Maria Stuart, Königin von Schottland [2018]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 12. Januar 2019
Genre: Drama / BiografieOriginaltitel: Mary Queen of Scots
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Josie Rourke
Musik: Max Richter
Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Jack Lowden, Joe Alwyn, James McArdle, Guy Pearce, Martin Compston, David Tennant, Brendan Coyle, Ismael Cruz Cordova, Gemma Chan, Maria-Victoria Dragus, Ian Hart
Kurzinhalt:
Als die junge Königin Maria Stuart (Saoirse Ronan) im Jahr 1561 nach Schottland zurückkehrt, ist sie auf die komplexe politische Lage dort nicht vorbereitet. In ihrer Abwesenheit hatte ihr Halbbruder James (James McArdle) das Land regiert und war als Protestant vom Großteil des Volkes akzeptiert. Maria, selbst streng gläubige Katholikin, findet weder im Volk, noch in ihrem eigenen Kronrat entsprechenden Rückhalt. Außerdem predigt der Reformator John Knox (David Tennant) öffentlich gegen sie. Marias plötzliche Ehe mit Lord Darnley (Jack Lowden) findet nicht nur gegen ihre Berater statt, die einen Monarchen anderer europäischer Königshäuser bevorzugt hätte, sie erzürnt überdies Elisabeth I. (Margot Robbie), Königin von England, da Maria dadurch dem englischen Thron nähert rückt. Von Elisabeth unterstützt, regt sich in Schottland Widerstand gegen Maria, die zunehmend auf sich allein gestellt ist und nicht mehr abzuschätzen vermag, welcher ihrer Berater tatsächlich auf ihrer Seite steht …
Kritik:
Josie Rourkes Kostümdrama Maria Stuart, Königin von Schottland ist ein Film, der vollkommen zu Recht bei zahlreichen Preisverleihungen Berücksichtigung finden wird. Viele Aspekte sind atemberaubend. Doch ihrem eigentlichen Vorhaben wird die Filmemacherin in ihrem Regiedebüt nicht gerecht: Einen Film über Schottlands Königin zu erzählen. Ein ganzes Leben in ein zwei Stunden dauerndes Werk zu pressen wäre eine Herausforderung genug. Mit den zahlreichen Intrigen am schottischen und englischen Königshof, ist die Aufgabe vermutlich schlicht zu groß.
Im Zentrum der Erzählung steht die junge Königin von Schottland, die mit 18 Jahren und frisch verwitwet aus Frankreich zurückkehrt. Die ebenso bekannte Elisabeth I, Königin von England, spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn beide Schicksale eng miteinander verwoben sind. Aus diesem Grund tritt die kaum wiedererkennbare Margot Robbie nur sehr wenig in Erscheinung. Es ist das Jahr 1561. Die katholische Maria kehrt in ein Land zurück, das inzwischen mehrheitlich protestantisch geprägt ist. Ihre Akzeptanz als legitime Königin sowohl beim Volk als auch in ihrem Kronrat ist damit ohnehin niedrig, zumal sie ihren protestantischen Halbbruder, James Stewart, 1. Earl of Moray, als Interimsherrscher ablöst. Die Spannungen werden noch verstärkt, da sie die legitime Erbin des englischen Throns wäre und der Hofstaat um Königin Elisabeth fürchtet, Maria würde nach der Krone greifen. Dass königliche Intrigen und Komplotte ganze Bücher füllen können, beweist ein Blick in eine gut sortierte Buchhandlung. Mit erfolgreichen Fernsehserien wie Die Tudors [2007-2010] wurde der Werdegang mancher Monarchen in jüngerer Zeit auch salonfähig erzählt. Maria Stuart, Königin von Schottland ist zwar darum bemüht, die Verstrickungen am Hof soweit zu schildern, doch die Filmemacher verlieren dabei aus den Augen, Maria Stuart als Person zu definieren.
