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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.
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Schlank, gutaussehend, jung und unverbraucht sucht ...
Treffpunkt: Kritik ... willigen, gutgläubigen Interessenten oder Interessentin zum Ausspionieren.
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe, als am Dienstag Abend dieser Woche einer der mächtigsten Konzerne in unserer modernen, großteils digitalen Welt verkündete, eine Vorabversion des eigenen Internetbrowsers Google Chrome online zu stellen. Millionenfach wurde der Browser heruntergeladen, installiert, wird getestet und angeblich hat er binnen nur dreier Tage einen Marktanteil von knapp 3% erwirtschaftet (wobei man nicht allen Zahlen glauben sollte, die im Internet zu finden sind).
Ob er wirklich so erfolgreich ist, wie ihn alle reden, sei dahingestellt, Tatsache ist, dass Google damit ein Coup gelungen ist, der angesichts eines bevorstehenden Internet Explorer 8 und eines Firefox 3.1 genau zum rechten Zeitpunkt kam. Doch wie so oft bei Google steckt der Teufel im Detail, und wer aufmerksam liest, wird sich wundern, welche Rechte man Google denn so einräumt, wenn man sich das Internetprogramm auf den heimischen Rechner holt. Dabei steckt es bereits in Googles Namen, worauf der Konzern tatsächlich aus ist.
Ob es beabsichtigt war, oder nur ein Schreibfehler wird wohl nie endgültig geklärt werden, aber das Wort Google, inzwischen bereits zum Verb im Duden mutiert, hat einen ganz logischen Ursprung. Der Begriff "Googol" wurde bereits 1938 erfunden und beschreibt eine 1 mit 100 Nullen. Und da die Google-Gründer einen Begriff suchten, der die schiere Informationsflut ihrer Internetsuchmaschine treffend einfangen würde, wählte man ein im Englischen sehr ähnlich klingendes Wort, Google.

Und der Informationshunger von Google ist seit jeher ungebremst, immerhin gelang es der Firma innerhalb von nur zehn Jahren das Internet komplett umzukrempeln und sich als Standardsuche auf den meisten PCs der ganzen Welt zu etablieren.
Erweitert wurde der Dienst um zahlreiche neue Projekte, sei es das Google Mail, Routenplanung Google Maps, Google Earth oder Google Desktop Search. Ein Betriebssystem für Mobiltelefone ist bereits in Planung, einen Kalender gibt es ebenfalls schon online, ebenso wie ein Textverarbeitungsprogramm und Tabellenkalkulation. An einer Digitalisierung der Straßenzüge der Metropolen wird ebenfalls gearbeitet, um einen dreidimensionalen Rundgang zu ermöglichen, ohne je das Haus verlassen zu müssen. Und nun wird das Angebot ergänzt durch einen Internetbrowser, der die Nutzer mit pfeilschnellem Seitenaufbau und einer aufgeräumten Oberfläche erstaunt, wie man sie seit langem nicht mehr gesehen hat.

Als hätten sie die Programmierer gedacht, man möchte die Nutzer nicht unnötig verwirren, werden einem auch nur die wichtigsten Einstellmöglichkeiten überhaupt offen gelassen. Der Rest wird unter einer gut aberiegelten Motorhaube versteckt, an die normale User gar nicht herankommen sollen. Herausgekommen ist ein sehr flüssiges, aus einem Guss wirkendes Programm, das durch seine einfache Benutzung auch für Gelegenheitssurfer interessant ist.
Doch ist Google Chrome in der jetzigen Form nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen soll. Geplant ist, den Browser als Schnittstelle zu etablieren zwischen allen Googlediensten und dem Anwender. Man stelle sich vor man könnte die gesamten, internetbasierten Programme wie Mail, Kalender, Routenplanung, Bildbearbeitung (bei Google Picasa genannt), Erdansicht oder PC-Suche ganz bequem vom Browser aus starten. Weshalb sollte man überhaupt noch ein anderes Programm öffnen? Selbst das Google "Office" lässt sich auf diese Weise nutzen.
Dabei wird Chrome in Zukunft auch betriebssystemunabhängig werden, will heißen ob nun ein Microsoft-OS, Linux oder MacOS installiert ist, wird keine Rolle spielen. Manche einer wird sich fragen, was daran denn so schlecht sein soll? Einmal abgesehen davon, dass Microsoft regelmäßig vor Justitia gezerrt wird, um die marktbeherrschende Stellung auf ein erträgliches Maß zu stutzen (Googles marktbeherrschende Stellung im Internet ist dagegen unbestritten), sollte man im Vorfeld die Nutzungsbedingungen für Chrome erst aufmerksam durchlesen, ehe man sich zu früh freut. Denn die Denk- und Entscheidungsarbeit nimmt Google seinen Nutzern nicht ohne Hintergedanken ab.

