The Game Changers [2019]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. September 2021
Genre: Dokumentation

Originaltitel: The Game Changers
Laufzeit: 86 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Louie Psihoyos
Musik: Nathan Matthew David, Wendell Hanes
Personen: James Wilks, Arnold Schwarzenegger, Patrik Baboumian, Dotsie Bausch, Tia Blanco, Nimai Delgado, Rip Esselstyn, Kendrick Farris


Hintergrund:

Als der UFC-Kämpfer und Martial Arts-Profisportler James Wilks auf Grund einer Knieverletzung ausfällt, beginnt er, sich mit den Auswirkungen der Ernährung auf die Leistungsfähigkeit von Athletinnen und Athleten zu beschäftigen. Dabei gelangt er zu der Erkenntnis, dass der weit verbreitete Glaube, nur mit tierischem Protein könne man entsprechend leistungsfähig sein, ein Irrlaube ist. Die Dokumentation zeichnet seine Recherchen nach, die ihn zu Fachärztinnen und -ärzten führen, zu Experten der Ernährungswissenschaft und zu ehemaligen Profisportlern wie Arnold Schwarzenegger, oder der Olympiagewinnerin Dotsie Bausch, die ihre größte Leistungsfähigkeit erlangt hat, nachdem sie auf eine rein pflanzliche Ernährung umstellte. Dabei sind die Erkenntnisse, die Wilks sammelt, nicht nur für Hochleistungssportlerinnen und -sportler erleuchtend. Die Art der Ernährung hat auch einen ganz entscheidenden Einfluss auf Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung …


Kritik:
Die Dokumentation The Game Changers, die eine vegane Ernährungsweise bewirbt, ist in vielen Bereichen genau so, wie man es sich vorstellen würde. In manch anderen gelingt Filmemacher Louie Psihoyos ein überraschender Blick auf allgemeine Missverständnisse und grundlegend bekannte Informationen zu diesem Thema. Doch trotz der eingängigen Präsentation und der vielen Bekundungen der gezeigten Athletinnen und Athleten, verschweigt die Dokumentation die Herausforderungen, die mit der beworbenen Ernährung einhergehen. Ganz abgesehen von kritischen Stimmen zu der Thematik.

Erzählt wird The Game Changers von dem ehemaligen Ultimate Fighter-Profi und Kampfsportler James Wilks, der nach einem Unfall während einer langen Genesungsphase die Auswirkungen einer veganen Ernährung sowohl auf die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und Sportler recherchierte, als auch auf seine persönliche Gesundung. Dabei sucht Wilks den Rat von medizinischem Fachpersonal, Ernährungsberaterinnen und -beratern, aber auch Spitzensportlerinnen und -sportlern. Sein Ergebnis ist so einfach wie verblüffend: Die Behauptung, man könne nur dann Spitzenleistung erbringen, wenn man sich ausgewogen ernährt und viel tierisches Protein zu sich nimmt, das bei körperlichen Belastungen am meisten verstoffwechselt würde, stimmt so nicht. Im Gegenteil, alle Erkenntnisse, die er gewinnt, deuten darauf hin, dass eine rein pflanzliche Ernährung nicht nur die größten Leistungsreserven schafft und mobilisiert, sondern darüber hinaus auch für alle anderen Menschen den gesündesten Lebensstil darstellt.

Das klingt auf den ersten Blick überaus einseitig und tatsächlich ist es das auch. Es ist einer von zwei großen Kritikpunkten, die man Dokumentarfilmer Psihoyos vorhalten kann. Denn während viele Dokumentationen Für und Wider ihres Themas vorstellen, beide Seiten einer Diskussion zu Wort kommen lassen, macht The Game Changers keinen Hehl daraus, dass die Verantwortlichen eine rein pflanzliche Ernährung proklamieren und jede Form tierischer Nahrung für Menschen in der ein oder anderen Weise schädlich sei. Über diese Feststellung ließe sich sicher trefflich streiten, zumal es mindestens ebenso viele aktuelle Studien gibt, die keinen pauschalen Zusammenhang mit tierischen Überresten in menschlicher Nahrung und der Zunahme von Krankheiten wie Herzerkrankungen, Diabetes oder Krebs sehen, wie solche, welche die Zunahme von den vorgenannten Erkrankungen mit einer Ernährungsweise in Verbindung bringen, die sich deutlich auf tierische Zutaten verlässt.
Dennoch gibt es heutzutage offenbar ein Bewusstsein dafür, dass tierische Speisen nicht in dem Maße gesund sein können, wie man dies gemeinhin früher glaubte. Selbst Menschen, die sich nicht vegetarisch oder vegan ernähren, bekunden meist, dass sie „wenig Fleisch“ essen oder zumindest „weniger“. Dieser Kritiker kennt niemanden, die oder der von sich selbst behauptet, „sehr viel und mehr Fleisch zu essen“. Aber wenn weniger gut ist, wie viel ist dann optimal?

