28 Years Later [2025]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Juni 2025
Genre: Horror

Originaltitel: 28 Years Later
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren

Regie: Danny Boyle
Musik: Young Fathers
Besetzung: Jodie Comer, Aaron Taylor-Johnson, Alfie Williams, Ralph Fiennes, Jack O’Connell, Erin Kellyman, Edvin Ryding, Chi Lewis-Parry, Emma Laird


Kurzinhalt:

Beinahe drei Jahrzehnte sind vergangen, seit ein verheerendes Virus in Großbritannien ausgebrochen ist und die Bevölkerung dahingerafft hat. Die Infizierten werden rasend vor Wut und greifen alle in ihrer Umgebung an. Dabei reichen Sekunden, um sich zu infizieren. Inzwischen ist das Virus im Rest der Welt eingedämmt, Großbritannien ist eine große Quarantänezone. Niemand, der einen Fuß auf darauf setzt, darf es wieder zurück und die Überlebenden sind dort sich selbst überlassen. Es haben sich Gemeinschaften gebildet, wie diejenigen, in der der zwölfjährige Spike (Alfie Williams) mit seinen Eltern Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und Isla (Jodie Comer) wohnt. Nachdem sein Vater ihm auf dem englischen Festland erfolgreich das Jagen und Töten von Infizierten beigebracht hat, bringt Spike seine Mutter Isla, die unter wiederkehrenden, stets schlimmer werdenden Verwirrungen leidet, auf das Festland, um dort den Arzt Dr. Kelson (Ralph Fiennes) aufzusuchen, auf dass dieser seiner Mutter hilft. Doch der Weg führt sie tief in ein von Infizierten übersätes Gebiet und die blutrünstigen Kreaturen scheinen weiter entwickelt, als Spike sich vorgestellt hat. Und sie sind nicht die einzige Gefahr …


Kritik:
28 Years Later ist nicht nur der lang erwartete dritte Teil des Franchise, das Filmemacher Danny Boyle selbst vor mehr als zwei Jahrzehnten mit 28 Days Later [2002] begann. Der düstere Endzeit-Horrorfilm soll gleichzeitig der Auftakt einer neuen Trilogie sein. Genau das merkt man der Erzählung auch durchweg an, die zwar eine große Welt vorstellt, deren Tür in den letzten Minuten derart weit aufgestoßen wird, dass der Beginn des nächsten Teils beinahe schon zu sehen ist. Aber es gelingt der Geschichte kaum, Figuren zu entwickeln, die einen mitreißen würden. Das mag auch daran liegen, dass eine andere Person im Zentrum der Story steht, als man in Anbetracht der namhaften Besetzung erwarten würde.

Nach einem Auftakt, der den Ausbruch des „Wut-Virus“ aus der Perspektive völlig verängstigter Kinder zeigt, springt die Erzählung 28 Jahre nach vorn. Während das Virus auf dem europäischen Festland eingedämmt werden konnte, ist ganz Großbritannien eine Quarantänezone. Wer die Insel betritt, darf sie nie wieder verlassen. Diejenigen, die das Virus dort bislang überlebt haben, sind auf sich gestellt. Auf der vor der Nordostküste Englands gelegenen Insel „Holy Island“, auch bekannt als Lindisfarne, hat sich eine Gemeinschaft abgeschottet. Die Aufgaben im Dorf sind klar verteilt, der Damm, der die Insel mit England verbindet, ist nur bei Ebbe passierbar und wird stark bewacht. Für den zwölfjährigen Spike ist es ein besonderer Tag, als sein Vater Jamie ihn zum ersten Mal auf das englische Festland mitnimmt. Dort soll Spike Jagen lernen – und vor allem Töten. Denn so schwer es ihm fallen mag, es über sich zu bringen, eine der infizierten Kreaturen zu töten, je mehr er tötet, umso leichter wird es werden. Doch auf dem englischen Festland sind die überlebenden Menschen mitunter eine genauso große Gefahr und es hat beinahe den Anschein, als würden sich die blutrünstigen, der Raserei verfallenen Infizierten weiterentwickeln.

Mit der Vorstellung dieser Welt, die das Publikum durch Spikes Augen entdeckt, eignet sich 28 Years Later gleichermaßen für ein Publikum, das mit den ersten Filmen vertraut ist, wie auch für eines, das zum ersten Mal mit dem düsteren Horror in Berührung kommt. Doch ist der Initiationsritus, den Spike durchläuft, nur die halbe Geschichte. Die zweite Hälfte dreht sich um Spikes kranke Mutter Isla, die immer wieder stark verwirrt und desorientiert ist. Um ihr zu helfen, fasst Spike den Plan, mit ihr einen Arzt aufzusuchen, und muss dafür tief in unbekanntes Gebiet auf dem Festland vordringen. Spike, das sollte insoweit schon deutlich geworden sein, ist die Hauptfigur der Erzählung und die Auftritte der bekannten Besetzung mitunter sogar merklich kurz. Das wäre auch nicht dramatisch, doch mit den unterschiedlichen Zielen, die die Charaktere verfolgen, wirkt die Geschichte spürbar episodenhaft, was am Ende dazu führt, dass zwar die Storystränge für sich abgeschlossen sein mögen, aber der Film insgesamt doch nicht zu Ende erzählt erscheint.

