Der Lehrer, der uns das Meer versprach [2023]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 25. Mai 2025
Genre: Drama / Biografie
Originaltitel: El maestro que prometió el mar
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: Spanien
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Patricia Font
Musik: Natasha Arizu del Valle
Besetzung: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa, Ramon Agirre, Gael Aparicio, Alba Hermoso, Nicolás Calvo, Milo Taboada
Kurzinhalt:
Als die in Barcelona lebende Ariadna (Laia Costa) im Jahr 2010 erfährt, dass ihr Großvater bereits vor Jahren nach den Überresten seines Vaters gesucht hatte, der ab 1936 vermisst wurde, und nun mit Ausgrabungen begonnen wird, bei denen ihr Urgroßvater geborgen werden könnte, macht sie sich auf in die Provinz Burgos. Auch, um ihrem schwerkranken Großvater jenen Wunsch noch erfüllen zu können. Vor Ort erzählt der ebenfalls die Ausgrabungen beobachtenden Emilio (Ramon Agirre) der aus Katalonien stammenden Ariadna, dass in dem Grab auch ein Katalane liegen könnte, der vor 75 Jahren sein Lehrer gewesen ist. So erfährt Ariadna von dem Lehrer Antoni Benaiges (Enric Auquer), der 1935 mit seinen unkonventionellen Methoden an der Schule in Bañuelos de Bureba für Aufsehen sorgte. Den Schülern versprach er, dass er mit ihnen ans Meer fahren würde, aber noch vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs gerät er auf Grund seiner progressiven und offen sozialistisch geprägten Einstellungen unter Beobachtung der faschistischen Kräfte im Land …
Kritik:
Berührend und inspirierend zugleich erzählt Der Lehrer, der uns das Meer versprach in letztlich mahnender Art und Weise davon, wie autoritäre Systeme zuerst diejenigen zum Schweigen bringen, die sich dafür einsetzen, dass die Menschen frei denken können. Mahnend in der Darstellung der Gefahr durch heraufziehenden Faschismus und bewegend dahingehend, wie viel eine Person dennoch erreichen kann, ist dies wichtig, selbst wenn die Erzählung kaum einer der Figuren im Zentrum gerecht wird.
Erzählt wird die Geschichte auf zwei Ebenen. Die erste bildet die Rahmengeschichte im Jahr 2010, in der sich die scheinbar alleinerziehende Mutter Ariadna nach einem Telefonanruf aufmacht, den einstigen Wunsch ihres Großvaters er erfüllen. Der ist nach mehreren Schlaganfällen in einem Altersheim am Meer untergebracht, hatte aber vor geraumer Zeit versucht, die Überreste seines 1936 verschwundenen Vaters zu finden. Ein Anruf informiert Ariadna, dass mit der Aushebung eines Massengrabs aus jener Zeit begonnen wurde und die Möglichkeit besteht, dass die Gebeine ihres Urgroßvaters darunter sein könnten. So reist die in Barcelona wohnende Katalanin nach Bañuelos de Bureba in der Provinz Burgos und trifft dort nicht nur auf eine Ausgrabung, die von den Menschen vor Ort aufmerksam verfolgt wird, sondern auch auf Zeitzeugen. Einer von ihnen, Emilio, erinnert sich noch an jene Zeit, in der ein Lehrer ins Dorf kam, der anders war, als alle vorherigen.
Diese zweite Geschichte ist es, die man im Grunde in Anbetracht des Titels erwartet. In deren sowie im Zentrum von Der Lehrer, der uns das Meer versprach steht Antoni Benaiges. Ebenfalls in dem damals bereits nach Unabhängigkeit strebenden Katalonien geboren, kommt Benaiges 1934 nach Bañuelos de Bureba. Bislang hatte der örtliche Priester die Position des Lehrers inne, doch dies ist, wie der Bürgermeister Benaiges erzählt, nicht mehr gewünscht. Zur damaligen Zeit gibt es keine Schulpflicht, die Kinder müssen im Haushalt und bei der Arbeit der Eltern helfen. Umso mehr freut es Benaiges, dass nach kurzer Zeit bereits einige Kinder bei im Unterricht sitzen. Die Methoden des auch in Zeitungsartikeln sozialistische Ansichten vertretenden Lehrers sind anders, als es Schülerinnen und Schüler oder Lehrer kennen. Er möchte von den Kindern geduzt werden und anstatt stur seine Themen vorzutragen, erarbeitet er das Wissen mit den Kindern zusammen anhand von alltäglichen Dingen. Was die Kinder lernen, lässt er sie in Heften zusammenfassen, die sie selbst mit einer von ihm mitgebrachten Druckerpresse drucken.
