Ein Quantum Trost [2008]
Wertung: | Kritik von Jens Adrian | Hinzugefügt am 11. November 2008
Genre: Action / ThrillerOriginaltitel: Quantum of Solace
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Marc Forster
Musik: David Arnold
Darsteller: Daniel Craig, Olga Kurylenko, Mathieu Amalric, Judi Dench, Giancarlo Giannini, Gemma Arterton, Jeffrey Wright, David Harbour, Jesper Christensen, Anatole Taubman, Rory Kinnear, Tim Pigott-Smith, Joaquín Cosio, Fernando Guillén Cuervo
Kurzinhalt:
Beim Verhör zwischen Mr. White (Jesper Christensen), dem Geheimagenten James Bond (Daniel Craig) und dessen Vorgesetzten M (Judi Dench) wird klar, dass die Organisation hinter White über ungeahnte Mittel verfügt und weitrechender ist, als man je hätte vermuten können.
Bei seinen Nachforschungen stößt Bond auf die mysteriöse Camille (Olga Kurylenko), die jedoch ihre eigenen Pläne verfolgt, und Dominic Greene (Mathieu Amalric), der Spenden für Naturprojekte sammelt. Was auch immer er im Schilde führt, seine Aktionen scheinen vom CIA gebilligt zu sein, wie Felix Leiter (Jeffrey Wright) zähneknirschend zugeben muss. Doch Greene plant weiter als bis zum nächsten Staatsputsch und während Bond sein Verlangen nach Rache an jedem auslebt, der sich ihm in den Weg stellt, mobilisiert Greenes Organisation alle Kräfte, um ihr Ziel zu erreichen und Mitwisser wie Bond auszuschalten ...
Kritik:
"Bourne, James Bourne" – so hätte der berühmte Spruch lauten können, wenn er denn im Film enthalten wäre. Zwar wurde er gefilmt, aus dem ohnehin kurzen Werk aber wieder entfernt. Mit dem gedächtnislosen Agent Jason Bourne, der seinerseits bereits in drei überaus erfolgreichen Filmen zu sehen war, hat das neueste Abenteuer von 007 auch grundsätzlich mehr gemein, als mit klassischen James Bond-Filmen. Und auch wenn die Geschichte direkt an Casino Royale [2006] anschließt, in den zwei Jahren seither hat sich viel verändert. James Bond ist weniger im Geheimdienst unterwegs, als auf einer privaten Vendetta, die ihn nur zum Teil hinter die Machenschaften einer Organisation blicken lässt, dessen Ausmaß er nicht einmal erahnen kann.
Doch gibt er sich nicht nur erbarmungslos und kaltblütig, sondern auch weniger welt- und wortgewandt, als man dies gewohnt ist. Überlegtes Handeln ist einer Aggressivität gewichen, die erst dann abebbt, wenn bereits alle am Boden liegen. Dies klingt nicht unbedingt nach Bond, und genauso fühlt sich Ein Quantum Trost auch an.
Nachdem das erste fertige Drehbuch abgelehnt wurde blieben Autor Paul Haggis, der unter anderem durch Neal Purvis und Robert Wade unterstützt wurde nur wenige Wochen, ehe der Autorenstreik Hollywood lahmlegte. Das Drehbuch wurde innerhalb weniger Tage aus dem Boden gestampft, wobei diesmal hauptsächlich Haggis federführend war, der bei Casino Royale an sich eher für den Feinschliff verantwortlich zeichnete. Zudem ließ Regisseur Marc Forster täglich am Set Dialoge und Szenen umschreiben.
Womöglich ist dieser generelle Zeitdruck, dass beispielsweise erste Aufnahmen gemacht wurden, ehe Casino Royale veröffentlicht war, beziehungsweise ein Filmstart für Ein Quantum Trost festgesetzt, ehe auch nur das Drehbuch begonnen wurde, Grund dafür, dass die Geschichte zusammengeklaubt und doch zusammenhangslos wirkt. Ehe die Figuren den Machenschaften der "Quantum"-Organisation auf die Schliche kommen dauert es somit eine ganze Weile und selbst dann ergibt es nicht wirklich Sinn, was die Bösewichte um Dominic Greene geplant haben. Viel Zeit darüber nachzudenken bekommt man ohnehin nicht, immerhin wird die Geschichte bei einer Filmlänge von nur 100 Minuten im Schnelldurchlauf erzählt. Wo sich das Drehbuch bei Casino Royale Zeit nahm, die Figuren zu erforschen, ihnen Aufgaben zu geben und Bond erst über Umwege auf die Fährte der Organisation zu bringen, fährt der Agent hier von einem Winkel der Erde zum nächsten, tötet einen Verdächtigen und zieht dann weiter. Kein Wunder also ist man am Ende von Ein Quantum Trost genauso schlau wie vorher, nur dass merklich weniger Schurken übrig geblieben scheinen.
