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Um jedermanns Gunst fürs eigene Überleben
Treffpunkt: Kritik Jetzt ist es also beschlossene Sache, unaufhaltsam rückt der erste August näher. Ab dann darf in Bayern wieder an mehr Orten geraucht werden. Interviews wurden nach Bekanntwerden der ohnehin absehbaren Entscheidung gefällt, Experten der Regierungsparteien CSU und FDP eingeladen, um das angeblich zum einfacheren verkomplizierte Gesetz zu erklären.
Jetzt soll es also Chancengleichheit geben. Kleinere Gaststätten dürfen ihren Gästen das Qualmen wieder erlauben und können sich Gewürze einsparen, da die abgetöteten Geschmacksnerven ohnehin nicht mehr viel wahrnehmen können, und die Nichtraucher dürfen sich freuen, dass sie sich über die Kaugummireste unter den Schuhen nicht mehr so oft aufregen müssen: Sie sind unter den Kippenstummeln ohnehin schwerer zu erkennen.
Doch wer sind dann eigentlich die Verlierer der Regelung? Und wie kommt es, dass die Drogenbeauftragten der Länder sich permanent über den Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen entrüsten, nicht jedoch bei Erwachsenen oder beim Rauchen allgemein?
Kaum jemand in der Politik hält sich zurück, wenn man fragt, mit welcher Begründung das Nichtraucherschutzgesetz in Bayern gelockert werden musste. Im Gegenteil, die populistischen Parteimitglieder in anderen Bundesländern wittern ihre Chance und fordern das eigene Bundsland auf, sich dem bayerischen Vorbild anzuschließen. Die Gastwirte hatten unerträgliche Einbußen zu verbuchen, heißt es, und, und, und ... es gab sicherlich noch mehr Gründe, auch wenn niemandem einer einfällt. Weswegen sich das Rauchverbot in Ländern wie Irland, den USA oder in Italien ohne Schwierigkeiten durchsetzen lässt, wir Deutschen aber aus jedem Schnupfen gleich eine Schweinegrippe machen müssen, verstehe wer will.

Rauchen ist gesundheitsschädlich.

Das wird einem immer wieder eingebläut und steht sogar auf den Packungen schon drauf. In Zigaretten werden süchtig machende Stoffe verarbeitet, der Teer und das Nikotin schädigen nicht nur den Körper, sondern auch das Nervensystem und führen zu einem erhöhten Krebsrisiko. Und das nicht nur bei den Rauchern, sondern insbesondere bei den Nichtrauchern, sowie Kindern und Haustieren. Also wieso wird der Tabakkonsum nicht konsequent verboten? Und wieso muss man sich als Gast einer Wirtschaft im Zweifel einnebeln lassen, wenn man sich doch nur unterhalten und Zeit verbringen möchte? Nicht nur, dass die Faktoren, die gegen das Rauchen sprechen, hinlänglich bekannt sind, als Nichtraucher hat man nicht einmal die Möglichkeit, sich davor zu schützen. Sobald man einen Fuß vor die Türe setzt, oder im Mietshaus das Fenster öffnet, schlägt einem von irgendeiner Seite blauer Dunst ins Gesicht. Eine Wahl, ob man das möchte, oder nicht, hat man nicht. Und auch in jedem Lokal muss man fortan wieder fragen, ob hier denn geraucht werden darf, oder nicht. Die Kennzeichnung mit den Raucherclubs war diesbezüglich bedeutend offensichtlicher und leichter verständlich.
Dass Horst Seehofer als ehemaliger Gesundheitsminister (!) dafür sorgt, dass mehr Menschen an mehr Orten rauchen dürfen hat doch einen ganz anderen Grund, und es ist derselbe, weswegen viele anderen Parteien sich betont dafür aussprechen. Man begreift insbesondere bei der CSU das Wahlergebnis der letzten Landtagswahl als Ohrfeige der Raucher, dass man vom freistaatlichen Diktatoriat im Stich gelassen wurde. Im Wahljahr 2009 möchte man sich die größtmögliche Zahl an Wählerstimmen sichern und würde am liebsten das Rauchen für Vorschulkinder erlauben, wenn diese denn wahlberechtigt wären. Der zweite Grund, weswegen die Politiker sich plötzlich und so vehement für die Raucher einsetzen (man bedenke, dass eben dieselben Personen dafür verantwortlich waren, dass das Nichtraucherschutzgesetz seinen Namen auch verdient hatte), liegt wohl eher darin begründet, dass der Wahlkampf finanziert werden muss. Leider stellt keine Tageszeitung, keine Nachrichtenredaktion, keine politische Talkshow oder Radiosendung die ganz einfache und offensichtliche Frage, wie viel Geld die verschiedensten Vertreter der Tabakindustrie den Parteien denn in die Spendentasche schieben – und ob dieser Betrag heuer höher ist, als vor vier Jahren. Immerhin hatte man zuerst mit dem Verbot und dann mit dem erneuten Aufweichen desselben auch ein ordentliches Druckmittel gegenüber der Industrie, ohne die sich keine Partei und keine Regierung an der Macht halten könnte.

