Lilo & Stitch [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. Mai 2025
Genre: Science Fiction / Komödie
Originaltitel: Lilo & Stitch
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Dean Fleischer Camp
Musik: Dan Romer
Besetzung: Chris Sanders (Stimme), Maia Kealoha, Sydney Elizebeth Agudong, Zach Galifianakis, Billy Magnussen, Kaipo Dudoit, Tia Carrere, Courtney B. Vance, Hannah Waddingham (Stimme), Amy Hill, Jason Scott Lee
Kurzinhalt:
Experiment 626 (Chris Sanders), das von Dr. Jumba Jookiba (Zach Galifianakis) erschaffen wurde, mag putzig aussehen mit seinen vier Armen, den großen Ohren und den beiden Fühlern, doch das blaupelzige Wesen ist hochgradig gefährlich, weswegen die Ratsvorsitzende (Hannah Waddingham) der Föderation entscheidet, die Kreatur ins Exil zu entsenden. Doch die beinahe unzerstörbare Kreatur, die eine Spur der Verwüstung nach sich zieht, kann mit einem Raumschiff fliehen und stürzt auf der Erde ab. Dort sollen es Dr. Jookiba und Pleakley (Billy Magnussen) finden, die sich als Menschen tarnen, um nicht aufzufallen. Aber sie kommen zu spät, die Kreatur wurde bereits von der sechsjährigen Waise Lilo (Maia Kealoha) in einem Tierheim entdeckt und „Stitch“ getauft. Lilo, die bei ihrer Schwester Nani (Sydney Elizebeth Agudong) aufwächst, ist einsam und wünscht sich sehnlichst einen Freund. Aber es sind nicht nur die beiden Aliens Stitch auf den Fersen, sondern auch CIA-Agent Cobra Bubbles (Courtney B. Vance). Je mehr Zeit Stitch bei Lilo und Nani verbringt, umso mehr beginnt er zu verstehen, was sie meinen, wenn sie sagen, sie seien eine „Familie“. Dinge zu zerstören, wurde Stitch jedoch in die Wiege gelegt und so wirbelt er nicht nur das Leben der beiden Schwestern durcheinander, sondern sorgt womöglich dafür, dass Nani das Sorgerecht für Lilo verliert …
Kritik:
Die Realverfilmung von Disneys lange Zeit übersehenem, modernem Zeichentrickklassiker Lilo & Stitch zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie wichtig es ist, dass Filmschaffende eine Geschichte für unterschiedliche Medien anpassen und, dass sich bestimmte Elemente zwar übertragen lassen, dann aber kaum mehr funktionieren. Das Ergebnis ist ein Film, der starke eigenständige Ansätze aufweist und am Ende doch zu sehr der Vorlage verhaftet ist. Dem Zielpublikum mag das weniger auffallen, schade ist es dennoch.
Die Geschichte orientiert sich stark an der Zeichentrickvorlage und bereits mit seinem ersten Auftritt hat der knuffige Alien Stitch die Herzen des Publikums erobert. An sich bekannt als „Experiment 626“, ist Stitch ein außerirdisches Wesen, das von dem Wissenschaftler Dr. Jumba Jookiba als Waffe konzipiert wurde. Weil der knuddelige, an einen blauen Koalabären erinnernde Alien so gefährlich ist, wird entschieden, ihn ins Exil zu entsenden. Doch ihm gelingt die Flucht, bis sein Raumschiff auf der Erde auf Hawaii abstürzt. Noch zuvor hinterlässt er eine Spur der Zerstörung, die auch nicht kleiner wird, wenn die sechsjährige Lilo ihn aus einem Tierheim adoptiert. Zwar wächst Lilo nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrer Schwester Nani auf, doch sie fühlt sich einsam und wünscht sich nichts mehr als einen Freund. Den glaubt sie, in Stitch gefunden zu haben, nicht ahnend, welche Zerstörung das kleine Wesen mit sich bringt. Der schmiegt sich anfangs auch nur an Lilo, da nicht nur Dr. Jookiba, sondern auch das außerirdische Wesen Pleakley auf die Erde entsandt wurden, um ihn gefangen zu nehmen.
So leicht es für die Figur Stitch ist, Zuschauerinnen und Zuschauer aller Altersklassen mit seinen riesigen Augen und seinem frechen Grinsen für sich zu gewinnen, so überraschend ist, wie gut das den beiden menschlichen Hauptfiguren gelingt. Lilo und Nani haben kürzlich ihre Eltern verloren und stehen vor dem Scherbenhaufen, der einst ihr Leben war. Was sie verloren haben, hat Stitch gar nie gekannt – „Ohana“, wie man auf Hawaiianisch sagt, Familie (einfach ausgedrückt). Wie sehr sie mit der Situation zu kämpfen haben, ist Lilo und Nani anzusehen. Erstere kapselt sich ab und wird dafür, dass sie mitunter in ihren Gedanken lebt, von anderen Kindern gehänselt. Nani hat Mühe, über die Runden zu kommen und, um für ihre kleine Schwester zu sorgen, sogar ihren Studienplatz aufgegeben. Doch der Spagat zwischen Schwester und Mutterfigur gelingt ihr kaum. Dass sie wegen Stitch ihre Arbeit verliert und deshalb droht, die Vorgaben des Jugendamtes nicht zu erfüllen, macht die Situation nur noch schwieriger.
