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Das Märchen vom arbeitsfreien Sonntag – oder wie manche sich irren. | von Marion am 12.03.2006, um 21:23 Uhr. |
![]() Heute Morgen habe ich unter der Dusche wieder einmal einen Aufruf der zwei großen Kirchen gehört, unseren Sonntag nicht zu einem Arbeitstag verkommen zu lassen. Der Sonntag sei für die Familien frei zu halten. Da stellt sich für mich jetzt mal die Frage: Wo leben diese Leute eigentlich? Schließlich ist es ja nicht so, als würde es so etwas nicht geben. Egal, wohin man schaut, es wird gearbeitet, und das nicht zu knapp. Ob man nun bei Polizei, Feuerwehr, Krankenhäusern, Altenheimen oder ähnlichen Einrichtungen mehr schaut, alle sind bei der Arbeit. Aber nicht nur dort, auch in der Unterhaltungsbranche – wenn man es denn so nennen will – ist die Arbeit an Sonn- oder Feiertagen ganz normal. Wer würde schließlich auf das schöne Mittagessen im Gasthaus verzichten wollen, wenn Mama am Sonntag Geburtstag hat, oder auf dem Zoobesuch mit den kleinen Nichten und Neffen? Wir haben uns im Büro mal im Spaß eine Zukunftsvision erarbeitet, in der durchgespielt worden ist, wie es wohl aussähe, wenn keiner mehr am Sonntag arbeiten dürfte. |
Das öffentliche Arbeitsleben wurde eingestellt. Jeder Arbeiter hat seinen Platz verlassen und ist nach Hause gegangen, um nur noch für seine Familie da zu sein.
Feuerwehr und Polizei haben den Anrufbeantworter eingeschaltet, in den Krankenhäusern und Altenheimen wurden die letzten Rundgänge erledigt.
Denjenigen, die nicht mehr aufstehen können, wurde etwas zu essen und zu trinken in greifbare Nähe gestellt, der Rest muss sich in der Küche selbst verpflegen.
Der gesamte Nah- und Fernverkehr wurde gestoppt, keine Züge, Busse oder Flüge sind mehr unterwegs.
Die Grenzen des Landes wurden geschlossen, da eine Grenzabfertigung nicht mehr gewährleistet ist. In Urlaub kann eh keiner fliegen, da die Flughäfen und Bahnhöfe für 24 Stunden geschlossen wurden.
Ein Uhr nachts bis 5 Uhr morgens
Vereinzelt gehen Notrufe bei der Polizei ein, bei denen es sich um Überfälle, Einbrüche und Ähnliches handelt.
Leider ist ein Eingreifen der Polizei jedoch nicht möglich, da auch für sie das Arbeitsverbot und die Sonntagsruhe zwingend bindend ist.
Sechs Uhr morgens.
Familie F. hat ein schweres Erwachen, denn leider hat ihre Heizung über Nacht eine Fehlfunktion erlitten.
Ein Ventil ist defekt, worauf das komplette Wasser des Heizungssystemes sich in den Keller ergossen hat.
Nun muss die Überschwemmung beseitigt werden, und das kalte Warten auf den nächsten Tag beginnt.
Ein Heizungsnotdienst ist leider nicht mehr zu bekommen.
Acht Uhr morgens
Das Haus der Familie H steht in Flammen. Ein Anruf bei der Feuerwehr erbrachte nur die notwenigen Tipps, und die Vertröstung auf den morgigen Tag.
Die ganze Nachbarschaft ist an der Löschung des Brandes beteiligt, damit das Feuer nicht auf die umliegenden Häuser übergreifen kann.
Mittags im Krankenhaus
Die ersten Patienten machen sich auf den Weg in die Küche, um sich dort mit etwas Warmen zum Essen zu versorgen.
Barmherzige Seelen bringen auch denjenigen etwas zu essen, die sich nicht mehr selbst versorgen können.
Auf der Intensivstation piepsen einige Geräte recht aufgeregt, doch keine Krankenschwester darf sich darum kümmern.
Ebenso wie für Polizei und Feuerwehr gilt auch für sie die Sonntagsruhe.
Vier Uhr nachmittags
Helene M bringt ihr Kind Florian alleine, nur mithilfe ihrer Mutter zur Welt. Eine Hebamme oder ein Notdienst konnte nicht anwesend sein.
Durch die intensive Vorbereitung auf die Geburt mittels der angebotenen Hebammenkurse war dies jedoch nicht ungewöhnlich.
Seit Einführung des Sonntagsarbeitsverbotes ist dieser Kurs sogar zur Pflicht für einen Angehörigen von Schwangeren geworden.
Acht Uhr abends
Für den Verkehrsunfall auf der B 12 kam leider keine Hilfe. Obwohl die Verletzungen nicht so schwer gewesen wäre, hatten die Erste-Hilfe-Kurse der anderen Verkehrsteilnehmer leider nicht ausgereicht, da ihnen die nötigen Spezialkenntnisse zur optimalen Hilfeleistung gefehlt hatten.
Eine freiwillige Wache verbleibt bei dem Wrack, bis die Hilfskräfte eintreffen können.
Montag null Uhr
Die gesamten Arbeitskräfte der Polizei, Feuerwehr und alle anderen Einrichtungen beginnen mit ihrer Arbeit, nachdem die 24-stündige Zwangspause vorbei ist.
Die Grenzen werden wieder geöffnet, Normalität tritt wieder ein.
Klar, dies ist nur ein Hirngespinst einer etwas übermotivierten Kaffeerunde, aber es zeigt schon im Ansatz, dass es heute halt nicht mehr so ohne weiteres möglich ist, auf den Grundsatz "Am siebten Tage sollst Du ruhen" zu verweisen und damit die Arbeit zu verdammen.
Vielmehr sollte doch mal ein wenig Hirn in die Überlegungen mit eingebracht werden, oder findet ihr nicht?
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