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Ein Sommer ohne Loch
Treffpunkt: Kritik An sich hat sie gerade begonnen, die Urlaubssaison. Doch wer derzeit in den Urlaub fährt, ist selbst schuld. Kommt man nach zwei Wochen wieder, kann es sein, dass man Welt verändernde Ereignisse verpasst hat, und wer sich ab und an die Mühe macht, die Tageszeitungen zu studieren, oder sich über das Internet auf dem Laufenden zu halten, der wird feststellen, dass man schon nach wenigen Tagen ohne die Informationsüberflutung kaum mehr hinterher kommt.
Vom (erholsamen) Sommerloch derzeit also keine Spur, vielmehr gibt es überall genügend Themen, um die Informationslöcher der nächsten Monate zu stopfen. Dabei gehen dann auch "kleinere" Meldungen unter, wie der neueste Beschluss des Bundestages, der die personenbezogenen Daten der deutschen Bürger dem amerikanischen Verwaltungsapparat zur Verfügung stellt. Doch, dass diese Meldung nicht groß publik wurde, kommt den Verursachern ja nur recht.
Wenn man sich diesbezüglich informiert, wird einem erst klar, dass jedweder Beschluss unserer Regierung nicht von heute auf morgen gefällt wird. Die "umstrittene Regierungsübereinkunft", wie es bei Heise so schön heißt, muss also schon längere Zeit im Gespräch gewesen sein. Dass sie nun verabschiedet wurde, als letzter Akt vor der Sommerpause, lässt nur darauf schließen, dass die Verantwortlichen damit rechnen, dass die Empörung über den Beschluss bis zur Wiederaufnahme des täglichen Regierungsirrsinns abgeebbt sein wird. Traurigerweise haben die Machthaber damit sogar Recht.
Kernpunkt dieses Abkommens ist, dass den USA unter anderem im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus ein automatisierter Zugang zu DNA- und Fingerabdruckdatenbanken deutscher Bestände gewährt wird. Zwar sollen die ursprünglich vorgesehenen Charakteristika zur Rasse, der politischen Orientierung, religiöser und sexueller Ausrichtungen und sogar Gewerkschaftsmitgliedschaften und gesundheitliche Details vorerst nicht frei zugänglich sein, doch wird sich auch hier noch ein Hintertürchen finden lassen.
Wer sich also bislang als gläserner Bürger wähnt, wird seine Durchleuchtbarkeit auch bei einem Besuch in den USA beibehalten. Nur fragt man sich, wie viele dieser personenbezogenen Daten der Deutschen derzeit durch die Behörden gesammelt werden? Interessant ist außerdem, dass die Opposition (darunter auch die sich nach der kommenden Wahl im Amt wähnende "wir sind für alles, was Spaß macht!"-Partei FDP) geschlossen gegen das Gesetz stimmte. Ob man diesen Kurs auch bei einer zukünftigen Regierungsbildung beibehalten wird, oder sich wie in der Vergangenheit nach allem streckt, was Macht verheißt, bleibt abzuwarten.

