Flucht ins 23. Jahrhundert [1976]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. August 2010
Genre: Science Fiction / Thriller

Originaltitel: Logan's Run
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1976
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Michael Anderson
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Michael York, Richard Jordan, Jenny Agutter, Roscoe Lee Browne, Farrah Fawcett, Michael Anderson Jr., Peter Ustinov, Randolph Roberts, Lara Lindsay, Gary Morgan, Michelle Stacy, Laura Hippe


Kurzinhalt:
Logan (Michael York) ist ein Sandmann – er jagt Läufer, Menschen, die sich nicht zur Erneuerung melden, wenn ihre in der Handfläche angebrachte Lebensuhr nach 30 Jahren abgelaufen ist. So lange darf man als Mensch im Überfluss leben, in einer Kuppelstadt, die keinen Kontakt zur verwüstet geglaubten Außenwelt besitzt. Nachdem Kriege, Überbevölkerung und Umweltverschmutzung die Menschen in diese Stadt getrieben haben, wurde eine Lebensspanne von 30 Jahren festgelegt. Wer möchte, kann sich in einem Karussell genannten Ritual um eine Erneuerung bemühen. Wer versucht zu fliehen, wird von den Sandmännern gejagt.
Logan wird auserkoren, das Sanktuarium ausfindig zu machen, ein Zufluchtsort, an dem sich tausende Menschen aufhalten sollen, die von den Sandmännern nicht eingeschläfert wurden. Hierfür gibt er sich selbst als Läufer aus, und begibt sich mit Jessica (Jenny Agutter) auf die Flucht. Dabei muss er erkennen, dass nicht nur die Geschichten über die Außenwelt eine Lüge sind, sondern auch über das Leben in der Stadt. Der Sandmann Francis (Richard Jordan) begibt sich indes auf Jagd nach Logan und Jessica ...


Kritik:
Flucht ins 23. Jahrhundert ist ein klassischer Science Fiction-Film seiner Zeit, in dem die Zukunftsvision einer ewig jungen Zivilisation mit den gesellschaftskritischen Elementen des Drogenkonsums, der sexuellen Revolution und dem Verfall der moralischen Werte kombiniert werden. Was übrig bleibt ist ein bemühtes Werk, dessen größte Schwächen im zugrunde liegenden Roman zu finden sind, ebenso wie in der überspitzten Anschauungsweise der 1970er Jahre und den wenig charismatischen Darstellern.
Logan gehört in jener Gesellschaft, die in einer riesigen Kuppelstadt lebt, zu den Sandmännern. Das sind Menschen, die diejenigen einfangen, die sich bis zu ihrem 30. Lebensjahr nicht zum Karussell gemeldet haben. Im 23. Jahrhundert führen die Menschen ein Leben im Luxus, für alles ist gesorgt. Nur muss das Leben mit 30 enden. Wer sich die Chance auf eine Erneuerung offen halten möchte, kann sich zum Karussell melden, einem Auswahlverfahren, das täglich viele Zuschauer anlockt. Wer sich dem sicheren Ende entziehen will, wird als Läufer deklariert und von den Sandmännern gejagt. Logan glaubt an das System, immerhin hat er auch noch ein paar Jahre vor sich. Doch dann wird er auf eine gefährliche Mission geschickt, er soll das Sanktuarium ausfindig machen, einen sagenumwobenen Zufluchtsort, an den diejenigen fliehen, die den Sandmännern entkommen. Um in der Untergrundbewegung glaubhaft zu erscheinen, wird Logans Lebensuhr auf Null gesetzt.

