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Skandal à la carte | von Jens am 09.12.2008, um 19:00 Uhr. |
Das Wirtschaftchaos ist und bleibt ein solches, was kommt, was wird, wagen nun nicht einmal die selbst ernannten Experten zu verheißen, da trotzen die Deutschen mit ihrer Kauflust der Konsumflaute. Gibt's nicht? Gibt's doch! Aber damit das nicht so stark publik wird, die Menschen nicht noch nachdenken und dann doch das Geld, das sie mühsam erarbeitet haben zusammenhalten (immerhin beginnt jetzt der Zwangsurlaub für zahlreiche Autobauer), findet sich mit Sicherheit irgendein Skandal, den man in großen Lettern auf die Zeitungen drucken kann, um von der an sich angebrachten Vorsicht abzulenken. Gleich mehrere Lebensmittelskandale möchten einem hier das Essen madig machen, sei man nun Karnivor oder Vegetarier. Und dies in einer Zeit, in der sich die Industrie ohnehin über die zu niedrigen Preise beschwert. Wenn das nächste Mal ein Bauer auf der Straße steht und nach mehr Geld verlangt, sollte man ihm vielleicht einfach den eigenen Mist zum Essen geben. Vielleicht hätte er dann auch alsbald die Nase voll. |
Das einzige Problem dabei ist, dass so viel Bio, wie überall gekauft wird, gar nicht alles in Deutschland produziert werden kann. Das am intensivsten Bio-produzierende Land der Erde ist zusammen mit der Schweiz Österreich. Deutschland befindet sich diesbezüglich gerade mal im guten Mittelfeld, obgleich hierzulande subventioniert wird, dass die Traktoren rauchen (interessanterweise sind nur in Österreich der "Biobauer/Biobäuerin" und in der Schweiz "Fachmann/-frau der biologisch-dynamischen Landwirtschaft" offizielle Ausbildungsberufe).
Doch dann tritt die Tierschutzorganisation PETA an die Öffentlichkeit und behauptet, dass die Bio-Eier gar nicht Bio-gerecht gehalten werden. Die falsche Etikettierung wurde nach einer offiziellen Ankündigung durch die Behörden schließlich zwei Tage später durchgeführt – wie berichtet wurde ohne Befund. Dabei fragt man sich aber doch, welche Behörde ihre Kontrollgänge ankündigt?
Wie viele Verkehrssünder würde die Polizei wohl aus dem Verkehr ziehen, würde sie zwei Tage vorher bereits in der BILD annoncieren, wo sie die Blitzer aufbaut?
Doch kaum sind die Bio-Eier aus den Regalen (obgleich ja offiziell nichts zu beanstanden ist), nimmt das Schweinefleisch einen muffeligen Geruch an. Dabei verfolgt die Lebensmittelindustrie dieselbe Vorgehensweise wie in jeder Krise der letzten 15 Jahre. Zuerst wird alles dementiert, Deutschland sei generell überhaupt nicht betroffen. Dann wird dieses Dementi abgeschwächt und auf einzelne Bundesländer heruntergestuft.
Und auch hier laufen die Ermittlungen immer noch, so dass bis heute Abend von mehreren Tausend Tonnen die Rede war, die in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mitunter zu Zwischenprodukten weiter verarbeitet wurden.
Doch während alle geschockt fragen, wie das PCB in das Schwein kam, vergisst man gern, dass in Irland nun 100.000 Tiere getötet werden müssen (keulen ist an sich ein verharmlosender Begriff), weil erneut die Tier verwertende Industrie den Hals nicht vollbekommen konnte.
Man fragt sich diesbezüglich, wieso ein Bundesverfassungsgericht selbst die Regierung der Bundesrepublik in ihre Schranken weisen kann – wie glücklicherweise bei der Pendlerpauschale heute geschehen – man aber selbst international nicht in der Lage scheint, die kriminalisierte Industrie zu bändigen.
Ob man die Wiederherstellung der ursprünglichen Pendlerpauschale aber gleich als Programm zur Ankurbelung der Konjunktur sehen sollte, wie mancherorts geschehen, sei dahingestellt. Es ist allerdings ein richtiges Signal für die Regierenden in Berlin, die sich Reisevergütungen und Boni genehmigen, die Bürger aber abblitzen lassen wollen.
Interessanterweise begrüßt gar die wechselmütige Kanzlerin den Entscheid des Bundesverfassungsgerichts, obwohl sie doch bisher wie die CSU immer sagte, die Pendlerpauschale wäre so nicht finanzierbar – aber wie die CDU/CSU eben auch, wechseln die Politiker so lange die Meinung, bis sich alle einmal angesprochen fühlen.
Weswegen aber selbst ein solcher Verfassungsentscheid gleich in Verbindung mit der drohenden Krise, der Rezession, dem Abschwung in Verbindung gebracht wird, verstehe wer will. Momentan, darin sind sich viele Menschen in Deutschland einig, geht es der Mehrheit nicht schlecht. Auch wenn die Exporteure schon um ihre zukünftigen Gewinne bangen, selbst sie mussten heuer zugeben, dass 2008 ein Jahr mit Umsatzrekord gewesen ist.
Dass nicht nur in unserem Land die Bürokratie sonderbare Wege einschlägt, beweist ein jüngstes Beispiel aus den USA. Dort wurde eine 74 Jahre alte blinde Dame verklagt, weil ihre Wasserrechnung ein 1 Cent Defizit aufwies. Deshalb wurde ihr eine Strafe in Höhe von 48 Dollar und sogar eine Pfändung angedroht.
Inzwischen hat sich jedoch ein Samariter gefunden, der einen Check über 1 Cent ausstellte – es lohnt sich also noch an das Gute im Menschen zu glauben.
Zumindest, wenn man sich auf die kleinen Spalten in den Zeitungen konzentriert und die Seiten füllenden Überschriften außer Acht lässt.
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