Es ist ein ganzheitlicher, gesamtgesellschaftlicher und sozialistisch anmutender Ansatz, mit dem Benaiges jedoch den Zorn nicht nur der Kirche auf sich zieht. Der örtliche Priester ist ohnehin verärgert, da der Lehrer die Kruzifixe in der Schule abgehangen hat. Doch in der angespannten Lage im Land, in der autoritäre Kräfte stetig zunehmen und sich ein Bürgerkrieg anbahnt, ist Benaiges ein leichtes und bekanntes Ziel. Wohin dies führen wird, wird gleich zu Beginn angekündigt und Filmemacherin Patricia Font nutzt die ersten zwei Drittel ihres Dramas, um aufzuzeigen, auf welche Weise und wie sehr Antoni Benaiges seine Schülerinnen und Schüler beeinflusst hat. Sein Zeil ist es nicht, Kinder zu Erwachsenen zu machen, so dass sie diesen nicht mehr zur Last fallen. Vielmehr möchte er, dass Kinder Kinder sein und dennoch etwas lernen können. Sein Engagement ist sichtbar und zu sehen, wie er das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler gewinnt, geht einem spürbar ans Herz. Umso mehr, wenn man bedenkt, wie große die Angst der Kinder vor Erwachsenen zu Beginn ist. „Frauen lernen nur durch Schläge“, berichtet eine Schülerin die Worte ihres Vaters. Gleichzeitig knüpft der Lehrer Kontakt zur verwitweten Putzfrau Charo, die jedoch vor ihm erkennt, in welcher Gefahr er schwebt.
So behutsam und einfühlsam diese Augenblicke umgesetzt sind, mit Dialogen, die mehr über die Figuren verraten, als sie mit den wenigen Worten ausdrücken können, sie wiegen nicht auf, dass Der Lehrer, der uns das Meer versprach weder seine Figuren vollends zur Geltung bringt, noch seine zwei Erzählebenen tatsächlich zu nutzen weiß, zwischen denen die Filmemacherin ohne auslösende Dialoge oder Erkenntnisse wechselt. So wird in der Rahmenhandlung Ariadna in einer nicht einfachen familiären Konstellation durch Meinungsverschiedenheiten mit ihrer Mutter vorgestellt, ohne dass diese jedoch erläutert oder aufgelöst würden, geschweige denn für die Figuren wichtig wären. Texttafeln zu Beginn und am Ende sorgen beim Publikum für einen historischen Kontext, doch hätte man dies entweder in die Rahmenhandlung integrieren können, in der sich Ariadna intensiv mit der Leiterin der Ausgrabung, Laura, austauscht, oder ganz auf die Rahmenhandlung verzichten. Weshalb sich Ariadna überhaupt in dem Maße für ihren Großvater engagiert, wird nie geklärt. Andererseits wäre es auch möglich gewesen, Antoni Benaiges genauer zu beleuchten, ihm einen größeren Hintergrund zu verleihen und gleichzeitig den gesellschaftlichen Wandel in der Ortschaft unter dem sich ausbreitenden gesellschaftlichen Rechtsruck konkreter zu porträtieren.
Komprimiert auf etwas mehr als eineinhalb Stunden, erscheint Der Lehrer, der uns das Meer versprach, als würden beide Aspekte der Erzählung nur angerissen, aber nicht vertiefend vorgestellt. Dabei bietet sowohl die Schilderung des Lehrers, der mit seiner unkonventionellen Art die Schülerinnen und Schüler für das Lernen und das Leben begeistern konnte, als auch die 75 Jahre später erfolgende Aufarbeitung der Verbrechen, die in Spanien unter General Francisco Franco in dessen franquistischer Diktatur nach dem Militärputsch und auch während des Spanischen Bürgerkriegs begangen wurden, mehr als genügend Potential. Dass dies nicht genutzt wird, ist schade, doch es schmälert nicht die emotionale Wirkung der Erzählung selbst.
Fazit:
Mit Fingerspitzengefühl und behutsam erzählt Filmemacherin Patricia Font vom Titel gebenden Lehrer Antoni Benaiges, der in den Kindern nicht zukünftige Ressourcen für die Welt der Erwachsenen sieht, sondern Potentiale, die sie selbst erkunden sollen. Mit seinen antiautoritären Methoden zieht er den Unmut der Menschen in einer Gesellschaft auf sich, die zusehends ins politisch rechte Spektrum rückt. Was geschieht, als am 19. Juli 1936 das Militär nach Francos Putsch die Kontrolle über das Dorf und die Provinz übernimmt, macht betroffen und ist so tragisch wie bewegend. Es ist aber auch eine Mahnung hinsichtlich der Gefahren des Faschismus, die heute so wichtig ist, wie eh und je, da unter diesen Regimen Freidenker und Zukunftsgewandte nicht nur zum Schweigen gebracht, sondern sie regelrecht aus den Geschichtsbüchern getilgt werden sollen, während an ihnen vor den Augen der Bevölkerung ein Exempel statuiert wird. Insofern ist Der Lehrer, der uns das Meer versprach mit einem Blick auf das Weltgeschehen geradezu erschreckend aktuell und eindringlich in den Botschaften. Aber auch stark gespielt und ungemein berührend, selbst wenn keiner der Aspekte der Geschichte vollends zur Geltung kommt und mehr zu erzählen wäre, als die Verantwortlichen hier vermögen. Sehenswert!
Wertung der Blu-ray-Disc:

Features der Blu-ray | ||
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Tonspuren | Deutsch, Spanisch jeweils DTS-HD Master Audio 5.1 | |
Untertitel | Deutsch | |
Extras |
• Making of* (17 min.) • Trailer zum Film‡ (2 min.) • weitere Trailer‡ (8 min.) * spanisch mit deutschen Untertiteln ‡ nur mit deutschem Ton |
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Der Lehrer, der uns das Meer versprach ist ab 30. Mai 2025 auf DVD und Blu-ray sowie digital als TVOD bzw. seit 23. Mai 2025 bereits als Early EST auf allen Plattformen von 24 Bilder Film GmbH erhältlich! |
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