Auch bei der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wird man sehen, ob ihre Unschuldsbeteuerungen denn Bestand haben. Wie inzwischen auch zu lesen war, ziehen sich die Ermittlungen des internationalen Sportlerverbandes doch schon Monate hin, und eine solche Dopinganschuldigung wird in jenen Kreisen nicht leichtfertig gehandhabt. Wenn die leistungssteigernde Methode dann auch nicht auf konventionellem Weg nachgewiesen werden kann, gleich zwei Mal nicht. Doch wenn selbst ein Professor für Pharmakologie und gleichzeitiger Dopingexperte im Sportstudio zu Protokoll gibt, dass die Konzentration der jungen, roten Blutkörperchen in Pechsteins Blut keine natürliche Ursache oder gar einen genetischen Ursprung haben könne, und der Sportlerin kein Argument außer ihrem Lächeln als Antwort bleibt, dann ist dies letztlich kein Bonuspunkt für das Sympathiekonto der Sportwelt. Dass die Bekanntmachung der Sperre außerdem mit dem Start der diesjährigen "Tour de Dope" in Frankreich zusammenfällt, ist gleichzeitiges Pech. Immerhin assoziiert der Normalbürger mit den Siegertreppchen auf der Champs-Élysées allenfalls die fähigsten Pharmaunternehmen mit ihren Dopingmitteln und nicht die Sportler selbst.
Wie viel Doping die deutsche Sportlandschaft noch verträgt, wird am Verhalten des Sportlerverbandes deutlich. Dort legte man Pechstein zuerst nahe, in Norwegen mit einer vorgetäuschten Krankheit abzureisen, da man ansonsten die Blutkörperchen-Beobachtung publik machen würde. Damals ließ sich die Eisschnellläuferin darauf ein. Später wurde der Sportlerin ein weiteres Angebot unterbreitet, wie der Präsident der Deutschen Eisschnelllaufgemeinschaft bekannt gab. Wenn Pechstein ihre Karriere beendete, werde man den Befund ganz unter den Tisch fallen.
Es wurde nicht gehorcht und so hat die Sportwelt nun den Salat. Den Verantwortlichen wäre es wohl lieber gewesen, man hätte den guten Ruf der mehrfachen Olympiasiegerin erhalten, und sie ehrenvoll verabschiedet, anstatt aufzudecken, was bei Untersuchungen am Blutbild festgestellt wurde. Der Preis für die Wahrheit, also die Entthronung einer Ikone, war wohl eher die letzte und unliebsamste Lösung. Jeder zukünftige Rücktritt eines Sportlers sollte also mit Vorsicht genossen werden. Und ob Pechstein nun gedopt hat, oder nicht, der Ausgang des Verfahrens wird in keinem Fall überraschen.

Für die Medien ist das verständlicherweise ein gefundenes Fressen. Dies umso mehr, da große Schlagzeilen um den jüngst verstorbenen "King of Pop" keine so hohen Auflagen mehr garantieren wie Anfang der Woche.
Auch im Fernsehen wird darüber weiträumig berichtet, zumal insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender hier eine Chance sehen, von ihrem eigenen Leid abzulenken. Während das ZDF auch dieses Jahr mit den "Sommernachtsphantasien" alte Kamellen neu serviert und höchstens Filmflops als TV-Premiere zum Besten gibt, hat man bei der ARD das Geld der GE-Zahler investiert, und deutlich mehr Free-TV-Premieren im Angebot. Nur werden diese einmal mehr zu nachtschlafender Zeit spätabends unter der Woche ausgestrahlt. Wer also Volver - Zurückkehren und Tagebuch eines Skandals bereits verpasst hat, der kann sich auf Little Miss Sunshine, Steven Spielbergs Drama München oder Blade Runner - Final Cut freuen. Gegen Ende des Sommers folgen noch Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich, sowie Babel.
In diesem Blog wurde dieses Verhalten der "ersten Reihe" schon öfter kritisiert, wenn zu unverständlichen Zeiten teuer eingekaufte Hollywood-Filme ausgestrahlt werden, so dass eine verschwindend geringe Zuschauerzahl garantiert ist. Aber inzwischen sind auch andere Publikationen auf das sinnfreie Verhalten der Programmdirektoren aufmerksam geworden. Bei der ARD behält man sich unterdessen "no comment" vor und windet sich mit fadenscheinigen Ausreden aus der Misere, dass die strikte Programmplanung keine Abweichungen erlauben würde. Von Eigenproduktionen, Telenovelas und Tatort-Wiederholungen im Dutzendpack scheint die Zielgruppe wohl nie genug zu bekommen. So hat man allerdings auch immer die Ausrede als Ass im Ärmel, die Zuschauer würden bei den hochkarätigen TV-Premieren nicht einschalten, weshalb sollte man selbige also in Zukunft wieder einkaufen?

Diskussionsstoff gibt es also genug und man sollte sich von den heißen Temperaturen nicht dazu verleiten lassen, den Kopf ins kühle Nass zu stecken, um nichts vom Rest der Welt mitzubekommen. Die Wochen, in denen man dank Sommerloch den Urlaub genießen konnte, scheinen dieses Jahr wohl Hitzefrei bekommen zu haben. Es überrascht also nicht, wenn sich Manche bereits wieder auf den Herbst freuen – dann gibt es wieder die altbekannten Neuigkeiten im altbekannten Rhythmus. Und man muss sich nicht mehr auf die ungewohnten Meldungen einstellen, die einen aus der hitzigen Lethargie reißen.
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