Kenner der Romanvorlage werden feststellen, dass die Macher für die Verfilmung einige Kompromisse eingegangen sind. Zuerst wurde das Höchstalter der Menschen von 21 auf 30 Jahre erhöht, und auch Logans Motivation, das Sanktuarium zu finden ist eine andere. Manch gesellschaftskritisches Element des Buches wurde übernommen, Vieles abgewandelt und manches gar ganz weggelassen. Nur weshalb gerade die zweifelhaftesten Stellen beibehalten wurden ist unverständlich. Logans Flucht zusammen mit Jessica führt ihn über die Bauten unterhalb der Stadt zum frostigen Roboter-Menschen Box bis hin in die Außenwelt, die so zerstört gar nicht ist – nur verlassen. Was sie dort erwartet ist aber weder weltverändernd, noch ausgesprochen informativ, denn was mit dem Rest der Menschheit geschehen ist, wer die Kuppelstadt erbaut hat, wird nicht geklärt. Der Weg dorthin ist gespickt mit überzogener Gesellschaftskritik, die sich der Entstehungszeit des Films entsprechend aufdringlich gibt, anstatt mit subtilen Untertönen zu arbeiten. Die damals schockierend wirkenden Einstellungen im Liebesshop wirken aus heutiger Sicht ebenso angestaubt, wie die wenig plausible Figur Box und wäre es nicht um Peter Ustinov, dann würde auch der alte Mann nicht überzeugen. Logan's Run, so der treffende Originaltitel, versucht wie viele Filme in jener Zeit, eine Brücke zur Jetztzeit zu schlagen und versetzt die Figuren in der zweiten Hälfte in eine Umgebung – in diesem Fall Washington D.C. – wie man sie kennt, nur mit einigen auffälligen Änderungen. Dies regt zwar durchaus die Phantasie an, was denn geschehen sein mag, doch wird letztlich zu wenig geboten, um diese Vermutungen zu untermauern. Wie könnte es anders sein, machen sich Logan und Jessica schließlich auf, das grausame System zu stürzen und es ist wenig überraschend, wie dies gelingen soll. Auch hierbei unterscheidet sich der Film grundlegend von der Vorlage, doch erinnert die gesamte zweite Hälfte samt der Auflösung zu sehr an Die Zeitmaschine [1960], ohne aber so innovativ oder überraschend zu bleiben.
Größter Kritikpunkt ist die Besetzung, die von Michael York und Jenny Agutter angeführt, zu wenig Charisma bietet, um den ohnehin wenig sympathischen Figuren folgen zu wollen. Richard Jordan überzeugt immerhin als Bösewicht und auch Gastauftritte von bekannten Darstellern wie Farrah Fawcett wirken gelungen. Nichtsdestoweniger merkt man der Produktion die Zeit an, in der sie entstand und so wirkt das Schauspiel vieler Figuren überzeichnet. So vielzählig die Spezialeffekte auch sind, diejenigen der Außenwelt erscheinen glaubwürdiger als der Überblick über die Kuppelstadt und auch die Musik von Jerry Goldsmith kann ihren Ursprung in den 70ern nicht leugnen. Hier klingen aus heutiger Sicht die künstlichen Toneffekte in den Melodien schlicht antiquiert.
Sieht man sich im Vergleich zu Flucht ins 23. Jahrhundert beispielsweise Planet der Affen [1968] an, sieht man gerade aus heutiger Sicht sehr schnell, was ersterem zu einem Klassiker fehlt: neben einer zeitlosen Umsetzung eine Geschichte, die ohne dick aufzutragen ihre Botschaft transportiert und Darsteller, die in ihren Rollen aufgehen, anstatt sie nur spielen. Insofern ist bei Logan's Run dasselbe Potential zu erkennen wie auch bei der Romanvorlage. Leider bleibt es am Ende ebenso ungenutzt.


Fazit:
Dem Leben ein festes Ablaufdatum vorzugeben, scheint grausam, auch wenn es den Menschen bis dahin an nichts mangelt. Sie leben, als gebe es kein Morgen, nichts, wofür man sich rechtfertigen müsste. Doch die Ursprünge dieser Dystopie werden in Flucht ins 23. Jahrhundert nur unzureichend erforscht, der Zuschauer mit einem Gesellschaftsbild konfrontiert, das mitunter bizarr und nicht schlüssig erscheint. Gleichzeitig wird aber nicht erklärt, wie es dazu kam und wer überhaupt die Einhaltung dieser Regeln überwacht.
Die Romanverfilmung leidet trotz der starken Prämisse unter einer mangelnden Umsetzung, präsentiert Figuren, die zu wenig charismatisch sind, um zu fesseln und eine auf Schockmomente ausgelegte Welt, die aber nicht schockiert. Den Ursprung in den 1970er Jahren merkt man Logan's Run ebenso an wie die inkonsequente Fortführung der Geschichte. Hier bedient man sich bei Klassikern, ohne selbst daran anknüpfen zu können.