Der letzte Takt [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 29. Mai 2025
Genre: Komödie
Originaltitel: Fullt hús
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: Island
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Sigurjón Kjartansson
Musik: Hallur Ingólfsson
Besetzung: Helga Bragan Jónsdóttir, Hilmir Snær Guðnason, Ilmur Kristjánsdóttir, Halldór Gylfason, Vivian Ólafsdóttir, Hannes Óli Ágústsson, Guðjón Davíð Karlsson, Sverrir Þór Sverrisson, Þorsteinn Bachmann, Ari Eldjárn, Edda Björg Eyjólfsdóttir, Sveinn Geirsson, Jón Gnarr
Kurzinhalt:
Für die Leiterin des sechsköpfigen isländischen Kammerorchesters, Sigríður (Helga Bragan Jónsdóttir), ist es eine Hiobsbotschaft, als sie erfährt, dass die Kulturkommission entschieden hat, den Vertrag mit dem Orchester nicht zu verlängern. Aufgrund schlechter Ticketverkäufe und noch schlechterer Presse werden die Zuschüsse Ende des Jahres eingestellt. Sigríður hätte schon aufgegeben, bis sie im Fernsehen die Ankündigung des aus Island stammenden, international erfolgreichen Cellist Klemens Daníelsson (Hilmir Snær Guðnason) hört, der in seine Heimat zurückkehren will. Sigríður nimmt Kontakt auf und kann ihn tatsächlich für das Kammerorchester gewinnen, nicht ahnend, dass es einen Grund gibt, weshalb Klemens seine internationale Karriere beendet. Innerhalb des Orchesters sorgt der Neuzugang außerdem für Spannungen, da er die Position von Kjaran (Guðjón Davíð Karlsson) einnimmt, der seinen Posten verliert. Außerdem zeigt sich Klemens äußerst zudringlich und übergriffig gegenüber allen Frauen, denen er begegnet. Während sich Steinunn (Ilmur Kristjánsdóttir) im Orchester wehrt, lässt sich Hödd (Vivian Ólafsdóttir) darauf ein, wie auch Sigríður. Klemens’ Verhalten stößt aber nicht nur Steinunns Freund Svenni (Halldór Gylfason) auf, auch Bjarni (Hannes Óli Ágústsson) ist nicht begeistert. Doch als das lange geplante Konzert des Orchesters auf Grund eines Unglücks zu platzen droht, müssen sie zusammenarbeiten und improvisieren, wenn sie es retten wollen …
Kritik:
Die isländische Komödie Der letzte Takt bereitet lange den Moment vor, auf den man in Anbetracht der Inhaltsbeschreibung wartet und so gelungen einige der Einfälle sind, die danach kommen, worauf dies hinausläuft, ist weit absehbar und spürbar länger, als es sein müsste. Das heißt aber nicht, dass ein Publikum, das mit bösem Humor umzugehen weiß, nicht auf seine Kosten kommen kann. Nur ist vieles davon deutlich zurückhaltender, als angenommen. Unterhaltsam ist es nicht zuletzt dank der Darbietungen dennoch.
Die Geschichte handelt vom isländischen Kammerorchester, das kurz davor steht, den Zuschuss der Kulturkommission zu verlieren. Die Ticketverkäufe laufen schlecht, die Meinungen im Internet sind nicht positiv und auch ein bekannter Kulturkritiker fällt ein vernichtendes Urteil. Die Leiterin des Kammerorchesters Sigríður Zoëga ist am Verzweifeln. Doch sie sieht eine Chance, als der isländische und international berühmte Star-Cellist Klemens Daníelsson, der in Orchestern in New York und zuletzt San Francisco gespielt hat, ankündigt, nach Hause zurückkehren zu wollen. Sigríður nimmt Kontakt mit ihm auf und tatsächlich sagt er zu, dem Kammerorchester beitreten zu wollen. Sie ahnt dabei nicht, dass er insgeheim andere Pläne verfolgt. Kaum eingetroffen, wird deutlich, dass Klemens’ Allüren das kleinere Problem sind. Tatsächlich sieht es für das Orchester selbst aber gut aus, bis kurz vor ihrem ersten Konzert ein Unglück geschieht und das Orchester improvisieren muss, wenn nicht alles umsonst gewesen sein soll.