Tatsächlich sind es diese Momente in Lilo & Stitch, die merklich berühren. Wie beide Schwestern miteinander umgehen, wechselseitig versuchen, mit ihrer neuen Realität klarzukommen und die andere Person dabei mitunter verletzen, ohne dass sie dies wollen, geht ans Herz. Mehr noch, als wenn Stitch lernt, was Familie wirklich bedeutet, oder dass er nicht böse ist, selbst wenn er manchmal schlimme Dinge tut. Aber während die Balance der lustigen und ernsten Teile der Geschichte in der Vorlage toll gelungen ist, will sich die bei Dean Fleischer Camps Adaption nicht einstellen. Das mag auch daran liegen, dass das Drehbuch den menschlichen Aspekt greifbar und realistisch gestaltet, neben den allgemeinen Auflagen des Jugendamts werden Details eingestreut, wie dass sich Nani um eine Krankenversicherung für sich und Lilo bemühen muss, wohingegen der Humor ebenso überzeichnet ist, wie im Zeichentrickfilm. Und das nicht nur bei Stitch selbst, sondern auch den beiden Aliens Dr. Jookiba und Pleakley, die sich in Menschengestalt auf die Suche nach Stitch machen. Die slapstickartigen Aspekte werden ein ganz junges Publikum vermutlich freuen, aber die Szenen sind in dem, was geschieht, derart absehbar und überdies comichaft albern, dass ältere Zuschauerinnen und Zuschauer kaum eine Miene verziehen werden. Dass mit CIA-Agent Cobra Bubbles eine weitere Figur nach Stitch Ausschau hält, die sich gleichermaßen unnatürlich verhält, verstärkt den kaum greifbaren Gesamteindruck noch.
Hinzu kommt, dass Regisseur Fleischer nicht ansatzweise das Potential nutzt, das vor ihm liegt. 20 Minuten länger als die Vorlage, streut der Filmemacher zwar zusätzliche Szenen ein, aber selbst der Auftakt, wenn Stitch nach seiner Ankunft auf der Erde eine Hochzeitsgesellschaft heimsucht, ist nicht mit einem sinnvollen Szenenaufbau präsentiert, sondern lediglich um schnelle Gags mit lustigen Bildern bemüht. Keine einzige Sequenz, weder, wenn Stitch mit Lilo und Nani surft und von seinen Verfolgern ins Visier genommen wird, noch das Finale selbst ist sinnvoll aufgebaut, sondern vielmehr gehetzt präsentiert, als wären die Verantwortlichen darauf aus, möglichst schnell wieder zu einem Moment zu kommen, in dem Stitch etwas Lustiges tut. Immerhin hat es eine prominent-aufdringliche Produktplatzierung in den Film geschafft. Nur kann die Erzählung von Lilo & Stitch kaum mitreißen, auch wenn was geschieht, durchaus unterhält. Das hat der Verfilmung jedoch überwiegend zwei Aspekten zu verdanken: dem knuddeligen Alien selbst, das toll getroffen ist, und der Dynamik der beiden Schwestern. Es ist bedauerlich, dass der Rest dem nicht das Wasser reichen kann.
Fazit:
Seien es Stitch und seine Katastrophen, oder die von Maia Kealoha liebenswert und stark verkörperte Lilo, es fällt leicht, sich schon zu Beginn in der Realverfilmung von Disneys Zeichentrickklassiker wohl zu fühlen. Dabei mag man in den ersten Minuten noch glauben, es handelt sich um ein Animationsfilmremake, da die Szenen der Aliens am Anfang vollkommen künstlich aussehen. Spätestens, wenn zwei von ihnen Stitch auf der Erde ins Visier nehmen, driftet der Humor spürbar ins Alberne ab. Als Zeichentrickabenteuer funktioniert das, in der Wirklichkeit aber leider nicht. Vor allem passt das mit der ernsten Grundgeschichte, die stellenweise tieftraurig ist, nicht zusammen. Die vielen Dialoge, die gesprochen werden, ohne dass die Gesichter zu sehen sind, lassen erahnen, dass hier nachträglich am Feinschliff gewerkelt wurde. Die berührenden, menschlichen Momente zwischen den Schwestern sind dennoch überaus gelungen und zeichnen Dean Fleischer Camps Film dank der starken Besetzung in beiden Rollen merklich aus. Nichtsdestotrotz fehlt seiner Umsetzung von Lilo & Stitch ein Gespür für Timing, was sich nicht nur in einem fehlplatziert erscheinenden Finale im Haus der Familie zeigt. Für beinahe jede Idee, die gut funktioniert, gibt es eine Szene, bei der das nicht der Fall ist. Kinder mag das nicht stören, aber auch die werden sich vermutlich die knackigere Laufzeit des Originals wünschen, an dessen Charme die Realverfilmung zu keinem Moment heranreicht. Das ist angesichts der durchaus passenden Neuerungen und der schönen Momente nur noch bedauerlicher.