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Die Duldsamkeit von Beamtinnen – oder Beleidigungen fürs Auge und die Nase.
Marions Blog Nun, allgemein wird ja behauptet, dass Beamtinnen mit einer überirdischen Ruhe gesegnet sind, und dass nichts diese zu spontanen Handlungen verleiten könnte.
Doch es gibt auch Grenzsituationen, die der treuesten und hartnäckigsten Beamtin die Zornesfalten ins Gesicht zaubern können.
So geschehen am Anfang der letzten Woche, als uns ein besonderes Exemplar der Gattung, naja, sagen wir mal wohlwollend Mann dazu, zur Weißglut brachte.
Chronologie der Ereignisse:
Montag 6.30. Uhr
Trotz wiederholter Warnungen hat es sich S (besagter Kollege) nicht nehmen lassen, die Höhle des Löwen (sprich mein Zimmer) um diese unchristliche Uhrzeit zu betreten, um sich mit mir unterhalten zu wollen.
Dazu sollte ich anmerken, dass ich um diese Uhrzeit zwar schon am Schreibtisch sitze, die Augen geöffnet sind, ich ebenfalls atme und mit der Arbeit beginne, jedoch UNTER KEINEN UMSTÄNDEN angesprochen werden möchte.
Ausnahmen sind bestenfalls der Wärmetod des Universums oder die beginnende Supernova unserer Sonne.

Doch was sehen meine müden Augen: EIN ZIEGENBÄRTCHEN und ein Gestank, der die Sinne benebelt!!!
Der Albtraum meiner schlaflosen Nächte.
Dazu anzumerken wäre, dass S nun mal so aussieht, als wäre die Pubertät spurlos an ihm vorübergezogen.
Ein sanftes, fast kindlich rundes Gesicht, mit den Merkmalen eines ICE-Bartwuchses (so ähnlich wie ein Eisenbahnerbart (alle Station ein Haar), nur mit noch weniger Haltestellen).
Genauso sah auch sein Ziegenbärtchen aus.
Meine erste Frage vor dem Rauswurf: Ist bei dir heute Morgen der Strom ausgefallen, oder was soll das armselige Gestrüpp in deinem Gesicht?
Komm bitte wieder, wenn du rasiert bist.

6.35 Uhr
Nach dem ersten Rauswurf aus meinem Zimmer ist S einer weiteren Kollegin begegnet.
Diese stürmt völlig fassungslos zu mir in mein Zimmer (warum nur hat keiner Respekt vor einem Morgenmuffel???)mit den Worten: Hast du S. gesehen? Das sieht ja nicht nur scheußlich aus, der stinkt auch noch so.
Ich: Ja, er war auch schon hier drinnen.
Ines: und? Hast du was dagegen?
Ich: Nichts was schnell wirken würde. Warten wir mal ab, was er dazu zu sagen hat.

7.08 Uhr
Inzwischen hat jede von uns Frauen im Büro das zarte aber leider tiefschwarze Gefluse am Kinn unseres Kollegen bewundern dürfen.
Erste Lagebesprechung in meinem Zimmer.
Allgemeiner Kommentar: scheußlich.
Wie ein guter Bart aussieht, wissen wir zum Glück, denn viele unserer Kollegen sind von einem schönen, dichten und sehr gepflegten Bart geziert.
Die erste Sondierung bei S hat ergeben, dass er sich durch seinen "Bart" männlicher fühlt, und der Meinung ist, dass er ihm stehen würde, und dass das Deo seine männliche Note nur noch betonen würde.
Verzweiflung macht sich breit.
Bis zur Kaffeepause werden wilde Pläne geschmiedet, die ersten Kolleginnen sehnen die Öffnungszeiten des örtlichen Beautymarktes herbei.

