Blog
Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.Für den Inhalt sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Auch spiegelt die Meinung eines einzelnen Autors nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.
Verordnet: Mogel in Verpackung | von Jens am 06.03.2009, um 09:30 Uhr. |
Wie wichtig die Verpackung in unserer heutigen Zeit ist, beweist schon allein der Jahresumsatz der Make-up-Firmen, die Unmengen von Geld für Kosmetika einnehmen. Aber auch im wissenschaftlichen Bereich verbirgt sich mitunter mehr unter der Oberfläche, als man zunächst vermutet hätte. So wurde nach jahrelanger Forschungsarbeit eine topografische Karte eines im antarktischen Eis gefangenen Gebirgsmassivs vorgestellt, das immerhin eine Fläche von 250 mal 700 Kilometer und mehr als drei Höhekilometer umfasst. Zusammen mit einem schon vor vielen Jahren entdeckten, unter dem Eis eingeschlossenen, unberührten See, bilden beide Regionen die letzten Flecken der Erde, an denen der Mensch noch nicht seine Fußspuren und Gesetzesvorschriften hinterlassen hat. Ob beide Naturgegebenheiten allerdings das halten, was sie versprechen, kann niemand sagen, solange Wissenschaftler nicht selbst vor Ort gewesen sind. Und es wäre nicht das erste Mal, dass die Verpackung nicht hält, was sie verspricht. Das erfahren Konsumenten jeden Tag aufs Neue. |
So etwas als versteckte Preiserhöhung zu bezeichnen wäre sicherlich vermessen und übertrieben, doch es ist derzeit symptomatisch für eine Gesellschaft, die von einem Schnäppchen zum nächsten rennt, ohne darauf zu achten, ob denn das Produkt auch hält, was es verspricht. Wie bei der Euro-Umstellung vor immerhin sieben Jahren werden auch zu Zeiten der Wirtschaftskrise die Preise mit großen Werbekampagnen als "stabil" oder gar "reduziert" beworben, wobei immer weniger in der Verpackung enthalten ist.
Dass dieser Trend in den nächsten Monaten deutlich schlimmer wird, ist abzusehen. Denn ab dem 11. April tritt eine Änderung in der Fertigpackungsverordnung in Kraft, laut der derzeit beispielsweise Schokolade, die in Packungen mit mehr als 85 Gramm verkauft wird, nur in Tafeln zu 100, 125, 150, 200, 250, 300 oder 400 Gramm angeboten werden darf. Mineralwasser hingegen darf nur in 125, 200, 250, 330, 500, 750 Milliliter, oder 1, 1.5 oder 2 Liter im Regal stehen. Ab Mitte April dürfen Hersteller dies selbst bestimmen und damit zum Beispiel Schokoladentafeln mit 92 Gramm anbieten, die von der Größe her aber wie 100 Gramm aussehen. Ob dann nur noch 0.85 Liter in der Flasche, oder 480 Gramm Zucker in der Packung sind, wird man von außen nur sehen, wenn man genau auf die Angaben achtet.
Nach wie vor sind die Händler dazu verpflichtet, den Grundpreis pro Liter, beziehungsweise pro Kilogramm anzugeben, doch bei den klein geschriebenen Preisschildern am Regal, beziehungsweise den vielen Angaben, die dort vermerkt sind, wird es für viele Käufer schwieriger, zu vergleichen.
Filmfans werden außerdem schon bemerkt haben, dass seit einiger Zeit die Verpackungen neuer DVDs und Blu-ray-Discs neu gestaltet und mit großen, halb transparenten FSK-Logos versehen wurden. Denn immerhin ist jene Regelung ab 1. April 2010 gesetzlich verpflichtend. Dem greifen die meisten Hersteller natürlich vor und stellen jetzt schon auf das neue FSK-Logo-Design um, das auf die Vorderseite und deutlich größer abgedruckt werden muss.
Was für eine nicht zu unterschätzende Anzahl Käufer aber einen Schandfleck auf dem Cover darstellt, und manche Anbieter dazu veranlasst, über Wendecover nachzudenken, auf denen das FSK-Logo dann nach wie vor auf der Rückseite angebracht ist, ist bei genauerer Betrachtung erneut ein typisch juristisches, halbgares Gebräu. Denn während Filme mit der Freigabe "keine Jugendfreigabe" mit dem Zeichen "FSK ab 18" gekennzeichnet werden müssen und nicht mehr indiziert werden können (§ 18 Abs. 8 JuSchG), gestaltet sich das bei Filmen, die bis 2003 die Freigabe "nicht freigegeben unter 18 Jahren" erhalten hatten, etwas anders.
Diese Filme können weiterhin indiziert werden und dürfen das neue Logo nicht auf der Vorderseite tragen. Hier muss das alte Logo weiterhin klein auf der Rückseite angebracht werden. Ebenso können "Filme, die von der Juristenkommission der SPIO auf ihre strafrechtliche Unbedenklichkeit oder ihre schwere Jugendgefährdung begutachtet wurden" weiterhin mit den alten, kleinen Zeichen bedruckt werden (Quelle: FSK). Will heißen eben jene Filme, die die stärkste Beeinträchtigung für zu junge Zuschauer bieten, oder den größten Gewaltgrad zelebrieren, sind im Gegensatz zu neu erscheinenden Disney-Kinderfilmen nicht beim ersten Blick auf das Cover als eben solch brutaler Streifen zu erkennen, während neu veröffentlichte Scheiben ein großes "FSK ab 0"- oder "FSK ab 12"-Logo tragen müssen.
Wem das nicht logisch erscheint, der darf sich damit trösten, dass jene Selbstverständlichkeit in der Gesetzgebung universal angewandt wird und die denkende Bürgerschaft wohl nicht die entsprechende Zielgruppe darstellt.
Insofern sollte man den Forschern vielleicht raten, ihre Finger von jenen unberührten Welten unter dem antarktischen Eis zu lassen. Konfrontiert mit dem geistlosen Verordnungsirrsinn, der unsere Zeit im Griff hält, würden jene Lebewesen, die sich dort verbergen vermutlich lieber auch noch aussterben, anstatt sich untersuchen zu lassen.
Der derzeitige EU-Kommissar Günter Verheugen äußerte sich einmal, man müsse "[...] aus dem Bürokratieabbau ein politisches Projekt machen" und dürfe "es nicht den Bürokraten überlassen". Nur wo der Unterschied zwischen Politikern und Bürokraten liegt, und weswegen sich die Politik stetig darum bemüht, durch neu eingeführte Regelungen alles zu verkomplizieren, klärte er leider nicht.
Zurück