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Formulare, Unwissenheit und Datenschutz | von Marion am 28.02.2006, um 17:55 Uhr. |
Formulare, Unwissenheit und Datenschutz, oder meine Odyssee in die Untiefen der Verwaltung. Ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber manchmal frage ich mich ja schon, was sich manche Leute so denken. Der Spruch "die dümmste Form der Kommunikation ist ein Formular" hatte noch nie mehr Bestand wie heute, wenn man sich einmal vor Augen führt, wie sorglos eine Behörde mit den sensiblen Daten der eigenen Mitarbeiter umgeht. |
Was ich mir in meinem –mehr oder minder- jugendlichen Leichtsinn so einfach vorgestellt hatte, war es natürlich nicht.
Denn auch für Beamte hat der Gott der Verwaltung zuerst einmal das Antrags-Formular gesetzt.
Also rein ins hausinterne Netz, den Antrag herausgesucht ("Sie brauchen das Formblatt A um den Antrag B zu beantragen, damit Sie über Formular C zu Formular D kommen, mit dem Sie dann den Antrag XY auf Beantragung einer Zugfahrkarte stellen können"), und gleich mal drei Stunden ausgefüllt."
Gott, bin ich dankbar für STR-C und STR-V.
Beim letzten Formular jedoch wurde ich etwas stutzig.
"Bitte füllen Sie folgende Pflichtfelder aus:
- Kreditkarteninstitut
- Kreditkartennummer (vollständig)
- Gültigkeitsdauer der Karte"
WIE BITTE???
Kurzer Anruf beim zuständigen Sachbearbeiter führte mich in die tiefsten Täler der Unwissenheit.
Ich: Wozu benötigen Sie denn meine komplette Kreditkartennummer, ich will doch nur eine dienstliche Fahrkarte?
Beamter 1: Die ist aber nötig.
Ich: Das ist aber keine Antwort (Junge, ich bin selber Beamter, guten Morgen aber auch). Wozu brauchen Sie diese Nummer?
Beamter 1: Na, weil wir Ihnen sonst keine Karte zuschicken können.
Ich: Bin ich jetzt bei der Bundesbahn oder wie? Ich will die Karte nicht kaufen, ich will sie dienstlich geliefert bekommen, es handelt sich um eine DIENSTreise. In Urlaub fahre ich mit dem Auto.
Beamter 1: Die Nummer brauchen wir, damit Sie sich ausweisen können.
Ich: ??? Wozu gibt es eigentlich Dienstausweise, Reisepässe und ähnliche Dinge mehr?
Beamter 1 : Aber woher soll die Bundesbahn den wissen, dass Sie diejenige sind, für die diese Zugkarte ausgestellt wurde?
Ich: Weil mein Bild in jedem Ausweis mit dabei ist, und mein Name überall mit dabei steht?
Anscheinend hatte ich mit der Antwort mein Gegenüber deutlich erschreckt, denn nun folgte eine längere Pause, gefolgt von Gemurmel im Hintergrund.
Auf einmal hatte ich Beamten 2 an der Strippe.
Beamter 2: Wo ist denn Ihr Problem?
Ich, inzwischen leicht genervt: Wozu benötigen Sie denn meine komplette Kreditkartennummer, ich will doch nur eine dienstliche Fahrkarte?
Beamter 2: Wegen der Legitimation der Online-Kartenbestellung bei der deutschen Bundesbahn. Die wollen diese Daten haben.
Ich: Ist ja schön und gut, aber wozu? Was geht die Bundesbahn meine private Kreditkartenverbindung an?
Beamter 2: Das hat noch niemand gefragt.
Ich, leise murmelnd: Bin ich Odysseus?
Lauter: Möglich, aber JETZT frage ich Sie das.
Beamter 2: Die brauchen wir halt einfach so.
Ich: Zum Einkaufen gehen, oder wie?
Beamter 2 gibt erschüttert ab, Beamter 3 tritt auf. Langsam arbeite ich mich in der Hierarchie deutlich nach oben.
Beamter 3: Sie haben ein Problem mit Ihrer Kreditkartennummer?
Ich: Nein, mit der ist alles in Ordnung, danke der Nachfrage. Ich habe ein Problem damit, dass ich meine komplette Kreditkartennummer, mitsamt der Gültigkeit in einem offenen Fax zu unbestimmtem Zweck an Ihre Dienststelle schicken soll.
Beamter 3, etwas blasiert: Der Zweck sollte Ihnen doch inzwischen klar sein, oder?
Ich: Nochmals nein, denn ich will die Karte noch immer nicht kaufen. Wenn ich das wollte, würde ich direkt an den DB-Schalter gehen. Zum Zwecke des Ausweisens habe ich meinen Personalausweis und einen dazu passenden Dienstausweis in schickem Zollgrün, SOGAR mit Bild.
So ging es noch eine ganze Weile hin und her, bis sich Folgendes herauskristallisiert hatte:
- Die beteiligten Beamten hatten keine Idee, wozu man die Kreditkartennummer und die Gültigkeit der Karte noch gebrauchen könnte. Die Möglichkeit des Einkaufens im Internet war ihnen noch nicht geläufig.
- Der zuständige Datenschutzbeauftragte hatte keine Ahnung, dass es diesen Vordruck überhaupt gibt,
- Der Vordruck wurde eingezogen, und ist bis auf weiteres nicht mehr zu benützen.
Ach ja, nur bevor hier Fragen aufkommen: Die damalige Reise habe ich doch mit der Bahn gemacht, OBWOHL ich mich standhaft geweigert habe meine persönlichen Daten aus der Hand zu geben.
Allerdings wage ich nicht daran zu denken, wie viele anderen Beamten ihre sensiblen Daten wohl ohne großes Nachdenken quer durch die halbe Republik versendet haben, im Vertrauen darauf, dass damit nichts Weiteres passieren wird.
Schön, wenn nichts Weiteres geschehen ist, aber darauf verlassen möchte ich mich für meinen Teil auch nicht unbedingt.
Wir gehen heute teilweise recht sorglos mit den vertraulichsten Daten um, haben kein Problem für einige wenige Prozentpunkte Rabatt unser Einkaufsverhalten unter die Lupe nehmen zu lassen.
Manchmal ist eine Schärfung des Blickes für die Möglichkeiten des Missbrauches kein Grundübel sondern eine Tugend.
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