Der Biber [2011]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 05. Januar 2012
Genre: DramaOriginaltitel: The Beaver
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: USA / Vereinigte Arabische Emirate
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Jodie Foster
Musik: Marcelo Zarvos
Darsteller: Mel Gibson, Jodie Foster, Anton Yelchin, Riley Thomas Stewart, Jennifer Lawrence, Cherry Jones, Zachary Booth, Jeff Corbett, Baylen Thomas, Sam Breslin Wright, Kelly Coffield Park, Michael Rivera, Kris Arnold
Kurzinhalt:
Walter Black (Mel Gibson) hat alles, was man sich von einem erfüllten Leben erhoffen könnte. Seine Frau Meredith (Jodie Foster) liebt ihn aufrichtig, zumindest sein jüngster Sohn Henry (Riley Thomas Stewart) sieht zu ihm auf, während Teenager Porter (Anton Yelchin) wie nicht anders zu erwarten rebelliert. Die Leitung einer Spielzeugfabrik hat er von seinem Vater geerbt. Doch Walter ist depressiv. Das sogar so sehr, dass nicht nur seine Arbeit leidet, sondern auch seine Familie. Als er nur noch apathisch die Tage verstreichen lässt, sieht Meredith keine andere Möglichkeit und setzt ihn vor die Tür.
Erst, als er ganz unten angekommen ist, findet Walter einen Weg, mit seiner Situation umzugehen: Er beginnt seine Gedanken durch eine Handpuppe auszudrücken, einen Biber, der ihn nicht nur auffordert, aktiv zu werden und etwas zu tun, sondern den ganzen Kontakt mit Walters Umgebung übernimmt. Damit erzielt er zwar erstaunliche Erfolge, doch Porter, der sich für die Musterschülerin Norah (Jennifer Lawrence) interessiert, lehnt ihn noch vehementer ab. Als Meredith erkennt, dass der Biber für Walter keine Übergangslösung, sondern eine endgültige darstellt, stellt sie ihn abermals vor die Wahl. Für Walter ist es dabei kaum möglich, sich von dem Biber zu lösen, ohne dabei nicht auch sich selbst zu verlieren ...
Kritik:
Jodie Fosters beinahe schon heiteres Drama Der Biber erzählt von einem Familienvater, der so sehr in seine Depression verfällt, dass er nicht nur die Firma seines Vaters bis kurz vor den Ruin treibt, sondern ebenso seine Ehe – ganz zu schweigen davon, wie sich die Situation auf die beiden Kinder auswirkt. Als er soweit ist, sich selbst von seinem Elend zu erlösen, findet Walter Black in einer Handpuppe die Möglichkeit, was an Lebenswillen übrig geblieben ist, zu kanalisieren. Es obliegt Hauptdarsteller Mel Gibson, das Kunststück zu vollbringen, dass wir uns für das Schicksal eines erwachsenen Mannes interessieren, der mit seiner Außenwelt über einen Stoffbiber an seiner Hand kommuniziert. Informierte Zuschauer müssen dafür zuerst über die Person Gibson hinweg sehen können, der in den vergangenen Jahren mehr durch seine wenig rühmlichen Taten, denn durch seine Rollen in den Zeitungen vertreten war. Vielleicht ist Der Biber aber auch eine Chance für ihn, sich selbst vor der Kamera zu spielen.
Als Walter Black sich mit einer Karte vor seine Familie stellt und die Biberpuppe als therapeutisches Mittel präsentiert, sind diese ebenso überrascht, wie die Angestellten in seiner Spielzeugfirma. Dass es ihm gelingt, in beiden Bereichen das Ruder herumzureißen verblüfft noch mehr, zumal es zumindest für uns so aussieht, als wäre der Biber ein besserer Vater, als Walter es gewesen war, selbst wenn uns dazu der direkte Vergleich fehlt, da wir ihn nie vor seiner Depression gesehen haben. Durch den Biber ist er engagiert, kümmert sich um seinen jüngsten Sohn Henry und erobert sogar die Liebe seiner Frau Meredith zurück. Einzig sein jugendlicher Sohn Porter, der schon gegen seinen depressiven Vater rebellierte, nimmt den Biber nicht an. Porter bietet seinen Mitschülern gegen horrende Summen an, für sie zu benotende Arbeiten zu schreiben, wobei er es so klingen lässt, als stammten sie von den Schülern selbst. Als die Musterschülerin Norah ihn wegen der Abschlussrede engagieren will, zögert er – was sich daraus ergibt, ist jedoch vorhersehbar. Auch, dass der Punkt kommt, an dem die aufgefrischte Beziehung zwischen Walter und seiner Frau wieder zerbricht: Wer wollte nach einer Liebesnacht neben einem Biber einschlafen? Denn die Handpuppe begleitet Walter überall hin, in Meetings, zum Abendessen, selbst unter die Dusche, wofür sie am Ende deutlich besser aussieht, als man erwarten würde.