Dieser Moment allerdings, tritt erst nach dem zweiten Drittel der Erzählung ein. Bis dahin zeigt Regisseur Sigurjón Kjartansson, wie die Ankunft des berühmten Musikers das Orchester durcheinander wirbelt. Noch bevor er überhaupt angekommen ist, beginnt der Schwerenöter Klemens, die weiblichen Orchestermitglieder zu belästigen. Während er bei Steinunn auf Granit beißt, die mit dem Bratschisten Svenni zusammen ist, erliegt die Violinistin Hödd zumindest kurzfristig seinem Charme. Sigríður hingegen ist geradezu in ihn verknallt und bemerkt dabei nicht, dass er bei allen Frauen zudringlich wird, die sich ihm nicht sofort entziehen. Das sorgt gleichzeitig für zusätzliche Spannungen innerhalb des Orchesters, denn Svenni ist eifersüchtig und an Hödd war auch Kjaran interessiert, die dessen Avancen aber ablehnte und der nun auch noch seine Position im Orchester verloren hat. Es gäbe also genug Konfliktpotential, an dem Der letzte Takt jedoch kaum interessiert ist.
Vielmehr wird all dies nur angerissen, ohne diese Aspekte tatsächlich weiterzuverfolgen. Anstatt ein Gemenge aus Eifersucht und Rachegedanken aufzubauen, stellt Regisseur Kjartansson diese Elemente der Geschichte vor, ohne sie miteinander zu verbinden. Gleichermaßen wird Klemens als arroganter Künstler vorgestellt, der dermaßen von sich eingenommen ist, dass er nicht Ruhe gibt, ehe er im Rampenlicht steht. Dementsprechend ist auch das Konzert, bei dem sogar der isländische Präsident nebst Ehefrau im Publikum sitzen, vollends auf den Star zugeschnitten. Auch hier gäbe es genügend Möglichkeiten, seine Allüren für satirische Momente zu nutzen. Doch der Humor ist überraschend zahm und deutet bissige Gesellschaftskritik, wie dass sogar die Politik über Klemens’ Fehlverhalten Bescheid weiß, ohne etwas dagegen zu unternehmen, nur an, anstatt dies ins Zentrum zu rücken. Das ändert sich, wenn die Geschichte, kurz bevor der Vorhang gelüftet wird, eine unerwartete Wendung nimmt.
Dann gerät Der letzte Takt inhaltlich deutlich düsterer und die Mittel, zu denen das Orchester greift, um den Abend trotz allem zu einem Erfolg werden zu lassen, werden zunehmend extremer. Aber selbst hier ist lange absehbar, worauf dies hinauslaufen wird, während die Momente, die aus dem Ruder laufen, selten zur Gefahr für die Unternehmung geraten. Dass man dem dennoch unterhalten beiwohnt, ist der Besetzung zu verdanken, von der Helga Bragan Jónsdóttir als Sigríður ebenso hervorsteht, wie Hilmir Snær Guðnason als der ungemein überhebliche Klemens. Wie viel Potential in den übrigen Figuren steckt, sieht man an der Dynamik zwischen Ilmur Kristjánsdóttirs Steinunn und Halldór Gylfasons Svenni, doch sie werden ebenso wenig ausgebaut, wie die übrigen Mitglieder des Orchesters.
Hier schlummern so viele Möglichkeiten, dass es umso bedauerlicher ist, dass Filmemacher Sigurjón Kjartansson so geradlinig auf seinen entscheidenden Moment zusteuert, ohne dass man zuvor erfahren hätte, was es für das Orchester bedeuten würde, wäre der Abend kein Erfolg. Taktvoll inszeniert und gut gespielt, lässt Der letzte Takt das gewisse Etwas vermissen, das nötig wäre, damit die Geschichte tatsächlich packt. Das heißt nicht, dass man nicht unterhalten würde und wenn die Wendung kommt, fragt man sich, wie die Beteiligten nun weitermachen wollen. Was folgt, dauert länger als es müsste und ist beinahe zu wenig bissig, als dass man mit dem Orchester merklich mitfiebern würde.
Fazit:
Um zu verstehen, was die Musikerinnen und Musiker des Kammerorchesters zu verlieren drohen, als ihnen die Zuschüsse gestrichen werden, würde es helfen, wenn ihre größten Erfolge im Gamla Bíó, dem alten Opernhaus, zuvor einmal erwähnt worden wären. Regisseur Sigurjón Kjartansson stellt Figuren vor, die kurz vor dem Verlust ihrer beruflichen Existenz stehen, beleuchtet aber nicht, was das für sie bedeuten würde. Es würde erklären, weshalb sie am Ende tun, was sie tun. Die Situation wird dabei immer aberwitziger mit einem Moment, in dem ein unerwarteter Schrei für den wohl lustigsten Augenblick sorgt. Der böse Humor ist dabei sogar durchaus willkommen, aber der Ausgang der Geschichte ebenso absehbar, wie sich der Auftakt und das letzte Drittel zu lang anfühlen. Das ungenutzte Potential der Figuren ist es, das Der letzte Takt schließlich den stehenden Applaus kostet, doch dafür entschädigt die isländische Komödie mit einer soliden Umsetzung und einer merklich engagierten Besetzung. Für das richtige Publikum ist das böse amüsant und unterhaltsam allemal.