An demselben Problem hinkt auch die nicht enden wollende Diskussion um den Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen, der bei Erwachsenen übrigens nicht niedriger ist, sondern dort lediglich toleriert wird. Da wird ernsthaft diskutiert, ob es angebracht wäre, ein Schulfach "Lebensführung" zum Thema einzuführen.
Wir erinnern uns, wie gut dies bei den ungewollten Schwangerschaften unter Jugendlichen funktioniert hat und als wie ignorant sich Probanden bei den einfachsten Fragen heute noch entpuppen.
In Bayern speziell wäre es zweifelsohne ein richtiger Ansatz, Bier schlichtweg nicht in dem Maße zu verharmlosen und zu glorifizieren, wie es derzeit der Fall ist. Bier ist ja bekanntermaßen kein alkoholisches Getränk, sondern es löscht den Durst. Darum darf Bier auch im Fernsehen beworben werden, darum prangern überall Plakate mit den neuesten, "soften" Biermischungen, durch die sich Jugendliche besonders sanft an den Alkoholrausch gewöhnen können. Morgens um 6:00 Uhr, kurz vor und kurz nach den Nachrichten kommt ein Radiospot vom "Franziskaner Weißbier", oder "Paulaner" oder sonst irgendwem. Die Familiengaudi des Sautrogrennens wird ebenfalls von "Erdinger Weißbier" veranstaltet, denn Bier gehört dazu zur Familie. Ein Bayer, der am Abend nicht mindestens eine Flache Bier getrunken hat, ist vermutlich nur ein eingeschleppter Schwabe! Im Fernsehen wird die Kindersendung von "Wodka Gorbatschow" präsentiert – na dann Vashe zdorovie!
Glaubt denn dabei allen Ernstes jemand, dass ein 16-Jähriger, der sich nach 45 Tequilas in den Tod gesoffen hat, seine Trinkerkarriere mit Tequila begann? Gerade Bier bietet einen irrsinnig leichten Einstieg, weil man seine Wirkung nicht sofort zu spüren bekommt, es konsequent verharmlost wird und die dennoch süchtig machende Wirkung von Alkohol entfaltet.

Doch daran darf man in unserem Land nicht rütteln, in Deutschland nicht, in Bayern nicht und im Wahljahr schon gleich zweimal nicht. Denn wie bei den Zigaretten auch gibt es viel zu viele Konsumenten, die man gerade damit im Griff zu haben glaubt. Dabei üben die Konsumenten bedeutend mehr Druck auf die Regierenden aus.
Von der Industrie ganz zu schweigen, die weiß, dass sie mit ihren Mitteln die Massen in gewissem Sinne ruhig hält – und gleichzeitig Unmengen Geld verdient, von dem ein Bruchteil den Regierenden helfen wird, ihr Machtpositionen zu behalten.
Solange dieser Zustand anhält, braucht man sich nicht wundern, wenn jährlich zig Jugendliche im Vollrausch abtreten oder Lungenkrebs Platz zwei bei den häufigsten Krebsarten belegt. Diese Zahlen werden sowohl von der Industrie, wie von den Regierenden doch billigend in Kauf genommen für die Vorteile, die sie aus dem derzeitigen Arrangement erhalten. Würde ein komplettes und striktes Rauchverbot in der Gastronomie, wie die EU es fordert, diesen Umstand verbessern? Vermutlich. Aber, die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt, denn in Sachen Rauchverbot wird – das steht jetzt schon fest – bis in zwei Jahren von der EU erneut entschieden. Dann dürfen sich die Politiker erneut in der Kamera brüsten, auf wessen Seite sie sich schlagen wollen – Wahlkampf ist dann ja wieder einmal. Der ist in Deutschland immer irgendwo.
Und auch Alkoholmissbrauch wird dann immer noch ein Wahlkampfthema sein, sonst müssten sich alle regierungswilligen Parteien in der Tat einmal vernünftige Punkte für ihr Wahlprogramm überlegen, anstatt über Missstände zu diskutieren, deren Beseitigung sie ja stets selbst blockieren.
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