8.15 Uhr
Inquisitorische Befragung durch Conny, die mütterliche Kollegin von S, und mir.
Conny: S, was soll denn das?
S: Nun, ich bin dadurch ein ganzer Mann geworden.
Leises Husten aus dem Nebenzimmer, in dem unser Sachgebietsleiter sitzt, der mit einem dichten weißen Vollbart gesegnet ist, macht diese Aussage leider etwas kaputt.
Ich: Dazu brauchst du das, was du einen Bart nennst?
S: Klar, denn sonst nimmt mich doch hier keiner Ernst.
Ich: Das wird sich aber auch nicht mit dem Möchtegern-Wildwuchs in deinem Gesicht ändern. Zudem, was ist denn das für ein Deo, in dem du heute Morgen gebadet hast.
S: Axe (in England wird das Zeug unter "Lynx" = Luchs vertrieben und ist zurzeit das Lieblingsdeo der Neun bis Zwölfjährigen.)
Conny: Ah ja, aber der normale Gebrauch von Wasser und Seife ist dir trotzdem vertraut, oder?
S: Gewöhnt euch schon mal daran, in Zukunft wird das immer so sein.
Drei Leute unisono: nicht, wenn ich das verhindern kann.

8.23 Uhr
Die ersten Einwegrasierer werden ins Zimmer von S gebracht, Conny sitzt demonstrativ bei geöffnetem Fenster vor ihrem Rechner.
Zu Recht auch, denn die Deowolken von S ist auch noch vier Zimmer weiter recht deutlich zu erschnuppern.
Die ersten männlichen Kollegen beginnen zu maulen.

8.45 Uhr Kaffeepause
Wie jeden Morgen trudeln nach und nach die Kollegen im Aufenthaltsraum ein um die erste gemeinsame Tasse Kaffee der Woche zu trinken, und die erste Dienstbesprechung zu erledigen.
Einzigster Tagesordnungspunkt auf Wunsch der Männer (!): der übermäßige Gebrauch von Deo ...
Nach dem Eintritt von S werden schlagartig die Türen und Fenster des Raumes geöffnet.
S wird langsam klar, dass seine Weseneinschätzung wohl von niemandem mitgetragen wird.
Das Argument: "Aber meine Mama hat gesagt, dass ..." wird als befangen abgelehnt und nicht weiter zugelassen.

9.01 Uhr
Auf seinem Arbeitsplatz findet S inzwischen den neunten Einwegrasierer vor, gefolgt von der dritten Dose Rasierschaum.
Langsam beginnt es S zu dämmern, dass die Erscheinung als Mann wohl deutlich mehr verlangt, als nur etwas Gewucher im Gesicht.
Conny erklärt ihm als Mutter eines 16-jährigen Sohnes nochmals langsam den korrekten Gebrauch von Deo.

11.00 Uhr
Zum wiederholten Male versucht uns S, sein Bild der Männlichkeit nahe zu bringen. Bedauerlicherweise hält kein einziger der zu überzeugenden Persönlichkeiten Bartwuchs und das dazu passende Deo als das Haupterkennungsmerkmal für echte Männer für wirklich wahrscheinlich.
Irgendwie haben sich andere Punkte in unseren Köpfen festgelegt.

15.35 Uhr
Ein Firmenvertreter kommt zur Klärung einiger Fragen in mein Büro.
Kurz schnuppernd meint dieser daraufhin: oh, wie nett, dass Sie auch Kinder hier durchs Büro führen. Mein Junge richt im Moment genauso.
Ich: Wie alt ist denn Ihr Sohn?
Vertreter: 12
Leises Gelächter aus drei anderen Zimmern.

Dienstag 7.15 Uhr
S tritt zur Kontrolle in mein Zimmer, frisch rasiert und mit einem ordentlichen Deo eingenebelt.
Anscheinend haben ihn auf der Heimfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln noch mehrere Personen auf sein Deo angesprochen.
Zudem hat sein Rendezvous, das er am Abend mit seiner Erscheinung beeindrucken wollen, ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie
a) nur auf glatt rasierte Männer stehen, und
b) Sie doch ein etwas dezenteres Deo befürworten würde.

Dass es trotzdem nicht mit der jungen Dame geklappt hat, dürfte wohl nicht nur an diesen beiden Punkten gescheitert sein, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
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