28 Tage später [2002]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. März 2025
Genre: Horror

Originaltitel: 28 Days Later
Laufzeit: 113 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren

Regie: Danny Boyle
Musik: John Murphy
Besetzung: Cillian Murphy, Naomie Harris, Brendan Gleeson, Megan Burns, Christopher Eccleston, Noah Huntley, Stuart McQuarrie, Ricci Harnett, Leo Bill, Luke Mably, Junior Laniyan, Ray Panthaki, Sanjay Rambaruth, Marvin Campbell


Kurzinhalt:

Als Jim (Cillian Murphy) in einem Krankenhaus in London aus dem Koma erwacht, weiß er nicht, wie viel Zeit seit seinem Fahrradunfall vergangen ist. Er ist abgemagert und dehydriert – und allein. Im Krankenhaus ist niemand zugegen und als Jim nach draußen geht, zeigt sich dasselbe Bild. Von seiner ersten Begegnung mit anderen Menschen wird er unter anderem von Selena (Naomie Harris) gerettet, die eine Gruppe aggressiver, von blinder Raserei getrieben scheinender Angreifer abwehrt. Selena erzählt Jim, dass es einen Ausbruch einer neuen Krankheit gegeben habe. Sie verbreitet sich rasend schnell und nur wenige sind nicht infiziert worden. Zufällig stoßen Jim und Selena auf die Überlebenden Frank (Brendan Gleeson) und seine Tochter Hannah (Megan Burns). Als sie sich gemeinsam aufmachen, in der Nähe von Manchester die Quelle eines Funkspruchs ausfindig zu machen, ahnen sie nicht, was sie erwartet …


Kritik:
Danny Boyles intensiver britischer Horrorfilm 28 Tage später hat mit seiner geradezu dokumentarischen Art der Umsetzung das Horrorgenre nachhaltig geprägt. Hinsichtlich der Ausgangslage mag man sich an die nicht minder einflussreiche Comicreihe und deren Umsetzung The Walking Dead [2010-2022] erinnert fühlen, in der Art der Präsentation unterscheiden sich beide jedoch grundlegend. Lässt man sich auf die in England spielende Geschichte ein, erwartet das Publikum eine Story, die viel im Unklaren lässt und gleichzeitig der Gesellschaft gekonnt den Spiegel vorhält.

Sie beginnt nach einem Prolog, in dem Tierschutzaktivisten entgegen aller Warnungen mit einem gefährlichen Virus infizierte Schimpansen befreien, damit, wie der Fahrradkurier Jim in einem Krankenhausbett aus dem Koma erwacht. Er ist dehydriert, abgemagert und offenbar ganz allein. Das Krankenhaus ist verlassen und auch als Jim nach draußen geht, findet er dort niemanden vor. Die Straßen sind wie leergefegt, wäre es nicht um einige Autos, die stehengelassen wurden, oder gar einen umgekippten Bus. Seine Rufe, ob irgendjemand hier sei, bleiben ungehört, bis er nach einer alptraumhaften Begegnung in einer Kirche auf Selena und Mark trifft. Sie haben sich in einem Kiosk verbarrikadiert und offenbaren Jim, dass beinahe ein Monat vergangen ist, seit eine mysteriöse Krankheit in Großbritannien ausgebrochen ist. Die Infizierten sind nicht mehr ansprechbar, wie rasend vor Wut und besitzen blutrote Augen. Vor allem sind sie rasend schnell und reißen einen in Stücke. Jeder Biss oder Kratzer, jeder Tropfen Blut der Infizierten ist ansteckend. Im Fall einer Kontamination bleiben nur wenige Sekunden, ehe die Opfer ebenfalls der Raserei verfallen.

Das Wort „Zombie“ fällt in 28 Tage später kein einziges Mal, was insofern durchaus Sinn ergibt, da die Infizierten nicht tot sind, sondern im Zweifel mit Waffengewalt getötet werden können. Nichtsdestotrotz erzählt Filmemacher Boyle eine Zombie-Geschichte in England kurz nach der Jahrtausendwende. Er schildert dabei nicht den Ausbruch selbst und man könnte sogar argumentieren, dass der Prolog für das Verständnis der Geschichte kaum notwendig ist, da die Hauptfiguren mit den Informationen nichts anfangen könnten. Vielmehr setzt die Story vier Wochen ein, nachdem die hochgradig ansteckende Krankheit ausgebrochen ist. Der letzte Aufruf der britischen Regierung lautete, die Städte zu evakuieren. Ob sich die Krankheit auch weltweit ausgebreitet hat, darüber gibt es widersprüchliche Aussagen. In England jedenfalls ist das Leben vollständig zusammengebrochen. Es gibt nur wenige Überlebende und auch von den Infizierten scheinen nicht mehr viele am Leben zu sein. Kein Strom, kein fließendes Wasser und nur der klägliche Rest an Lebensmitteln, der in manchen Supermarktregalen liegt.