Dass den Autoren die Ideen auszugehen scheinen merkt man dabei nicht nur, wenn Szenen und Situationen aus Filmen wie der Bourne-Reihe übernommen werden, sondern wenn sich Bond auch selbst kopiert. Die Idee mit der "Oilfinger"-Szene scheint zwar ganz nett, aber letztlich unpassend. Ebenso wie das Finale unterdimensioniert wirkt und in Bezug auf Ausmaß und Länge nicht mit dem letzten Film mithalten kann. Überhaupt scheint es keinen rechten Spannungsaufbau zu geben, es ist also nicht so, dass mit der Zeit mehr auf dem Spiel steht, wenn Bond samt Camille den Kampf aufnehmen und auch die Gefahr für die Hauptfigur selbst scheint lediglich aus Kugeln zu bestehen. Unlösbare Rätsel oder überwältigenden Situationen steht der Agent nicht gegenüber.
Dadurch, dass all dies schnell erzählt wird, mit allenfalls zynischen Sprüchen kommentiert, um eine pseudo-politische Aussage erweitert und mit einigen netten Ideen erweitert, fallen diese Mängel während des Films nicht so sehr ins Gewicht, doch ist bereits die Drehbuchvorlage im Vergleich zum vorigen Film ein merklicher Rückschritt. Sowohl in Bezug auf Komplexität wie auch der Feinschliff der Umsetzung der Story.
Da es nicht wirklich schwer gewesen wäre, einen würdigen Nachfolger auf die Beine zu stellen, ist es umso ärgerlicher.
Dass sich auch der neue Film zu großen Teilen auf Daniel Craig stützen würde, war abzusehen. Doch dass es diesmal so schwer fallen würde, mit seiner Figur mitzufiebern, überrascht etwas. Die Figur James Bond besitzt diesmal nämlich keinerlei erstrebenswerten Eigenschaften, der Agent gibt sich gefühllos, von Rache getrieben und zu einem gewissen Grad auch ungerecht. Wenige Momente wie Mathis letzte Szene im Film oder die letzten Einstellungen zwischen Bond und M mögen hieran ein wenig rütteln, und als kühler Agent mag Craig auch einen von Wut und Zorn getriebenen Spion mimen, mit der bekannten Ikone James Bond hat dies jedoch nichts mehr zu tun. Wer darauf hoffte, dass die Macher nach Casino Royale nun die Brücke zu bekannten Elementen und Charakterzügen schlagen wollten, der irrt leider. Insofern macht Craig seine Sache zwar gut, auch wenn er im letzten Abenteuer mimisch mehr gefordert war, doch sympathisch macht dies seine Figur nicht.
Auch Olga Kurylenko scheint mimisch unterfordert, leistet aber gute Arbeit, um auch neben dem präsenten Craig bestehen zu können. Den Titel der einflussreichsten Frauenrolle im Film muss sie jedoch an Judi Dench abgeben, die sich sichtlich bemüht ihre Figur sowohl als besorgt, wie auch professionell zu gestalten. Ihr gelingt dies außerordentlich gut und man kann sich jemand anders für die Rolle auch nicht mehr vorstellen.
Giancarlo Giannini und Jeffrey Wright werden beiden zu wenig mit in die Geschichte eingebunden und man kann nur hoffen, dass sich dies in den kommenden Filmen ändert. Ebenso wie Jesper Christensen, der erneut nur eine kleine Rolle verkörpert. Mathieu Amalrics Figur wirkt zwar bedeutend weniger bedrohlich als Le Chiffre im letzten Film, doch verleiht er der Organisation "Quantum" ein erschreckend unauffälliges Gesicht. Auch er macht seine Sache gut, hätte aber wie Gemma Arterton stärker gefordert sein können.
Dass sich die Macher bezüglich der Darstellerauswahl nicht mit weniger als dem Besten zufrieden geben, ist löblich, doch sollte man den Akteuren auch entsprechende Drehbücher vorlegen, dass es sich für sie lohnt, zu Höchstleistungen aufzulaufen. So geben sich zwar alle Beteiligten motiviert, viel mehr müssen sie aber auch nicht zeigen.
Regisseur Marc Forster meinte in einem Interview, er habe kein an sich Interesse daran gehabt, einen Film um den Superagenten zu inszenieren. Vielleicht sieht man seiner Arbeit darum an, dass es ihm keinen wirklichen Spaß zu machen scheint. Von exotischen Landschaften wie den Bahamas ist man weit entfernt, in Ein Quantum Trost scheint nicht nur London unterkühlt, sondern so karg und lebensfeindlich hat man auch die Wüste selten gesehen.
Aber während der Regisseur darum bemüht ist, dem Film einen künstlerischen Touch zu verleihen (weswegen auch an sich gute Actionszenen mit bedeutungsschwangeren Passagen zwischen geschnitten werden, um ihnen mehr Ausdruckskraft zu verleihen), liegt das Hauptproblem einerseits bei Kameramann Roberto Schaefer, dem es nicht gelingt, die Action auch spannend umzusetzen, aber auch bei demjenigen, der für diese Momente überhaupt verantwortlich war.
