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Super(re)lative
Treffpunkt: Kritik Wo immer man sich heute umsieht, man kann kaum mehr umhin, sich minderwertig zu fühlen. Selbst, wenn man der Meinung ist, man selbst führe ein überdurchschnittlich gutes Leben in unserer Gesellschaft, ist man schlussendlich dennoch "nur normal". Sieht man sich Anzeigen und Werbeprospekte an, gibt es überall "das Beste", "das Tollste" und auch "den Größten". Im Fernsehen werden nicht mehr nur Stars gesucht, sondern permanent Superstars oder Super-Talente. Die armen Seelen, die für wenige Momente Aufmerksamkeit ihre Seele im Dschungelcamp verheizen, sehen schon am Untertitel der Sendung, auf welche Stufe sie gestellt werden: "Ich bin ein Star, holt mich hier raus". Selbst die Teilnehmer werden hier schon abgewertet, ehe sie überhaupt angetreten sind.
Es scheint beinahe, als lebten wir in einer Welt der Superlative, in denen die Autos mit dem geringsten Spritverbrauch weniger als drei Liter verbrauchen, gleichzeitig aber immer noch welche produziert werden, die mehr als 25 Liter schlucken. Wohin das führt, hat man jüngst gesehen: dann gibt es nicht mehr nur einen Firmenbankrott, sondern gleich eine Finanzkrise, die die ganze Welt umspannt. Super eben – in jeder Beziehung.
So kann es auch sein, dass eine berichtete Zahlungsunfähigkeit in Dubai international dafür sorgt, dass die Aktienkurse im zweistelligen Bereich gefallen sind. Gleichzeitig ist aber zu lesen, dass Geldgeber wie die Deutsche Bank in Las Vegas in ein im Bau befindliches Spielkasino investierten, dessen Bau nun aber ins Stocken geraten ist, so dass dem Kreditinstitut eine weitere Abschreibung um 500 Millionen Euro ins Haus steht. Wer sich immer gefragt hat, was Banken mit dem Geld tatsächlich anstellen, das die Kunden bei ihnen hinterlegen, der findet so eine nicht wirklich Vertrauen erweckende Antwort darauf.
Überhaupt muss man sich doch fragen, weswegen speziell in den arabischen Ländern niemand das hausgemachte Finanzproblem hatte kommen sehen. Immerhin wurde seit geraumer Zeit ein vermeintliches Paradies aufgebaut, in dem sich ein Weltrekord nebst den anderen reiht – seien es nun die ständig höchsten Gebäude der Welt, oder Städte, die ganz ohne Treibhausgase auskommen sollen – und all das für Gäste, die dorthin dem Alltag entfliehen wollen. Denn diejenigen, die sich diese Städte aufgebaut haben, reisen selbst durch die ganze Welt und wollen in dem selbst geschaffenen Utopia nicht versauern. Aber selbst als Urlauber muss man sich einen solchen erst einmal leisten können. Und gerade daran sparen die Menschen derzeit. Darunter auch Prominente wie Nicholas Cage, über den derzeit immer wieder wegen seiner ganz persönlichen Finanzkrise zu lesen ist. So scheint Dubai derzeit wie ein unerschwingliches Idyll.

Unterdessen wird hierzulande daran gearbeitet, dass die Menschen letztlich weniger in der Tasche haben. Sollte das jüngste Modell der Firma Schlecker Mode machen, ist einer hire&fire-Politik wie in den USA Tür und Tor geöffnet. Der Drogeriekonzern kam jüngst auf eine äußerst lukrative Idee, wie die Zahl der Beschäftigten mühelos kontrolliert und deren Arbeitseinsatz allzeit hoch gehalten werden kann. Zuerst werden die bestehenden Geschäfte geschlossen und in geringem Abstand dazu eine größere Filiale namens Schlecker XL eröffnet. Wer hier arbeiten möchte, muss aber über eine besondere Zeitarbeitsfirma eingestellt werden, die ausschließlich Schlecker-Mitarbeiter verwaltet und die vom Schlecker-Konzern auch eigens dafür gegründet wurde. Die Mitarbeiter, die mit der Schließung der bestehenden Filiale auf der Straße landen, haben entweder die Möglichkeit, mit Einbußen beim Gehalt, dem Urlaubsanspruch und des Kündigungsschutzes bei der Zeitarbeitsfirma einzusteigen, oder sie suchen sich einen anderen Arbeitgeber.
Ermöglicht wurde ein solches Vorgehen noch von einer vorigen Regierung. Traurig ist daran nur, dass die aktuelle Generation an Politiker einzig bedauert, nicht selbst auf eine solche Idee gekommen zu sein. Statt dass die Verantwortlichen des Drogerieriesen für ihr Verhalten abgestraft oder zumindest aus der Politik Proteststimmen laut würden (dort heißt es vielmehr, die Regierung müsse solchen Einzelfälle mit 30.000 Mitarbeitern nicht nachgehen), scheint man sich hier vielmehr im stummen Schulterklopfen zu ergeben.

Interessanterweise verschwinden solche Meldungen in Windeseile wieder aus dem aktuellen Nachrichtenprogramm. Wer darauf hofft, die Tagespresse würde ihre Macht nutzen, um solche Missstände zumindest in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, der sieht seine Hoffnungen leider enttäuscht. Dafür werden kuriose Meldungen publiziert, wie dass in Japan ein Mann zum ersten Mal eine Computerfigur geheiratet hat. Das ist für sich genommen zwar eine Sensation und sicherlich eine Erwähnung wert, ob es aber wichtiger ist als das Schicksal von Tausenden von Arbeitnehmern, darüber lässt sich wohl diskutieren.
In Zukunft wird die Nachrichtenlandschaft in Deutschland ohnehin ein wenig anders aussehen, immerhin wurde der kritische Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, durch Einwirken der CDU/CSU-Minister im Land seines Amtes quasi enthoben – beziehungsweise nur nicht neu bestätigt. Das hat zur Folge, dass nun ein neuer Mann für den Kurs des Senders verantwortlich ist, der (das impliziert eine solche vorige Strafverurteilung durch die Ländervertreter) hoffentlich diejenigen, die ihn ernannt haben, auch in einem guten Licht dastehen lässt. Kein Wunder also, wenn pressefreiheit inzwischen klein geschrieben werden sollte. War so etwas bis vor einigen Jahren in Ländern wie Italien Gang in Gebe, konnte man sich das hierzulande kaum vorstellen. Doch je gemächlicher und in vielen kleinen Schritten eine solche Politik umgesetzt wird, umso eher akzeptieren die Menschen dies ohne Widerrede.

Insofern sind wir nicht nur eine Gesellschaft von Superstars, Super-Talenten und Super-Ministern, sondern auch eine Nation, in der super-wenig auf die gerechte Behandlung des Einzelnen geachtet wird. In der die Dreistigkeit der Konzerne super-geringe Aufmerksamkeit auf sich zieht und in der die Politik, die an sich für den Menschen da sein sollte, super-keine Rücksicht auf die Bürger nimmt.
Auch wenn man sich das alles schön redet, wirklich super ist es nicht. Und nur, weil es einen selbst vielleicht nicht betrifft, macht es die Situation doch nicht besser. Oder sind wir jetzt auch noch super-gleichgültig?
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