Die Ausgangslage, in der sich Jim nach seinem wochenlangen Koma wiederfindet, vollkommen abgemagert und kaum bei Kräften, könnte kaum entmutigender sein. Selenas abweisende, kalte Art macht es für ihn nicht einfacher, zumal er auf sie und ihre Erfahrung in dieser grundlegend anderen Welt angewiesen ist. Hoffnung scheint rar, selbst wenn sie in Frank und seiner Tochter Hannah Menschen finden, die wie sie selbst zu überleben versuchen. Frank hat seinerseits eine Übertragung von einer Gruppe Soldaten aufgefangen, die außerhalb von Manchester ein Lager errichtet haben wollen und dort für Sicherheit garantieren können. Aber wie sehr kann man in einer Welt, in der jeder ums eigene Überleben kämpft, auf andere vertrauen?
28 Tage später bettet in die Horror-Story Kommentare betreffend die Zerbrechlichkeit der Gesellschaft ebenso ein, wie hinsichtlich der Gefahr von unkontrollierter Macht. Während manche in Zeiten größter Hoffnungslosigkeit beieinander stehen, sind andere nur auf die Erreichung der eigenen Ziele aus. Dabei tragen die Menschen das Potential für Brutalität und Gewalt bereits in sich. Sei es aus niederen Beweggründen heraus, oder um andere zu beschützen.

Diese Themen sind nicht wirklich neu, aber durchaus packend dargebracht und von der (damals) überwiegend weniger bekannten Besetzung stark gespielt. Allerdings muss sich das Publikum auf die Art der Präsentation selbst einlassen können. Überwiegend gedreht mit einer Canon XL‑1 Digitalkamera, deren Auflösung nicht nur gegenüber heutigen Kameras im Nachteil ist, sondern auch herkömmlichen Filmkameras, erscheint 28 Tage später, als hätte Danny Boyle ihn mit einer privaten Videokamera vor 25 Jahren aufgenommen. Das Bild wirkt grobkörnig, rau und oftmals unscharf. Dazu nicht selten verwackelt und erzeugt dadurch den Eindruck, die Aufnahmen seien unmittelbar vor Ort entstanden. Gerade auf modernen Fernsehern jedoch gerät die niedrige Auflösung zu einer Herausforderung für das Publikum und lenkt mehr vom Geschehen ab, als der Atmosphäre eine Authentizität zu verleihen. Arrangiert man sich jedoch damit, wartet der Horrorfilm mit einer gelungenen Stimmung und einer interessanten Prämisse auf. Insbesondere das Ende, das ursprünglich anders hätte verlaufen sollen, wirkt etwas gehetzt, dafür entschädigt der packende Kampf der Figuren ums Überleben davor aber allemal.


Fazit:
So bewusst Filmemacher Danny Boyle die optische Präsentation als Stilmittel einsetzen mag und so hilfreich die verwendete Kameratechnik bei den logistisch herausfordernden Aufnahmen in London gewesen ist, die Qualität der Aufnahmen sorgt dafür, dass man sich öfter verwundert die Augen reibt. Nur wenn der Stil so sehr vom Inhalt ablenkt, muss die Frage erlaubt sein, ob er wirklich hilfreich und nicht eher störend ist. Das geneigte Publikum sollte lernen, darüber hinwegzusehen, denn die durchaus einfallsreiche Abwandlung der bekannten Zombie-Thematik bietet für Genrefans Einiges, das zu entdecken sich lohnt. Angefangen davon, dass das Schicksal der Figuren von Beginn an mitreißt, oder dass das beinahe verlassene London eine geradezu beängstigend beklemmende Stimmung entfaltet. Taucht die Geschichte in die Abgründe menschlichen Verhaltens ab oder zeigt, wie schnell gesellschaftliche Konventionen kippen, ist das so erschreckend wie treffend. Diese Aspekte mögen in den letzten zwei Jahrzehnten im Genre immer wieder aufgegriffen worden sein, 28 Tage später nimmt diesbezüglich jedoch eine Pionierrolle ein. Allein das verdient bereits Anerkennung.