jüngst getrockneten Klebstoff riechen, sondern man ist auch erstaunt, wie geräumig das Abteil auf den ersten Blick erschein. Unzählige Sitzreihen säumen den Wagen und wenn man sich denn bequemt, einen der wenigen freien Plätze zu belegen, staunt man im ersten Moment nicht schlecht, wie "neu" alles wirkt.
Zieht man allerdings die Erfahrungen und Erlebnisse der älteren ICE-Generationen heran, ergibt sich doch ein anderes Bild. Von der Beinfreiheit in der zweiten Klasse ist in den neuen Zügen nicht viel übrig geblieben, wobei die Verarbeitung der Sitze derart gut gelungen ist, dass schon nach wenigen Wochen die Nackenstützen reihenweise herunterpurzeln. Versucht man wenig später, den Sitz nach hinten zu klappen, muss man traurigerweise erkennen, dass die vertikal-schräge Neuausrichtung des Sitzes nur noch im halben Umfang dem entspricht, was früher möglich war. Hat man außerdem einen der nicht gerade ungewöhnlichen 10-Stunden Arbeitstage hinter sich, muss man mit Entsetzen feststellen, dass bei den neuen ICE-Zügen die Fußstütze weggefallen ist, die früher für sichtlich mehr Komfort gesorgt hat.
Ein wahres Erlebnis erwartet den Reisenden allerdings, wenn der Zug – was auf den vielen mitgenommenen Strecken in Deutschland ohnehin selten der Fall ist – einmal mit mehr als 130 Stundenkilometer durch die Landschaft brettert. In jenem Moment breitet sich ein leises Säuseln von der Wandverkleidung allmählich in die Mitte des Wagons aus, von wo aus direkt unter den Sitzen der Reisenden ein Rütteln und Klappern selbst die Scheiben des Zuges in Schwingung versetzt. Gespräche in normaler Konversationslautstärke sind ab dem Moment nicht mehr möglich und werden bei etwaigen Bremsmanövern wie dem Einfahren in einen Bahnhof gar gänzlich unterbunden, wenn das mechanische Kreischen von Metall auf Metall selbst alt eingesessene Plomben im wohl gepflegten Gebiss zum Platzen bringt. Als Bonus für die aufmerksamen Fahrer, die auch in ICEs der verschiedensten Generationen unterwegs sind, hat Die Bahn außerdem die Anzeige der aktuellen Uhrzeit bei den Einfahrtbenachrichtigungen der Board-Displays gestrichen – so bleibt immerhin der Restzweifel beim Fahrgast, dass die eigene Uhr nicht korrekt gestellt ist, und es sich nicht wieder um eine der unsäglichen Verspätungen handelt.
All das wird unter dem Mantel des Fortschritts proklamiert und mit Stolz präsentiert.
Aber es ist nicht alles schlecht, was neu eingeführt wird (von Bezeichnungen wie "FIFA-WM-Bahnhof München" einmal abgesehen). Immerhin ist die Bahn multilingual geworden, man hat sich eindeutig in Richtung Internationalität verschoben und lässt die Reisenden nun auch englischsprachig an den Reiseinformationen teilhaben. Zugegeben, dies ist meist nur in gebrochenem und stark akzentuiertem Englisch der Fall, aber immerhin verständlich und zweifelsohne ein Schritt in die Zukunft … und leider auf die AG zu.
Doch muss man sich angesichts der Momentanen Umstände fragen, ob diese "Neuerungen" auch Bestand haben werden, oder nur zum Wohle der WM eingeführt wurden?
Bei der neuen ICE-Generation wird dies leider nicht der Fall sein, darunter leiden die zahlenden Fahrgäste auch ab Mitte Juli noch. Ebenso wie die Konsumenten im Sommer, Herbst und Winter noch unter dem Format-Krieg der Heimvideo-Industrie zu leiden haben werden. Es ist einfach unverständlich, wieso mit jedem Schritt in die Zukunft zwei Schritte zurück ins Komfort- und Qualitätsnirwana verbunden sind. Aber vielleicht ist das auch ein elementarer Bestandteil der Evolution … oder gar ihr Kern.
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