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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.
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Angebot & Nachfrage
Treffpunkt: Kritik Sie scheinen wie zwei Seiten derselben Medaille, zwei Brüder, von denen der eine ohne den anderen gar nicht überleben könnte. Sie markieren die Eckpfeiler der modernen (sowie antiken) Konsumgesellschaft und sind die besten Freunde von all jenen, die sich an den Bedürfnissen der anderen laben. Sie sind aber auch Dreh- und Angelpunkt von Niederlagen, Verlusten und weitreichenden Fehlinvestitionen, die schließlich im Bankrott ganzer Geschäftszweige münden.
Angebot und Nachfrage stellen aus dem Grund ein Mysterium unserer heutigen Zeit dar, weil man trotz jahrehundertelanger Erfahrungen und computerunterstützter Prognosen immer wieder verwundert feststellen muss, dass gesunder Menschenverstand manchmal mehr Wert ist, als ein Flugzeug voll von Analytikern und Experten.
Abgesehen vom Weltverband der Statistiker gibt es wohl kaum eine Branche auf unserem Globus, die sich nicht über mangelnde Nachfrage von Seiten der Kunden beschwert – einer der Spitzenreiter jener allumfassenden Gruppe ist schon seit Jahren (und deshalb mit Anrecht auf das lauteste Megaphon beim Tiraden-Konzert) der Buchhandel, der sich beschwert, dass sich die Menschen lieber von bewegten Bildern unterhalten lassen, oder ihren Kopf über das Display des derzeit aktuellen Mobiltelefons bewegen – was ansich die ebenfalls rückläufige Kommunikation im SMS-Stil fördern sollte – anstatt sich ein Buch zu kaufen und die eigene Phantasie walten zu lassen.
Wer nun aber auf die Idee kommen sollte, Ursachenforschung zu betreiben und anzubringen, dass Mitte der 1990er Jahre ein durchschnittliches Taschenbuch 9,80 DM kostete, heute dasselbe Buch mit 9,95 EUR zu Buche schlägt, stößt grundsätzlich auf taube Ohren – wie es scheint sollte der Verband der Buchwurmzüchter also ebenfalls an seiner Kommunikationsfähigkeit arbeiten.
Viel empfehlenswerter ist es jedoch, einmal mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich beispielsweise, und sei es nur für wenige Minuten, an belebten Plätzen wie einer häufig benutzten U-Bahn-Station in einer Großstadt zu platzieren.
Da wird einem auffallen, dass sich jeder dritte Fahrgast mit einem Buch in der Hand die Fahrt versüßt. Die Bandbreite der gekauften Exemplare reicht dabei von Taschenbüchern zu kleinen Ratgebern, großen gebundenen Ausgaben und anderen Exemplaren, deren Format mit Sicherheit ebenfalls einen eigenen Namen besitzt. Etwas anders sieht es allerdings mit der Streuung der gelesenen Autoren aus, die sich ohne Zweifel meist auf derzeit bekannte Namen und ihre aktuellen Bücher konzentrieren. Dan Brown gehört auch 2006, noch vor Erscheinen seines neuen Romans, zu den meistgelesenen Autoren. Interessanterweise werden aber auch Nachahmer mit ähnlich gelagerter Thematik (und wichtig: ähnlichen Titeln) immer wieder verschlungen – wenn auch nicht in dem Maße. Begibt man sich aber heute aber einmal in eine größere Buchhandlung wird man vom schieren Angebot regelrecht erschlagen. Dabei gibt es sowohl eine kaum mehr zu überblickende Auswahl an Autoren und Werken, aber auch unzählige Ausgaben von ein und demselben Buch. Fügt man hierzu noch den gesunden Menschenverstand, drängt sich der Verdacht auf, dass vielleicht die Nachfrage der kaufwilligen Leser in dem Sinne bei weitem nicht so stark abgenommen hast, wie der Buchhandel das den immerhin kaufenden Kunden immer wieder vorhält, sondern das Angebot in einem Sinne gestiegen ist, wie es bei der Nachfrage gar nicht möglich ist. Rechnet man dann noch hinzu (und wer sich einmal die gelesenen Sprachen bei den Testsubjekten in der U-Bahn ansieht wird das bestätigen können), in welcher Sprache die Bücher gekauft werden, wird außerdem Vermutungen darüber anstellen, weswegen so viele Leser inzwischen lieber zur Originalausgabe greifen, anstatt sich die deutsche Übersetzung zu holen. Ob es daran liegt, dass die Originalausgaben Monate eher erscheinen? Oder aber, weil sie zum Bruchteil des Preises der deutschen Ausgabe angeboten werden? Und sei es meist nur zu dem Preis, zu dem vor 10-15 Jahren die Bücher in unseren Landen erworben werden konnten.