Der Eindruck verstärkt sich auch dadurch, dass Elemente, die der Geschichte eine tiefere Bedeutung verleihen würden, nur angerissen, aber nicht vertieft werden. Scheint Jamie zu Beginn geradezu Spaß am Töten der Infizierten zu finden und die Menschen auf Holy Island eine unmenschlich strikte Politik zu verfolgen, dass wer auf dem Festland verloren geht, nicht gesucht werden darf, muss man sich doch fragen, ob die Infizierten, die eine soziale Struktur erkennen lassen, nicht am Ende die moralisch weniger verwerflichen Wesen sind. Die letzten Minuten unterstreichen dies noch. Aber diesen Ansatz will 28 Years Later nicht entwickeln, sondern präsentiert stattdessen Spikes Entwicklung, während andere Figuren letztlich nur zurückgelassen werden, ohne dass es einen Abschluss für sie gibt. Das mag man während der Laufzeit kaum bemerken, da die Welt in 28 Years Later mit der Natur, die sich die Landschaft in Großbritannien zurückerobert hat, mit den unterschiedlichen Arten von Infizierten oder den Gemeinschaften mit ihrer jeweils eigenen Dynamik durchaus interessant ist. Selbst dann, wenn die Trostlosigkeit die Frage beinahe zu verdrängen scheint, wofür man ohne einen Funken Hoffnung überhaupt ums eigene Überleben kämpfen sollte.

Filmemacher Danny Boyle, dessen dokumentarischer Stil in 28 Days Later zusammen mit der damaligen Videotechnik dafür sorgt, dass man die Bilder kaum auf modernen Bildschirmen anschauen mag, findet auch bei 28 Years Later einen eigenen Stil und fängt das Geschehen überwiegend mit Apples iPhone 15 Pro Max ein. Das Ergebnis ist weniger gewöhnungsbedürftig als vor beinahe 25 Jahren, aber auch aufgrund der oftmals aufdringlichen Musik nichtsdestoweniger irritierend. Zum einen erscheinen die Farben der grünen Wiesen und Bäume oftmals stark überzeichnet, als würde man sich Fotos mit einem lebhaften Farbfilter ansehen. Zum anderen ändern sich die Farben teilweise von Schnitt zu Schnitt innerhalb derselben Szene. Vor allem aber ist die Aufnahmequalität nicht durchgehend stabil. Manche Einstellungen erscheinen grobkörnig, andere wieder weichgezeichnet, wieder andere glatt und scharf. In wieder anderen, insbesondere am Lagerfeuer, hat man den Eindruck, die Auflösung der Gesichter wäre viel zu niedrig, sind grob und konturlos, würden sich aber auf einem stillstehenden Pergament bewegen.

Die Uneinheitlichkeit macht es dabei merklich schwer, sich auf das Gezeigte zu konzentrieren, was in Anbetracht der dargestellten Brutalität – bei der man meinen könnte, die Verantwortlichen haben zu viele Filme des Predator-Franchise gesehen und die bei den Tötungen oftmals mit ganz kurzen Standbildern noch länger festgehalten wird – nicht unbedingt negativ sein muss. Dennoch beweisen sie ein Gespür dafür, diese Welt größer zu zeichnen, als sie bisher gezeigt wurde und die Besetzung, von der Alfie Williams am meisten hervorsticht, neben Ralph Fiennes und Jodie Comer, entschädigt für Vieles. Man kann nur hoffen, dass die geplanten Fortsetzungen hierauf auch tatsächlich aufbauen, anstatt sich erneut mit der Neuerfindung dieser verheerenden Endzeitvision zu beschäftigen.


Fazit:
Dass Drehbuchautor Alex Garland nicht einfach die Idee des einflussreichen ersten Films der Reihe wiederholt, sieht man nicht nur an der geänderten Ausgangslage. Vielmehr sind es die Entwicklungen, sowohl innerhalb der menschlichen Gesellschaft als auch bei den Infizierten, die unterstreichen, wie viel Zeit seitdem vergangen ist. So weit, dass es schwer wird zu unterscheiden, wer die Gewalttätigeren sind, geht die Geschichte zwar nicht, aber es würde nicht überraschen, wenn die geplante Fortsetzung dies ausleuchtet. Ein paar Ideen sind vollkommen überraschend und erschreckend zugleich, während der Horror aber oftmals nach vorhersehbarem Muster präsentiert wird. Fans der ersten beiden Filme werden sich hier ebenso zurechtfinden, wie diejenigen, die neu in das hoffnungslos erscheinende Endzeit-Franchise einsteigen. Sichtbar aufwändig umgesetzt und dank einer guten Besetzung gelingt es 28 Years Later, mit spannenden Abschnitten eine Welt vorzustellen, die so groß erscheint, dass es sich lohnt, sie weiter zu erkunden. Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen letztendlich auf eine Auflösung hinarbeiten, so dass sich das offen gehaltene Ende hier auch lohnt.