Flucht aus L.A. [1996]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. Juni 2025
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Escape from L.A.
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1996
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Carpenter
Musik: John Carpenter, Shirley Walker
Besetzung: Kurt Russell, Steve Buscemi, Peter Fonda, Georges Corraface, Stacy Keach, Pam Grier, Cliff Robertson, Valeria Golino, Allison Joy Langer, Bruce Campbell, Michelle Forbes, Ina Romeo, Peter Jason, Jordan Baker


Kurzinhalt:

Nach schweren Erdbeben im Jahr 2000 wurde Los Angeles durch Überflutungen der angrenzenden Täler vom Rest der Vereinigten Staaten abgetrennt. Der gottgläubige, auf Lebenszeit gewählte und sich selbst als Heiland sehende US-Präsident Adam (Cliff Robertson) sieht in der Katastrophe eine Strafe Gottes und gelobt, das Land moralisch zu reinigen. Es werden strenge Gesetze erlassen und wer dagegen verstößt, hat die Wahl zwischen dem Tod und der ewigen Verbannung nach Los Angeles. Dort formiert sich unter dem Anführer Cuervo Jones (Georges Corraface) Widerstand, wobei Jones Pläne schmiedet, die Länder der Dritten Welt in einer Invasion der USA anzuführen. Doch Präsident Adam hat mit einem geheimen Projekt vorgesorgt, das seine eigene Tochter Utopia (Allison Joy Langer) stiehlt und zusammen damit zu Jones nach Los Angeles flieht. Wenige Stunden bleiben, ehe Jones die Invasion in die Vereinigten Staaten beginnen will, weshalb sich der Präsident an den für die Verbannung vorgesehenen Elitekämpfer Snake Plissken (Kurt Russell) wendet. Plissken erhält seine Freiheit zurück, wenn er das gestohlene Projekt wiederbeschafft. Der lehnt ab, bis ihm mitgeteilt wird, dass er mit einem tödlichen Virus infiziert wurde und das Gegenmittel nur dann erhält, wenn er die Mission erfüllt. Es ist für ihn in doppelter Hinsicht ein Wettlauf gegen die Zeit …


Kritik:
15 Jahre, nachdem der ehemalige Elitekämpfer „Snake“ Plissken auf der Gefängnisinsel Manhattan einen schier unmöglichen Auftrag ausgeführt hat, braucht ein neuer US-Präsident erneut dessen Hilfe. John Carpenters späte Fortsetzung seines Genresklassikers Die Klapperschlange [1981] kopiert viele Elemente des Originals und präsentiert doch genügend neue, um grundsätzlich bestehen zu können. Aber kaum etwas ist bei Flucht aus L.A. so gelungen wie beim ersten Film und vieles erscheint mehr gewollt, als gekonnt.

Das liegt zu einem merklich großen Teil daran, dass Flucht aus L.A. in einer Zeit entstanden ist, in der Filmschaffende darauf vertrauten, nie dagewesene Bilder mit Computertricks zum Leben zu erwecken, selbst wenn diese dem Anspruch nicht gerecht wurden und in der Zwischenzeit überdies nicht gut gealtert sind. Dabei stand Regisseur Carpenter ein beinahe zehnmal so hohes Budget zur Verfügung, als bei Die Klapperschlange, der seine finanziellen Beschränkungen eher zu seinem Vor- als zu seinem Nachteil nutzte. Der hier wenig schmeichelhafte Mix aus guten, gezeichneten Hintergründen mit dystopischen Sets, die eine hoffnungslose Stimmung erzeugen, nebst einigen starken Maskenarbeiten, mit vollkommen offensichtlichen Computertrickeffekten, die teilweise derart blockig verpixelt aussehen, dass man meinen könnte, sie stammten aus Videospielen jener Zeit, prägt die Erzählung allerdings mehr, als sie sollte. Denn die wartet, auch wenn die Ausgangslage beinahe dieselbe ist, mit zahlreichen guten Ideen auf.

Seit den 1997 spielenden Ereignissen des ersten Films hat sich die Welt stark verändert. Nach einem Erdbeben wurde die Stadt Los Angeles durch eine Überflutung vom Festland abgetrennt. Erzkonservative Kräfte haben die Vereinigten Staaten übernommen und der neue Präsident, der eine lebenslange Amtszeit angetreten hat, hat die ehemals freie Gesellschaft radikal umgebaut. Moralgesetze wurden verkündet, Rauchen, Alkohol, Drogen, vorehelichen Sex oder gar rotes Fleisch sind verboten. Wer gegen die Gesetze verstößt, wird vor die Wahl gestellt, auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet oder lebenslang nach L.A. verbannt zu werden. In der Stadt versammelt der aus Peru stammenden Revolutionär Cuervo Jones zusammen mit dem globalen Süden eine Invasionsarmee, um die Vereinigten Staaten anzugreifen. Seinen Predigten über Freiheit ist auch die Tochter des US-Präsidenten Adam, Utopia, verfallen, die etwas entwendet hat, mit dem Jones sein Ziel tatsächlich erreichen könnte. Der erpresst nun die Vereinigten Staaten und Plissken, dem ebenfalls Verbannung nach Los Angeles droht, hat weniger als acht Stunden Zeit, das Gerät, das Utopia gestohlen hat, zurück zu holen. Um seine Motivation zu steigern, wurde Plissken überdies mit einem tödlichen Virus infiziert, der ihn in wenigen Stunden töten wird, und das Gegenmittel erhält er nur, wenn er seine Mission erfolgreich beendet.