So kommt es, dass sie, obwohl sie am französischen Hof sicherlich mit allerlei Intrigen konfrontiert worden war, sie hier von den zahlreichen Komplotten gegen ihre Regentschaft – sowohl aus England als auch aus Schottland selbst heraus – vollkommen überrumpelt wird. Sie ist mehr Getriebene als Regierende und scheint zu keinem Zeitpunkt zu erahnen, wie das protestantische Volk zunehmend gegen sie aufbegehrt. Wäre sie schlicht naiv, könnte man dies sogar nachvollziehen, aber gleichzeitig versucht sie mit einer impulsiven Heirat zu Lord Darnley, die kinderlose britische Königin mit einem eigenen Kind und damit Thronfolger, auszubooten. Die politischen Ambitionen und Wirren sind überaus komplex und Maria selbst scheint alles andere als unerfahren.
Nur weshalb ist sie gleichzeitig bereit, für ihr privates Glück einer provokativen Ehe, mit ihrem eigenen Kronrat und ihrem Halbbruder zu brechen, sowie einen Bürgerkrieg zu riskieren? Was tatsächlich in ihr vorgeht, weshalb sie über lange Zeit so unnachgiebig und auf ihre Ziele fokussiert scheint, während sie sich schließlich in eine zweite Ehe drängen lässt, von der sie selbst erahnen musste, wohin sie führt, wird nie klar. Für einen Film mit dem Titel Maria Stuart, Königin von Schottland behält Regisseurin Josie Rourke eine erstaunliche Distanz zu ihrer Titelfigur.
Erst am Ende, wenn Maria und Elisabeth zum ersten Mal aufeinandertreffen, wird Maria greifbar charakterisiert, obwohl ihre Entscheidungen dadurch dennoch nicht nachvollziehbar werden. Die Szene ist das Highlight des Films, kommt jedoch (zu) spät. Es ist der Moment, in dem Margot Robbie am strahlendsten glänzen darf, kommt die innere Zerrissenheit zwischen Elisabeths Mitgefühl mit einer Regentin, deren Schicksal ihrem nicht unähnlich ist, und ihrer Pflichterfüllung dem englischen Thron gegenüber, hervorragend zum Ausdruck. Als Maria Stuart ist Saoirse Ronan ebenso hervorragend besetzt. Es ist eine so packende Darbietung, dass sie wenigstens eine Oscarnominierung rechtfertigt.
Auch die Kostüme beeindrucken, selbst wenn sie nicht die pompöse Ausdrucksstärke anderer Verfilmungen jener Epoche widerspiegeln. Die von der Regisseurin gewählte Optik ist im Grunde nicht minder fantastisch, wobei neben den natürlich ausgeleuchteten Gemächern der Königshäuser vor allem die malerisch-facettenreichen Landschaftsaufnahmen hervorstehen. Allerdings trüben die deutlich sichtbaren Nachzieheffekte der Digitalkamera merklich das epische Ambiente.
Fazit:
Königin Elisabeths Aussage, „Wie grausam Männer sind“, klingt eher einer politischen Botschaft der heutigen Zeit geschuldet, als der Figur selbst angemessen. Sie wie auch Maria Stuart werden als Frauen dargestellt, deren Handlungen von sie umgebenden Männer diktiert werden, während bei Maria nur mäßig angedeutet wird, sie hätte überhaupt Ambitionen auf politische Macht. Ob diese Opferrollen den Figuren angemessen sind, sei dahingestellt; eine historische Korrektheit sollte man dem Film ohnehin nicht unterstellen. Dafür gelingt es Filmemacherin Josie Rourke, den beiden tragenden Darstellerinnen eindrucksvolle Darbietungen zu entlocken. Margot Robbie ist auch unter der Maske eine Naturgewalt und Saoirse Ronan wie gewohnt schlicht fantastisch. Sie machen Maria Stuart, Königin von Schottland selbst dann sehenswert, wenn die oft zu oberflächliche Erzählung einen Einblick in die Figuren vermissen lässt und die dargestellten politischen Intrigen nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie auf Grund ihrer Tragweite an sich verdienen würden. Das ist angesichts des versammelten Talents zwar überraschend wenig mitreißend und damit auch etwas enttäuschend, aber es weckt zumindest das Interesse des Publikums an der Herrscherin Maria Stuart.