The Amateur [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 8. April 2025
Genre: Drama / Thriller
Originaltitel: The Amateur
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: James Hawes
Musik: Volker Bertelmann
Besetzung: Rami Malek, Laurence Fishburne, Caitríona Balfe, Holt McCallany, Danny Sapani, Julianne Nicholson, Rachel Brosnahan, Jon Bernthal, Michael Stuhlbarg, Adrian Martinez, Takehiro Hira
Kurzinhalt:
Gerade erst hat CIA-Analyst Charlie Heller (Rami Malek) hochbrisante Daten von seiner anonymen Quellen zugespielt bekommen, da bricht sein Leben vor seinen Augen zusammen. Seine Frau Sarah (Rachel Brosnahan), für einen Kongress nach London gereist, wurde bei einer Geiselnahme getötet und die Täter sind entkommen. Nicht wissend, wie er mit dem Verlust umgehen soll, macht sich der zurückgezogene Charlie, dem es schwerfällt, Anschluss zu finden, daran, die Mörder ausfindig zu machen. Es gelingt ihm sogar, sie zu identifizieren, doch CIA Deputy Director Moore (Holt McCallany) entscheidet sich gegen einen sofortigen Zugriff. Darum lässt sich Charlie in einer Grundausbildung beibringen, wie er die Mörder seiner Frau selbst zur Strecke bringen kann. Doch als er seiner Spur nach Europa folgt, macht er sich auch einflussreiche Menschen innerhalb der Agency zum Feind, die unter anderem den Spezialisten Henderson (Laurence Fishburne) auf Charlies Fährte ansetzen. So ist der Analyst ohne praktische Einsatzerfahrung Jäger und Gejagter zugleich …
Kritik:
James Hawes’ Leinwandadaption von Robert Littells Roman Sein oder Nichtsein … [1981] ist nicht die Art Film, die man in Anbetracht der Inhaltsbeschreibung erwarten würde. Was sich anhört wie ein Thriller, in dem ein CIA-Analyst auf Rache an den Menschen aus ist, die ihm das Wichtigste im Leben genommen haben, ist ein Drama um eine unnahbare Figur, die Entscheidungen trifft, die man kaum nachvollziehen kann. Tadellos in Szene gesetzt und gut gespielt, macht das The Amateur schwerer zugänglich, als nötig.
Im Zentrum der Geschichte steht CIA-Analyst und Verschlüsselungsexperte Charlie Heller, dessen Frau Sarah für einige Tage zu einem Kongress nach London reist. Sie bittet ihn, sie zu begleiten, doch Charlie ist sehr introvertiert und scheut Risiken jeder Art. Seine Expertise in der Agency ist geschätzt, doch sein scharfer Verstand sorgt dafür, das seine Kolleginnen und Kollegen oft einen Bogen um ihn machen. Am Morgen nachdem er von einer anonymen Quelle hochbrisante Dateien zugespielt bekommt, die die Agency belasten, wird Charlies Leben auf den Kopf gestellt: Sarah ist bei einer Geiselnahme in London getötet worden und die Täter entkommen. Charlie fällt in ein tiefes Loch und macht sich daran, alle Informationen über die vier Angreifer zusammenzutragen. Aber obwohl er deren Identitäten feststellt, wollen Charlies Vorgesetzte nicht unmittelbar zuschlagen. Darum greift Charlie selbst zu außergewöhnlichen Mitteln und absolviert ein Grundtraining, um die Attentäter selbst zur Strecke zu bringen. Aber nicht nur, dass Charlie kein kaltblütiger Killer ist, er macht sich damit auch einflussreiche Menschen innerhalb der CIA zum Feind, die Charlie um jeden Preis aufzuhalten versuchen.
Die Story klingt durchaus packend, im Grunde sogar noch deutlich packender, als hier beschrieben, da es Verstrickungen gibt, die Charlies Grundausbildung betreffen oder die Jagd, die die CIA auf ihn eröffnet, die hier aber nicht verraten werden, um die Überraschungen nicht zu verderben. Doch das Potential dieser Spannung vermag Filmemacher Hawes nicht zu nutzen. Oder vielmehr, The Amateur ist an diesem Aspekt weit weniger interessiert, als wohl ein Großteil des Publikums. Stattdessen bewegt sich die Erzählung merklich ruhig und langsam, stellt den in sich gekehrten Charlie als jemanden vor, dem es kaum gelingt, aus sich herauszubrechen. Nicht einmal dann, wenn der Hass und die Wut auf die Menschen, die seine Frau ermordet haben, ihn überwältigen sollte. Er wirkt derart distanziert, dass es lange Zeit tatsächlich schwerfällt nachzuvollziehen, wie sehr er unter dem Verlust leidet. Seine geradezu radikale Entscheidung, selbst Rache an den Mördern zu nehmen, ist insbesondere deshalb jedoch eine gelungene Wendung. Auch arbeitet die Geschichte passend heraus, wie er am Ende seine eigenen Fähigkeiten nutzt, um die Verantwortlichen dingfest zu machen. Nur sollte man über Charlies konkrete Entscheidungen nicht genauer nachdenken.