Nach Auffassung von Wilks ist jeder Bissen an Nahrung tierischen Ursprungs zu viel und um dies zu untermauern, führt er Statistiken an und zeigt Animationen, welche Auswirkungen tierische Proteine auf den menschlichen Körper haben. Alle Mediziner, die er befragt, sagen hier dasselbe, übereinstimmend. Doch ist die Meinung in der wissenschaftlichen Welt nicht so einhellig. Aber statt auch gemäßigte Stimmen zu Wort kommen zu lassen – mit einer Ausnahme, in der eine Person von einer Ernährung mit möglichst wenigen tierischen Bestandteilen spricht – und deren Argumente ggf. wissenschaftlich zu widerlegen, zeigt The Game Changers Experimente, die in einem so kleinen Rahmen durchgeführt werden, dass selbst der durchführende Arzt zu bedenken gibt, dass dies bei weitem nicht aussagekräftig ist. Das bedeutet nicht, dass die Schlussfolgerungen, zu denen Regisseur Psihoyos hier kommt, nicht stimmen würden. Ganz im Gegenteil, sie klingen einleuchtend und sind nachvollziehbar dargebracht. Nur unterstreicht der Dokumentarfilm selbst den Vorwurf, man hätte nur solche Aussagen zugelassen, die die eigene Meinung unterstützen.

Die wenig differenzierte Herangehensweise an die Aussagen ist ein Kritikpunkt, der andere, weitaus schwerer wiegende, ist die Tatsache, dass The Game Changers eine vegane Ernährungsweise von der idealen Ausgangslage einer umfassenden Ernährung beleuchtet. Auf Grund seines eigenen Hintergrunds als Profisportler sucht James Wilks nach Hinweisen, inwieweit sich eine pflanzliche Ernährung auf sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt und er findet genügend Beispiele, dass Athletinnen und Athleten nach der Umstellung auf eine vegane Ernährung noch leistungsfähiger geworden sind. Doch werden all diese Personen von einer ebenso professionellen Ernährungsberatung auf diesem Weg begleitet. Den Anforderungen an eine rein pflanzliche Ernährung gerecht zu werden, die sämtliche essenziellen Inhaltsstoffe beinhaltet, können Laien allerdings weit weniger leicht gerecht werden. Stattdessen konzentriert sich die Dokumentation auf ein Nischenpublikum. Diesen Umstand sollte man bedenken, wenn man sich die ebenso interessanten wie wissenswerten Hinweise der Verantwortlichen hier zu Herzen nehmen und seine eigene Ernährungsweise umstellen möchte.


Fazit:
Es gibt viele Aussagen, mit denen man durch seine Umwelt häufig konfrontiert wird, wenn man sich selbst vegan oder nur vegetarisch ernährt. Sei es, dass die Menschen schon immer Omnivoren (Allesfresser) gewesen seien, oder dass es bestimmte Nährstoffe gäbe, die Menschen nur über tierische Produkte aufnehmen könnten. Auch, dass eine vegane Ernährung viel zu anstrengend sei, hört man oft. Dass Vieles hiervon Scheinargumente sind, oder ganz offenkundig unrichtig, deckt James Wilks ebenso glaubhaft wie anschaulich auf. Mag sein, dass sich die Dokumentation zu stark auf den eigenen Blickpunkt versteift, anstatt Gegenargumente aufzunehmen und zu entkräften, doch das bedeutet nicht, dass die eigenen Kernaussagen falsch sind. Auch verschweigt Filmemacher Louie Psihoyos, dass vegane Fertiglebensmittel oftmals stark zuckerhaltig und somit im Übermaß ebenfalls gesundheitsschädlich sind. Schließlich beleuchtet The Game Changers das Thema der pflanzlichen Ernährung vorrangig aus der Perspektive von professionellen Sportlerinnen und Sportlern, die meist auf eine Ernährungsberatung zurückgreifen können und damit der wenigstens anfänglichen Herausforderung einer rein pflanzlichen Ernährungsweise in Hinblick auf eine ausgewogene wie umfassende Nährstoffversorgung gut gewappnet sind. Nimmt man die so unterhaltsam wie packend präsentierte Dokumentation jedoch als Ausgangspunkt, sich mit dem Thema näher zu beschäftigten, fallen diese Kritikpunkte nicht stärker ins Gewicht. Anstatt einen Dokumentarfilm über eine vegane Ernährung im Allgemeinen darzustellen, steht hier die Auswirkung einer pflanzlichen Ernährungsweise auf den Profisport im Zentrum. Denkanstöße für die gesamte Bandbreite eines möglichen Publikums liefern die Verantwortlichen dabei mehr als genug.