Aber auch der übrigen Wirtschaft geht es schlecht, davon kann man sich vielerorts in sämtlichen Nachrichten überzeugen. Die einheimische Konjunktur bewegt sich auf einem Niveau, das man sich vor 20 Jahren selbst in den schlimmsten Alpträumen nicht hätte vorstellen können, und das man hätte abfedern können, hätte man damals die Steuereinnahmen auch für jene Zwecke eingesetzt, für die sie gedacht waren, anstatt sie in alle Windrichtungen zu verstreuen.
Vor vielen Jahren bereits stellten intelligente Experten – und böse Zungen behaupten das wäre ein Widerspruch in sich – Thesen auf, nach denen sich die derzeitige Konjunkturlage auch an den Gepflogenheiten der Bürgerinnen und Bürger ablesen lassen würde. So würden in konjunkturstarken Zeiten farbige Autos die Straßen schmücken, wohingegen in schwachen Zeiten triste Farben vertreten seien. Auch die Mode der Frauen wäre ein Indikator für die derzeitige wirtschaftliceh Lage; so würden die Kostüme der Damen in guten Zeiten kürzer, bei einer schwächelnden Wirtschaft wieder länger.
Nimmt man das als Ausgangslage, kann es unserer Konjunktur so schlecht doch gar nicht gehen!
Auch hier sei ein Selbstversuch empfohlen, der nicht viel mehr beinhaltet, als das Durchschreiten der Welt mit offenen Augen – recht schnell wird dann offensichtlich, wie viel Haut die Damen unserer Zeit ihren Mitmenschen bisweilen zumuten, wobei sich die entblößten Bereiche zumeist auf die untere Rückenpartie konzentrieren. Im Supermarkt, in Büroräumen bei sitzenden Tätigkeiten, oder aber einfach so in der Fußgängerzone, überall scheint das in der Taille-Region knapp bemessene Top im Kommen zu sein, beziehungsweise in den letzten Jahren befand es sich nie auf dem Rückzug – auch die kühlen Wintermonate konnten die wahren Modeköniginnen nicht davon abhalten, etwas Haut zu zeigen. Besonders interessant wird die Modeauswahl allerdings im Supermarkt, wenn sich die einkaufende junge Frau bückt oder nach vorne beugt, und neben der freiliegenden Rückenpartie auch die von einem millimeterdicken Stoff zusammen gehaltene Unterwäsche sichtbar wird, die meist noch in Signalfarben wie Rot oder Schwarz, bevorzugt auch mit Mustern, gehalten wird, um die Blicke der umherstreifenden Passanten auf sich zu ziehen. Die Krönung jener Darbietung ist dann das Tattoo am Rücken, das eben jene Körperregion zusätzlich hervorhebt. Dabei ist es nicht nur die männliche Bevölkerung, deren Blick dann zu den gebotenen Stellen wandert, auch die übrigen Damen riskieren einen schnellen Blick, und sei es nur, um sich Anregungen für die persönliche Gestaltung jener Bereiche zu holen.
Als Mann allerdings blickt man selbstverständlich im ersten Moment auf solch ungewohnte, rot-grün-schwarze Muster, die sich vom restlichen Erscheinungsbild der Person selbstverständlich radikal abheben – und fühlt sich fortan wie ein Voyeur mit einem nicht zu leugnenden schmutzigen Beigeschmack. Dabei ist es doch hier wie in der Industrie: Das Angebot erzeugt die Nachfrage. Würde die Damenwelt (die es ohnehin immer fröstelt) die Gelegenheit beim Schopfe packen und ein paar Euro weniger für ein Kleidungsstück ausgeben, das gleichzeitig 5-10 Zentimeter länger geschnitten ist, ließe sich die Kleidung auch so tragen, dass die Auskühlungszonen selbst beim körperlicher Aktivität im Alltag so minimal wie möglich gehalten werden. Stattdessen werden die Mitbürgerinnen und Mitbürger aufgereizt und anschließend für das Interesse am Gebotenen kritisiert.

Man hat es in der heutigen Zeit eben nicht leicht, erwirbt man rechtmäßig ein Buch im Fachhandel, muss man sich die Kritik der Verkäufer anhören, dass immer weniger Menschen Bücher kaufen würden; legt man eine gekaufte DVD in den heimischen DVD-Player muss man sich zu aller erst einen Spot gegen Raubkopie ansehen (die wahren Raubkopierer sehen die Spots doch ohnehin nie!), und zeigt man als aufmerksamer Zeitgenosse, der den Blick nicht gen Himmel gerichtet hat, Interesse am Angebot, muss man sich für die Nachfrage nicht zuletzt auf Grund der (hoffentlich) mitgegebenen Erziehung schämen.
Guter Rat ist in dem Fall teuer – auch wenn es hier ein genügend großes Angebot gibt ... zu einem nicht zu unterschätzenden Preis versteht sich.
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