Stand bei Die Klapperschlange noch der gesellschaftliche Zerfall auf Grund steigender Gewalt im Zentrum, dreht John Carpenter dies in Flucht aus L.A. gewissermaßen auf den Kopf, indem er einen autoritären Obrigkeitsstaat vorstellt, dessen restriktive Moralnormen die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht nur zur Unkenntlichkeit beschneidet, sondern diese mit einer Absolutheit durchsetzt, dass einer lebenslangen Unterwürfigkeit nur eine ewige Verbannung entgegensteht. Gepaart wird dies in Person des US-Präsidenten Adam mit einer sich selbst als Erlöser sehenden Vermischung von Staat und Religion, die beim Blick auf die aktuelle US-Regierung nicht nur hinsichtlich deren autoritärer Ausprägung geradezu für Unbehagen sorgt. Die Gesellschaftskritik, die dabei mitschwingt, ist unüberhörbar und auch der von der Präsidententochter gestohlene Apparat und was er bewirkt, ist ein guter Einfall. Aber nicht nur, dass die handwerkliche Umsetzung den selbst gesteckten Zielen nicht gerecht wird, was man nicht nur bei der Unterwassersequenz zu Beginn sieht, sondern insbesondere bei einer Einstellung, in der Plissken surft, auch der Antiheld selbst wirkt beinahe wie ein Karikatur.

Zeichneten den Elitesoldat seine kargen Wortwechsel und sein menschlicher Auftritt im ersten Film aus, ist er hier spürbar um lockere Sprüche bemüht, auch wenn die Situation es an sich erfordern würde, dass er sich mit Panik in den Augen einen Fluchtplan überlegt. Kurt Russell verzieht selbst dann kaum eine Miene, wenn Snake als lebende Organbank dienen soll oder seine Zeit spürbar knapp wird. Statt einer menschlichen Figur mimt er einen distanzierten Superhelden, unnah- und unverwundbar. Doch ohne eine Person im Zentrum, mit der man mitfiebern würde, entwickelt Flucht aus L.A. nie eine emotionale Zugkraft oder Spannung. Das ist auch angesichts der Auflösung schade, die durchaus interessante Fragen und das Potential für eine Fortsetzung mit sich bringt. Vor allem aber versäumen es die Verantwortlichen so, der ikonischen Figur im Zentrum der Geschichte einen interessanten Hintergrund zu verleihen. Sie erschaffen eine düstere Zukunftsvision, die in gewisser Hinsicht an Mad Max II – Der Vollstrecker [1981] erinnert, ohne aber einen Protagonisten aufzubauen, dessen Motivation man verstehen kann, oder dessen Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt durchscheinen würde.

Nimmt man all das zusammen, ist Flucht aus L.A. nicht nur für sich genommen, sondern auch als Fortsetzung des beeindruckenden ersten Films mehr als nur eine große verpasste Chance. Es ist eine riesige Enttäuschung.


Fazit:
Mit einer Hauptfigur, die derart comicartig überzeichnet ist, dass man meinen könnte, es handle sich um eine Satire, präsentiert Regisseur John Carpenter eine Fortsetzung, die inhaltlich mehr wie ein Remake anmutet. Das wird zwar mit zahlreichen gelungenen Ideen ausgeschmückt und will eine beeindruckende Welt erzeugen, doch mit den halbgaren Trickeffekten gelingt eher das Gegenteil. Ohne eine einzige sympathische Person in der Erzählung, mit der mitzufiebern sich lohnen würde, ist Flucht aus L.A. ein in manchen Momenten gut umgesetzter Actionthriller mit einer düsteren Zukunftsvision, die in gewisser Hinsicht prophetischer scheint, als einem recht sein kann. Doch die gelungenen Ansätze werden kaum weiterverfolgt oder Teil der Erzählung bis zum Ende, die eher darum bemüht erscheint, unterschiedliche Aspekte der Verbannungsinsel zu präsentieren, anstatt sie zum Ende hin auch zusammenzuführen. Wäre es nicht um die letzten Momente, deren Auswirkungen das Publikum durchaus beschäftigen können, würde dies noch weniger schmeichelhaft in Erinnerung bleiben. So werden die Verantwortlichen nicht nur ihrem Anspruch selbst nicht gerecht, sondern vor allem dem Potential nicht, das in der Figur Snake Plissken liegt. Das ist einfach schade.