So ist er als hochintelligenter Analytiker mit einem IQ von 170 erschreckend unvorbereitet, wenn er sich der ersten Person gegenübersieht, die er gesucht hat, während er später riskiert, seine möglichen Quellen sterben zu lassen, ohne zuvor neue Informationen erhalten zu haben. Entsprechend kommt er überhaupt nur zufällig den Drahtziehern auf die Spur, während manche Zusammenhänge oder weshalb er bestimmte Orte aufsucht, gar nicht erklärt werden. Charlie wird dem Titel The Amateur in der Beziehung mehr als gerecht, doch wenn er bei seinen Konfrontationen Unschuldige oder Passanten mutwillig gefährdet, erscheint er derart kaltherzig und abgebrüht, dass man kaum mit ihm mitfiebern kann oder gar möchte. Gleichzeitig verlaufen Storyfäden im Sande, angefangen davon, weshalb die CIA sich überhaupt an Charlies Fersen heftet, oder als der spät im Film einem Agenten begegnet, der ihn zu Beginn um Hilfe gebeten hatte. Auch der von Laurence Fishburne gespielte Ausbilder Henderson wird zuerst aus der Story herausgeschrieben, um dann wiederzukommen und wieder zu verschwinden. Sein gesamter Auftritt in der zweiten Filmhälfte ist dabei inhaltlich vollkommen überflüssig.
Charlies Wegstationen in Europa, wenn er sich auf die Suche nach den Mördern seiner Frau macht, lassen durchaus ein stimmiges Agentenflair aufkommen, selbst dann, wenn seine Ermittlungen kaum zielgerichtet erscheinen, sondern von Zufällen vorangetrieben werden. Aber weder stellt sich das Gefühl ein, als würde Charlie die Zeit davon laufen, da die Attentäter bemerken, dass er hinter ihnen her ist, noch dass ihm die CIA dichter kommen würde. Gerade diese Aspekte würden aber für Spannung sorgen. So erkennt man vielmehr, dass die Geschichte weit weniger komplex ist, als es den Anschein hat, und die Verbindungen im Hintergrund früh weit absehbar sind. Zudem wirkt Charlie auf Grund seiner Persönlichkeit derart unterkühlt, dass man kaum mit ihm mitfiebert – abgesehen davon, dass er ganz am Ende überhaupt erst selbst ins Fadenkreuz gerät. Dementsprechend plätschert die Geschichte vor sich hin, der es überdies nicht gelingt, markante Widersacher aufzubauen, die über einen einschüchternden Einfluss oder eine beängstigende Präsenz verfügen würden. Sieht man die Ideen hinter The Amateur, würde man erwarten, dass all dies besser zusammenpasst, Charlies Jagd das Publikum mitnimmt, wenn er ohne Mittel oder Unterstützung etwas tut, was weit außerhalb seiner Expertise liegt. Nichts davon gelingt jedoch so gut, wie erhofft.
Fazit:
Rami Malek verkörpert den introvertierten Charlie Heller auf eine Art und Weise, dass man ihm durchaus ansieht, wie sehr es in ihm brodelt in Anbetracht dessen, was er sich anschickt zu tun. Doch wirklich mit ihm mitzufiebern, fällt schwer, da er sich mit niemandem darüber austauschen kann, was in ihm vorgeht. Das mag in der Romanvorlage anders sein, die sich mit seinem Gefühlsleben auseinandersetzen kann. Charlies Handlungen ergeben oftmals keinen wirklichen Sinn, sei es die Naivität, mit der er den Mördern seiner Frau gegenübertritt, oder wenn er Unbeteiligte wissentlich in Gefahr bringt. Seine letztendliche Entscheidung sorgt für ein antiklimaktisches Ende, das im Nachhinein seine vorigen Handlungen nur absurder erscheinen lässt. Filmemacher James Hawes gelingt durchaus eine gute Stimmung, die an andere Agentenstorys erinnert. Auch gibt es weder an der Besetzung, noch an der Inszenierung etwas zu bemängeln. Aber nichts davon entfaltet die mitreißende Wirkung, die man in Anbetracht der Beteiligten oder der Idee dahinter erwarten würde. The Amateur stellt eine Figur ins Zentrum, die zu distanziert bleibt, als dass man mit ihr mitfiebern könnte, und präsentiert Bösewichte, die nie an Profil gewinnen, während Handlungsfäden im Nirgendwo enden. Das ist am Ende vor allem zäh und hinsichtlich der ruhigen, auf das nie ausreichend ergreifende Drama ausgelegten Ausrichtung, ganz anders, als der Thriller, den man erwarten und erhoffen würde.