Second Unit Director Dan Bradley war unter anderem bei Die Bourne Verschwörung [2004] und Das Bourne Ultimatum [2007] für diesen Posten zuständig und kleidete jene Reihe in düstere, verwackelte Bilder mit realistischen Actionszenen, die den Zuschauer direkt ins Geschehen versetzten. Weswegen den Produzenten von Quantum of Solace, so der Originaltitel des Films, daran gelegen ist, jene Agentenhatz stilistisch zu kopieren, anstatt die opulente Inszenierung von Casino Royale zu übernehmen, ist jedoch schleierhaft. Wackelige Einstellungen, ein zerlegter Aston Martin, den man gar nicht genießen kann, sowie Prügeleien und Verfolgungsjagden, die so unübersichtlich geraten sind, dass man gar nie weiß, wer sich wo befindet, zerstören den Film mitunter regelrecht. Wenn zwei im Anzug gekleidete Männer sich verfolgen und man sie ständig nur von hinten sieht, kann man als Zuschauer schon deswegen nicht mitfiebern, weil man nie weiß, wer sich wo befindet.
So ist die Eröffnungssequenz ebenso verschenkt wie die Flucht über die Dächer und auch die Bootsjagd hat man vor Jahren schon besser gesehen. Was den Machern dadurch gelingt ist allerdings, dass man Martin Campbell als Regisseur vermisst.
Man wird das Gefühl nicht los, die Macher hätten sich auf die Fahne geschrieben, "gut geklaut ist besser, als schlecht selber gemacht". Dies beginn leider auch schon beim Titelsong, der zwar das Bond-Thema aufgreift und auch Elemente von "Live and Let Die" aus der Feder von McCartney beinhaltet, dabei aber lediglich aus einigen hintereinander abgespulten Abschnitten besteht, denen keine gleichmäßige Melodie zugrunde liegt. Dies klingt zwar besser als Madonnas Geklimper zum vorletzten Film, ist jedoch meilenweit von Klassikern der Reihe entfernt und im besten Fall gewöhnungsbedürftig. Zeitlos ist es allerdings nicht.
Anders hingegen der Score von Bond-Veteran David Arnold, der sein möglichstes versucht, dem Film auch in den Actionmomenten eine Steigerung zuzuschreiben, die sich de facto nicht besitzen. Dass er in der Geschichte sehr wenige klassische Bond-Elemente erkennen kann, sieht man bereits daran, dass das bekannte Thema nur einige Male verwoben wird, aber nie ausgespielt. Der Score selbst überrascht hingegen durch neue Elemente und auch die aus Casino Royale bekannten Melodien, die hier an den richtigen Stellen erneut auftauchen. Auch die Action wird gut untermalt, wobei die Musik vielleicht ohne die Bilder sogar eine bessere Wirkung entfaltet, da man von den Schnitten nicht ständig abgelenkt wird. Arnold ist zu seinem Beitrag nur zu gratulieren und man darf hoffen, dass er der Reihe erhalten bleiben wird.
Dass Regisseur Marc Forster ein Talent für Optik besitzt, sei unbestritten. Für eine solche Art Film war er womöglich schlichtweg der falsche Regisseur. Gekoppelt mit Kämpfen und Verfolgungsjagden im Stile von Bourne oder einem Finale, das wie eine abgespeckte Version des Finalauftakts (!) aus Lizenz zum Töten [1989] wirkt, erscheint das nunmehr 22. James Bond Abenteuer nicht nur sein gewisses Etwas, sondern auch seinen Bezug zur Reihe verloren zu haben.
Zyniker könnten auch sagen, ein passenderer Filmtitel wäre "Ein Quantum Bond" gewesen. Denn viel verbindet den Film nicht mit der Agentenreihe. Es sei denn die Autoren lassen sich für den nächsten Film etwas einfallen, um die Geschichte logisch in eine Rahmenhandlung einzubetten. Wünschenswert wäre es, denn aufwändig war Ein Quantum Trost auf jeden Fall.
Fazit:
Nichts wäre wünschenswerter als eine mehrere Filme umspannende Geschichte in der Agentenreihe und auch dass Bonds Handlungen Auswirkungen auf seine Figur haben ist zu honorieren. Doch auf Grund der kurzen und unterentwickelten Geschichte, der aneinandergereihten Actionsequenzen und der fehlenden globalen Auswirkung des Vorhabens der Bösewichte scheint der Film schon inhaltlich ein klarer Rückschritt zum Vorgänger.
Vielmehr bekommt man das Gefühl, Ein Quantum Trost ist weniger eine Fortsetzung zu Casino Royale, wie ein Nachschlag, eine Erweiterung statt ein gleichwertiger Film. Dass Daniel Craig seine Sache gut macht, schmälert ein wenig das fehlende Talent des Regisseurs, wenn es um große Actionmomente geht. Und vielleicht ist gerade dies der große Unterschied zum Neustart des Franchise vor zwei Jahren: neben der ernsten Geschichte machen nicht einmal die Actionszenen Spaß. Und gerade dies hat Bond an sich immer von anderen Agentenabenteuern unterschieden.
Nach dem fulminanten Auftakt in Casino Royale ist Quantum of Solace schlicht und ergreifend eine Enttäuschung in vielerlei Hinsicht. Ein hektisch-rasanter Actionfilm mit hohem Produktionswert ist eben nicht zwangsläufig ein guter Bond-Film.