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Von Mitmenschen und anderen Unerträglichkeiten | von Jens am 27.10.2007, um 08:00 Uhr. |
Wer einmal auf einer viel befahrenen Autobahn unterwegs ist – sei es nun Freitagnachmittag oder nicht – und mehrere Stunden darauf zubringt, wird zwei verschiedene Sorten Mensch erkennen können. Die einen fahren immer auf der linksten Spur, meist mit überhöhter Geschwindigkeit und bremsen in der Tat nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist. Sie vertrauen darauf, dass die übrigen Fahrer für sie mitdenken – oder sie sind einfach egoistisch genug, nur innerhalb ihrer vier Türen zu denken. Die andere Sorte Fahrer versucht immer, für die erste Spezies mitzudenken, ihr (Fehl-)Verhalten vorauszusehen und entsprechend zu handeln, damit nicht ein größeres Unglück geschieht. Tatsächlich ist es angesichts der haarsträubenden Situationen jeden Tag auf den Straßen ein Wunder, dass nicht viel mehr geschieht. Doch beschränken sich diese Verhaltensmuster nicht einzig und allein auf die Straße – man findet sie immer und überall. Meistens viel näher, als man denkt. So lassen Sie sich ein auf die ersten Stunden eines ganz gewöhnlichen Tages; eines ganz gewöhnlichen Menschen ... der für die anderen bremst auf der Autobahn. |
Als würde das nicht ausreichen, versteht es die Mieterin unter einem ausgezeichnet mit dem nicht erlaubten Zigarettenrauchen im Badezimmer einem selbst ebenfalls die "Vorzüge" jener Drogenabhängigkeit schmackhaft zu machen. Denn sobald die Badezimmerlüftung betätigt wird, um die Feuchtigkeit nach dem Duschen aus dem Raum zu verbannen, füllt man selbigen mit eben jener Krebs erregenden Mischung aus Teer, Nikotin und Tabak, der jedes Jahr Tausende Menschen zum Opfer fallen.
Es scheint beinahe so, als wollten die Mitmenschen all ihre Eigenheiten der übrigen Bevölkerung aufdrängen. So kommt es auch, dass der Fahrstuhl ins Erdgeschoss einmal mehr außer Betrieb ist, da jemand am Abend zuvor der Meinung war, er müsse schwere Möbelstücke in eine höhere Etage befördern – wofür der Personen(!)aufzug selbst verständlich nicht ausgelegt war.
Draußen in der freien Natur des Großstadtdschungels weicht man den Hundekothäufchen aus, um halbwegs exkretneutral in der Arbeitsstätte anzukommen und sieht sich bei der Benutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel zweierlei Trends gegenüber:
Entweder wird der Bus/Tram/S- oder U-Bahn von einer Horde kleiner Menschen überrannt, die mit ihren mindestens halb so großen und doppelt so schweren Schulranzen wie sie selbst etwa drei Mal so viel Platz in Anspruch nehmen, als würden sie die schweren Taschen auf den Boden stellen. Hat man ganz besonders viel Glück, möchte mit Sicherheit gerade ein milchbärtiger Teen seinen ach so coolen Kumpels zeigen, wie laut sein Handy denn den neuesten "Schlag-mich-tot"-Hip-Hop-Quark aus dem übersteuerten Lautsprecher quäken kann – und man selbst ist selbstverständlich gezwungen, zuzuhören.
Oder aber man senkt den Altersdurchschnitt im besten Fall unter die magische 6-0 Grenze. Dabei sind unsere älteren Mitbürger (und dies sie ihnen nicht zum Vorwurf gemacht) meist nicht mehr in dem Sinne sehr mobil und benötigen länger, um von A nach B zu kommen. Dennoch sind es gerade sie, die immer als erste Aussteigen wollen, sich dafür sogar schon fünf Station vorher an den Ausgang stellen, nur, um fortan nach dem Ausstieg auch die Fläche vor dem Wagen zu belegen. Hier geben sich auch die nächsten Fahrgäste alle Mühe, sich an den aussteigenden Personen vorbei zu schieben, um möglichst schnell in den Wagen zu steigen – dass darin aber viel mehr Platz wäre, ließe man die Passagiere den Wagon erst einmal verlassen ... naja, so viel Grips darf man nicht erwarten. Hat man den Hürden- oder Spießrutenlauf aber letztlich absolviert, steht man vor der großen Rolltreppe, deren Schema international gleich aufgebaut ist.
So sollen die sich bewegenden Stufen die Menschen von unten nach oben, oder von oben nach unten befördern. Die Stufen selbst sind so breit, dass zwei Menschen nebeneinander Platz haben – gedacht ist dies (wie man der wortlosen, zeichnerischen Legenden an jedem Ende der Rolltreppe unten rechts oder links entnehmen kann) wie folgt: Wer Zeit hat oder außer Puste ist, kann sich auf die rechte Seite stellen. Wer es eilig hat, kann auf der linken Hälfte schneller nach oben oder unten laufen. Selbstverständlich funktioniert das nur, wenn sich die stehenden Menschen auch an die rechts/links-Regelung halten und nicht beide Seiten blockieren. Ist man dann als an sich anständiger und regeltreuer Mensch aufgefordert, die auf der linken Seite stehenden anzusprechen und um Passage zu bitten, wird man entweder mit einem missmutigen Blick oder aber mit einem dummen Kommentar bestraft – Ignoranz ist eben ein Segen; Dummheit aber an sich keine Entschuldigung.
Jede Droge ist gleich aufgebaut und besteht aus zwei Komponenten; die eine ist der süchtig machende Stoff, der den Junkie dazu veranlasst, sich die nächste Dosis zusetzen zu wollen, noch ehe die erste richtig aufgebraucht ist. Die zweite ist das Gift, welches die Nebenwirkungen der Droge abschwächt.
So ist es kein großes Wunder, dass es die Raucher generell nicht erwarten können, sich den nächsten Schuss – Verzeihung, den nächsten Zug – zu setzen. Darum wird die Zigarette auch schon angezündet, ehe man aus der U-Bahn-Station überhaupt heraus ist. Das ist zwar nicht erlaubt, aber da niemand kontrolliert, wird auch niemand geahndet. Und als nicht abhängiger Bürger freut man sich umso mehr, wenn man gerade die Treppen aus den Stationen hinauf schreitet und einem vom Vordermann oder der Vorderfrau der Übelkeit erregende Gestank des Todes entgegenschwappt, ohne dass man in den "Genuss" des Nervengiftes Nikotin kommen würde.
Ist all das überstanden, sieht man sich den vermeintlich schützenden Mauern der Arbeitsstätte gegenüber, in der allerdings Menschen genau desselben Schlages hausen, wie man sie draußen ebenfalls erlebt hat. Zum Teil wenigstens.
Dabei ist erst die erste Hürde des Tages gemeistert – die längste Strecke liegt noch bevor; und schon jetzt lässt sich festhalten, dass ein wenig Rücksicht von jedem zwar nicht viel verlangt ist, dazu aber vorausschauendes Handeln und Denken gehört ... und dafür scheint in unserer Gesellschaft leider kein Platz zu sein. Das Leben – so hat es zumindest den Anschein – ist überall eine Autobahn.
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