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Treffpunkt: Kritik Es ist einmal wieder soweit, in der Tagespresse und den Nachrichten überschlagen sich die Meldungen. Dabei muss nicht immer die tatsächlich wichtigste Schlagzeile auch auf der Titelseite stehen. Insbesondere die tagesaktuellen Zeitungen sind jeden Tag auf der Suche nach dem "neuen Aufmacher", der Meldung, die die Auflage beliebter macht.
So kam es erst letztes Jahr, dass urplötzlich sowohl ein britisches, wie ein deutsches Boulevardblatt gleichzeitig die Sichtung von UFOs neu entdeckt hatten. So eine Nachricht verkauft sich besser, als wenn man tagelang dieselbe Story immer wieder auf der ersten Seite zeigt. Denn ganz im Ernst, wer heute seinen Arbeitsplatz noch nicht verloren hat, oder vom Arbeitgeber in Kurzarbeit geschickt wird, wer glaubt denn da noch an die Krise?
Es scheint diesbezüglich auch eine große Diskrepanz in der Bevölkerung zu geben, denn während die einen von den Auswirkungen der Krise direkt betroffen sind, wenn die Auftragsbücher leer bleiben oder der eigene Zeitarbeitsvertrag nicht verlängert wird, stehen die anderen allmorgens vor den Türen der großen Ketten wie MediaMarkt, Saturn oder Karstadt und betteln um Einlass. Solange der Normalbürger nicht weniger Geld im Geldbeutel hat, vermutet er ja auch nicht, dass die Krise ihn erwischen könnte. Ebenso wenig wie die Banker vermuteten, dass die Immobilienkrise flügge würde und es übe den großen Teich schafft.
Gerade darum erfreut sich die Abwrackprämie ja so großer Beliebtheit. So großer sogar, dass einen Tag nach der Umstellung und Verlängerung der automobilisierten Konjunkturspritze die zuständige Internetseite unter dem Ansturm zusammenbrach. Doch sollte man sich einmal überlegen, worauf das hinausläuft. Nicht nur, dass mitunter tadellose Autos verschrottet werden, um noch schnell ein paar Euro abzukassieren (mancherorts wird davon berichtet, dass sich auf den Schrottplätzen nagelneue Autos einfinden, deren Besitzer das schnelle Geld gerochen haben), sondern wie wird sich das im kommenden Jahr auswirken?
Man sollte doch auch zugeben, dass die Neuanschaffung eines fahrbaren Untersatzes wohl überlegt und auch längere Zeit vorbereitet wird. Viele, die nun zuschlagen um Boni zu kassieren, hatten dies ohnehin geplant und ziehen ihren Kauf wegen der Vergünstigung vor. Doch was, wenn die Abwrackprämie nicht mehr greift? Wenn nächstes Jahr die Autos wieder ganz normal viel Geld kosten und bis dahin auch die Kleinbürger im eigenen Geldbeutel spüren, dass die Krise nichts ist, was über Nacht kommt, sondern sich vorsichtig und unauffällig ins eigene Leben schleicht? Wer wird dann Geld für neue Autos ausgeben? Und wie lange wird der Trend anhalten bei jahrelangen Garantieleistungen, die die Hersteller heute geben. Es ist, wie es so oft in der Regierungszeit der jetzigen Staatsherrin gewesen ist, mit schnellen Lösungen wird kurzzeitig Abhilfe geschaffen – und das ist insbesondere im Wahljahr auch sehr wichtig. Man möchte ja für den Herbst in strahlendem Glanz erscheinen. Nur wie es langfristig aussieht, darum kümmert sich unsere Landesführung nicht, oder noch nicht.

Damit aber auch die potentiellen Wählerinnen und Wähler nicht über solche Umstände nachdenken, präsentieren uns die Nachrichten Zeitungen in einem regelmäßigen Abstand neue Berichte, die allesamt nicht länger als drei Tage auf der ersten Seite verweilen dürfen, um nicht zu langweilen oder gar zum Nachdenken anzuregen.
So sind auch die Bilder vom Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn wieder verschwunden, der nach langem Ringen und unter Druck von oben ohne Einsicht nachgegeben hat. Dass er E-Mails seiner Mitarbeiter überwachen und sogar Rundschreiben der Gewerkschaft löschen ließ, ist dabei sicherlich verurteilenswert, doch dass er dies ohne Wissen des Vorstands gemacht haben soll, ist mehr als unwahrscheinlich. Abgesehen davon hat doch auch bei der Regierung niemand ernsthaft geglaubt, es ließe sich ein Streik wie der im letzten Jahr beenden und so viele streikwütige Gewerkschaften unter einen Hut bringen, ohne dass man sich dabei eine blutige Nase holt – oder doch? Gerade in der heutigen Zeit sollten die lobbysierten Politiker weniger naiv und mit einer realistischen Weltanschauung auftreten, um hier gespielten Hysterie und Schock zu mimen.

Auch vom Ärztestreik ist derzeit wieder nichts zu lesen, dabei waren die Halbgötter in weiß lediglich zwei Tage auf der ersten Seite vertreten. Zum einen durch die skandalöse Nachricht, dass trotz Streik Privatpatienten behandelt würden, und als letzte Woche einem Baby eine Behandlung verweigert wurde, da es nicht privat versichert war.
Selbst die Steuerentlastung, die im März viele Arbeitnehmer heimsuchte, brachte es lediglich einen Tag auf die Titelseite.

Bleibt die Frage, ob die kurzlebigen Schlagzeilen heute in einem so abgehackten und vorhersehbaren Rhythmus von den Zeitungen veröffentlicht werden, weil die Bevölkerung gar nicht mehr gewillt und in der Lage ist, sich länger auf ein Thema zu konzentrieren – oder ob viele diese Fähigkeit verloren haben, weil die Medien die Menschen mit ständig neuen Skandalen leichter kontrollieren können?
Jede Zeitung und jede Nachrichtensendung lebt schließlich vom Skandal, von der Sensationsgier der Konsumenten und der Tatsache, dass Bekanntes schnell an Geschmack und Interesse verliert.
Es lohnt also zu fragen, wer ist als nächstes dran? Und wer in spätestens drei Tagen? Die Köpfe der Redaktionen und Journalisten laufen diesbezüglich sicher schon auf Hochtouren. Freuen wir uns also auf den nächsten Skandal.
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