Ronin [1998]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. November 2014
Genre: Thriller / Action

Originaltitel: Ronin
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1998
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Frankenheimer
Musik: Elia Cmiral
Darsteller: Robert De Niro, Jean Reno, Natascha McElhone, Stellan Skarsgård, Skipp Sudduth, Sean Bean, Jonathan Pryce, Michael Lonsdale, Jan Tříska, Féodor Atkine, Katarina Witt


Kurzinhalt:

Für ihren Auftraggeber Seamus (Jonathan Pryce) engagiert Deirdre (Natascha McElhone) eine Gruppe bestehend aus fünf Männern. Den Amerikaner Sam (Robert De Niro), Vincent (Jean Reno), der in Frankreich viele Kontakte besitzt und das benötigte Material organisieren kann, den Waffenexperten Spence (Sean Bean), den Techniker Gregor (Stellan Skarsgård) und den Fahrer Larry (Skipp Sudduth). Sie sollen einen Koffer stehlen, der sich allezeit am Handgelenk eines bestimmten Mannes befindet. Da eine russische Gruppe ebenfalls an dem Inhalt des Koffers interessiert, aber finanziell in der Lage ist, ihn dem Besitzer abzukaufen, drängt die Zeit.
Dabei schweigt sich Deirdre darüber aus, was sich tatsächlich im Koffer befindet und wie sich herausstellt, ist er stärker bewacht als vermutet. So wächst innerhalb der Gruppe das Misstrauen und es ist keine Frage ob, sondern nur wer und wann das gemeinsame Ziel verraten wird. Es beginnt eine Katz-und-Maus-Jagd durch Frankreich, bei der sich niemand sicher sein kann, auf wessen Seite die Person gegenüber wirklich steht ...


Kritik:
In einer Zeit, als Mission: Impossible [1996] den Spionagethriller zu einem Superheldengenre weiterentwickelt hatte, stellt Filmemacher John Frankenheimer mit Ronin eine Agentengeschichte vor, die ebenso gut aus den 1960er- oder 70er-Jahren stammen könnte. Anstatt seinen Helden übermenschliche Fähigkeiten zu verleihen, spinnt er ein Netz aus Betrug und Verrat, in dem Loyalität nur so lange absolut ist, wie man sie sich erkaufen kann. Das ist bewusst langsam erzählt und nicht nur deswegen sehenswert.

Bereits die Eröffnungssequenz verdeutlicht die optische Finesse, mit der Frankenheimer sein Werk in Szene setzt. Er zeigt die stillen Gassen in Paris, durch die Robert De Niros Figur Sam schleicht, als vermute er einen Hinterhalt. Die Regenflecken auf seiner Jacke verraten, dass er schon längere Zeit dort steht und das kleine Lokal beobachtet, in dem sich die Plätze zu später Stunde leeren. Er deponiert eine Waffe am Hinterausgang als würde er damit rechnen, drinnen durchsucht zu werden und die Handfeuerwaffe dennoch zu brauchen. Seine Bewegungen sind vorsichtig, sondierend, aber nicht ängstlich. Wenn er schließlich das Lokal betritt ist es, als würde die Spannung zwischen den wenigen Figuren spürbar. Sie alle sind aus einem bestimmten Grund dort und der Eindruck entsteht, als wäre es für alle derselbe.
Ronin ist ein Film, der seine Zuschauer dadurch in die Geschichte hineinzieht, dass er nicht viel erklärt. Nur wer aufmerksam bleibt und seine eigenen Schlüsse aus dem Verhalten der Figuren zieht wird verstehen, weshalb sie tun, was sie tun. Dem Trupp bestehend aus fünf Männern erklärt die unterkühlt erscheinende Deirdre, dass sie einen Koffer für Ihre Auftraggeber besorgen soll. Was sich in dem Koffer befindet, würde die fünf nichts angehen. Die notwendige Ausrüstung bestehend aus technischen Geräten, Fahrzeugen und Waffen erhalten sie gestellt.

Dass es sich bei den Männern um Söldner handelt, steht außer Frage, auch wenn das nie genannt wird. Was sie dazu bringt, einen solchen Auftrag anzunehmen, ist offensichtlich: Sie alle sind auf das Honorar aus, das Deirdres Hintermänner in Aussicht stellen. Doch was bringt jemanden wie eben diese Auftraggeber dazu, den Söldnern zu vertrauen und wie gelingt das gar den Männern untereinander? Auch wenn sie ein gemeinsames Ziel vor Augen haben und als Team auftreten, die Spannung unter ihnen bleibt.
Die Beobachtung, dass Misstrauen ein ständiger Begleiter dieser Branche ist, trifft Ronin wie kaum ein anderer Agententhriller. Dass das Misstrauen gerechtfertigt ist, überrascht insofern nicht. Wohl aber, in welche Richtung sich die Geschichte dann entwickelt. Mehr zu verraten, würde den Thriller verderben.

Ein großer Gewinn für Frankenheimers vorletzte Kinoproduktion sind die Darsteller, die von Jean Reno und Robert De Niro charismatisch und schweigsam angeführt werden und bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt sind. Das unumwundene Highlight sind die Autoverfolgungsjagden, die zu den packendsten und besten gehören, die je auf Film gebannt wurden. Das nicht, weil besonders viel am Straßenrand zu Bruch geht, sondern weil Kamera und Schnitt das Publikum in die Fahrerkabine setzen, wenn die Autos durch die engen Straßen von Nizza oder den Pariser Berufsverkehr preschen. Selbst bei Schnitten sieht man im Hintergrund Autos oder Personen, die kurz zuvor bei dem vorausfahrenden Wagen gesehen wurde. Greifen die Beifahrer hier nach den Sicherheitsgurten, will man sich selbst schon lange angeschnallt haben. Und setzt Elia Cmirals ungewöhnlicher, aber passend einsam klingender Score mit der Großaufnahme eines Verkehrsschildes bei der größten Actionsequenz des Films ein, beginnt eine Fahrt, wie sie in der Achterbahn kaum spannender sein kann.


Fazit:
Dass Regisseur John Frankenheimer ein Gespür für schnelle Autos besaß, war nicht zuletzt durch seinen Grand Prix [1966] bekannt. Hier bettet er diese Szenen mitreißend in einen zeitlos anmutenden und überlegt erzählten, cleveren Thriller ein, der am Ende doch einen aktuellen Bezug bietet.
Statt Übelkeit erregend schnelle Schnitte setzt er bei Ronin auf eine Bildersprache, die mit (fehlenden) unscharfen Bereichen und Perspektiven mehr erzählt als die kargen Dialoge, die den Figuren und ihrer Profession angemessen sind. Sein toll aufgelegter Cast verleiht der düsteren Story und den desillusionierten Charakteren ein Gesicht und sieht man, dass der Film an dem Ort endet, an dem er beginnt, hat man das Gefühl, als würde sich in ihrem Beruf auch nichts ändern.