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In 100 Tagen zum Déjà-vu
Treffpunkt: Kritik Resümees gibt es zu seinen 100 ersten Tagen im Amt an sich genug. Und wer sich seine bisherigen Entscheidungen als Präsident der Vereinigten Staaten ansieht, der wird erkennen, dass kaum ein Staatsmann zuvor die internationale Politik so sehr mitbestimmt hat, wie Barack Obama.
Gerade Menschen einer jüngeren Generation, sollten diese Gelegenheit allerdings nutzen, sich die Stimmung, die ein einzelner, charismatischer Staatslenker verbreiten kann, einmal genauer anzusehen. Man mag zwar das Gefühl bekommen, als habe es so etwas noch nie gegeben, doch wenn man die Geschichtsbücher aufschlägt, werden angesichts des rabiaten und unmissverständlichen Kurses Parallelen zu anderen Präsidentschaften wach. Eine davon hat auch die deutsche Bevölkerung besonders berührt. Man kann nur hoffen, dass Obamas nicht ebenso enden wird.
Denn, und diesbezüglich braucht man sich keine Illusionen machen, mit seinen Entscheidungen macht sich Obama mit Sicherheit mehr Feinde als Freunde. Sei es nun die Bekanntgabe der Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers Guantánamo Bay innerhalb eines Jahres, oder aber die Neuordnung der Umwelt- und Energiepolitik. Mit diesen öffentlichen Versprechen leitete der erste farbige Präsident der USA seine Amtszeit ein.
Mit der Ankündigung, man wolle der islamischen Welt offen und mit Respekt gegenüber stehen, sorgte er wenig später für Kontroversen und auch die Kritik an den Bonuszahlungen von Managern, deren Firmen und Banken erst mit Staatshilfen am Leben gehalten werden konnten, verprellt ihm genau jene Schicht, die seine Wahlplakate gesponsort hatte.
Dann kommen Schlag auf Schlag ein gigantisches Finanzpaket, mit dem die Wirtschaftskrise abgedämpft werden soll und die Zusage, bis zum September 2010 alle Kampftruppen aus dem Irak abzuziehen. Wer die Diskussion allerdings weiter verfolgte, wird festgestellt haben, dass immerhin 50.000 Soldaten nach wie vor stationiert bleiben sollen.
Keine zwei Monate nach seiner Vereidigung nimmt sich der amerikanische Präsident die Guantánamo-Häftlinge vor, die internationales Recht bekommen sollen. Die Beteiligung an Verhandlungen über den Klimaschutz, bei dem Obama Zugeständnisse macht, ist dabei ein Tropfen auf den heißen Stein.

Es scheint wenig später wie ein verspäteter Aprilscherz, als am 5. des Monats ein zum Hoffnungsträger aufgestiegener Präsident in Prag verkündet, er habe eine Vision von einer Welt ohne Atomwaffen.
Spätestens in diesem Moment wird einem bewusst, was man hier beobachtet, ist Zeitgeschichte in ihrer Entstehung. So in etwa muss es gewesen sein, als John F. Kennedy vor einer versammelten Menge verkündete, er sei "ein Berliner". Eine solche universelle Zugehörigkeit, ein Abreißen der Grenzen, dafür steht der US-Präsident, dem hierzulande eine Regierungschefin gegenübertritt, die mit ihrer großen Koalition so sehr darum bemüht ist, die Gebiete nach der kommenden Bundestagswahl abzustecken, dass man darüber ganz vergisst, wie viel man bis dahin noch erreichen könnte.
Während Obama regiert und entscheidet, entscheidet sich die Deutsche Staatsführung, nicht zu regieren, verdebattiert sich in Provokationen der linken Szene und verschiebt alle möglichen Entscheidungen oder gar das Versprechen einer Entscheidung auf nach der Wahl. Dabei, und das ist eine traurige Bilanz, in Deutschland ist nach der Wahl immer auch vor der Wahl.

Anfang April schließt die CIA ihre Geheimgefängnisse, eine Woche später gibt der US-Präsident bekannt, dass die bereits zu Beginn seiner Amtszeit unter Strafe gestellten Folterverhörmethoden, die bis dato begangen wurden, straffrei bleiben sollen.
Vor knapp einer Woche begannen in Rom Vorverhandlungen über eine Abrüstung zwischen Russland und den USA. Man könnte gar meinen, dass sich jener Traum Obamas eines Tages verwirklichen ließe.
Ob man mit der Politik des neuen amerikanischen Staatsherrn nun einverstanden ist, oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Wie der seit jeher republikanisch angehauchte Fernsehsender FOX in den USA die Pressekonferenz zur 100tägigen Amtszeit nicht ausstrahlen zu wollen (im Gegensatz zu allen anderen großen Fernsehsendern), mutet wie eine trotzig kindische Reaktion an.
Man sollte vielmehr die Energie und die Entschlossenheit bewundern, mit denen jener Präsident der Welt gegenübertritt und mit denen er sie auch zu formen gedenkt. Die angestaubten Staatsmänner und –frauen, die dagegen hierzulande Entscheidungspositionen verstopfen, wirken im Vergleich wie Fossilien aus der Ära Kohl, die so sehr fürchten, von Änderungen überholt zu werden, dass sie ihnen am liebsten aus dem Weg gehen.

Aber, und dies sollte im Falle von Barack Obama nicht vergessen werden: Gerade US-Präsidenten, die es mit einem solchen Tatendrang nur einmal alle 20 Jahre zu geben scheint, werden in der Regel nicht durch ihren inneren Antrieb in ihrer Schaffenskraft gehindert, sondern durch diejenigen, die ihre Privilegien durch die frischen Staatsmänner eingeschränkt sehen. Dafür steht JFK heute ebenso, wie für seine Visionen in einer düsteren Zeit.
So bleibt auch die Hoffnung, dass jenes Schicksal nicht die Hoffnung begräbt, die Obama in der Bevölkerung weltweit geweckt hat. Denn danach sehnt man sich nicht nur in den USA.
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