Die Konfrontationen sind vorprogrammiert, zwischen Walter und Meredith, zwischen dem Biber und Porter und in Walters Firma, nachdem sich der Biber in Interviews nicht sehr familienfreundlich geäußert hat. Diese Momente überzeugen uns auch, dass die Situation, die sich Walter geschaffen hat, nicht nur Sonnenschein parat hält. Denn im Biber findet sich nicht nur, was Walter besser mit seiner Umwelt agieren lässt, sondern auch, was ihn daran gehindert hat, von einem Balkon im zehnten Stock zu springen. Aller Überlebenswille und Egoismus, alle Selbstsucht, die sich in jener Handpuppe konzentriert hat, nimmt überhand, als die Menschen zunehmend den Biber ablehnen und Walter zurückverlangen. Zu sehen, wie es Walter quält, ein Gefangener seiner eigenen Erfindung zu sein, ist in manchen Szenen durchaus bewegend und von Mel Gibson sehr gut gespielt. Vielleicht empfinden wir auch so, weil wir ihn in der Rolle wiedererkennen. Walter Black hat nicht den Grund seiner Depression zur Bewältigung verpackt, sondern seine Persönlichkeit. Die zu befreien erfordert Opfer, die beinahe zu groß für ihn sein könnten. Was dies für seine Frau bedeutet bringt Jodie Foster ebenso gekonnt zum Ausdruck und dass uns die Geschichte der Jugendlichen interessiert verdankt Der Biber Anton Yelchin und Jennifer Lawrence, die den Charakteren überzeugend Leben einhauchen.
Für Regisseurin Foster ist es mit Sicherheit nicht einfach gewesen, Unterstützung für eine solche Geschichte zu gewinnen. Dass sie Gibson hier die Möglichkeit bietet, in einer so ungewöhnlichen Rolle zu brillieren, ist vermutlich mehr für ihn ein Gewinn. Der Biber ist von allen Beteiligten hervorragend gespielt und in den Momenten, in denen Walters Zerrissenheit angesichts der Dominanz des Bibers durchblitzt durchaus ergreifend. Auch, wenn die Belastung für seine Familie deutlich wird. Nur liegen diese Szenen weit auseinander und werden dazwischen eher schleppend zusammengehalten. Für Kenner von Mel Gibson oder Jodie Foster ist das interessant. Für alle anderen vermutlich eher weniger.
Fazit:
Es scheint eine absurde Situation, einen Mann, der mit beiden Beinen im Leben stehen sollte, durch einen nicht sehr charmant aussehenden Biber an der linken Hand mit seiner Familie und sogar vollkommen fremden Menschen sprechen zu sehen. Dadurch zieht Der Biber amüsante Momente aus einem eigentlich nicht witzigen Dilemma. Die sind sicherlich notwendig, überwiegen jedoch, obwohl wir bemerken, dass die Lösung, die Walter Black für seine Depressionen gefunden hat, keine wirkliche Besserung für das Problem bedeutet, sondern lediglich die Symptome unterdrückt.
Weswegen er in Depressionen verfällt wird nie geklärt. Es ist auch nicht wichtig. Wir glauben es insbesondere Mel Gibson, dass er darunter leidet, und auch, dass die Handpuppe ihm eine Möglichkeit bietet, trotzdem weiterzumachen. Sein Leid wird dadurch zwar geschmälert, aber nicht aufgehoben. Doch so gelungen die Darsteller in Jodie Fosters Drama durchweg sind, und so packend manche Momente, auf die eineinhalb Stunden gesehen ist dies einfach zu wenig und die Charaktere zu vorhersehbar, als dass der Film über sein schwer greifbares Potential hinauswachsen könnte.