So gibt es einige Punkte in der Nutzungsvereinbarung von Google Chrome, die Datenschützern zu Recht aufstoßen.
Da heißt es beispielsweise, dass Ihre Kopie von Google Chrome [...] mindestens eine eindeutige Anwendungsnummer enthält, durch die man ja dann auch eindeutig identifizierbar ist.
Der eigentliche Stein des Anstoßes ist allerdings ein anderer. Denn folgenden Abschnitt haben sich die wenigsten durchgelesen, ehe sie Chrome installierten:
Durch das Übermitteln, Einstellen oder Anzeigen von Inhalten erteilen Sie Google eine unbefristete, unwiderrufliche, weltweit gültige, unentgeltliche und nicht exklusive Lizenz zum Vervielfältigen, Anpassen, Modifizieren, Übersetzen, Veröffentlichen, zum öffentlichen Darstellen und Anzeigen sowie zum Vertreiben sämtlicher mithilfe der Services übermittelten, eingestellten oder angezeigten Inhalte.
Will heißen, sobald man mit Chrome einen Eintrag in einem Forum, einem Blog oder eine E-Mail verfasst, eine Internetseite aufruft oder Suchbegriffe in der Adresszeile eingibt, wird all das Eingegebene und Angezeigte zum geistigen Eigentum von Google und man tritt die eigenen Urheberrechte an den Internetdienst ab. Das an sich wäre schon schlimm genug, wird aber durch einen weiteren Abschnitt in der Nutzungsbedingung erweitert:
Sie erkennen an, dass diese Lizenz Google dazu berechtigt, die Inhalte anderen Unternehmen, Organisationen oder Personen zugänglich zu machen, die mit Google zum Zweck der Bereitstellung syndizierter Services zusammenarbeiten, sowie die Inhalte im Rahmen der Bereitstellung solcher Services zu nutzen. (Siehe PCWelt.)

Das bedeutet wiederum, dass was angezeigt und eingeben wird auch anderen Firmen von Google zur Verfügung gestellt wird, wer sich also je als Gläserner Nutzer gefühlt hat, wusste bislang nicht, wie durchsichtig Glas tatsächlich ist.
Dass Begriffe aus der Adresszeile, IP-Adressen und andere Informationen im Hintergrund gesammelt werden, hat Google in der EULA (Nutzungsvereinbarung) auch festgehalten. Die Urheberrechtsübergabe soll dahingehend demnächst entfernt werden – die Weitergabe der Daten an Dritte bleibt hingeben erhalten, wie ja schon in anderen Google-Diensten auch.

Führt man sich dieses Verhalten zusammen mit der Marktherrschaft Googles und den Zukunftsplänen der Firma vor Augen, ergibt sich jedoch ein anderes Bild als das, besorgter, paranoider Datenschützer. Denn diese Überwachung mit Hilfe von Satelliten, eindeutigen Identifikationsnummern, GPS-gestützter Routenplanung im iPhone 3G (mittels Google Maps übrigens) und der permanenten Datensammlung im Hintergrund ist keine Zukunftsmusik einer Orwellschen Gesellschaft, sondern traurige Realität in einer Gesellschaft, die sofort auf die Barrikaden steigt, wenn ein Innenminister Telefongespräche abhören möchte. Dann jedoch nicht reagiert, wenn der weltgrößte Datensammler einen Browser auf den Markt bringt, der genau diesem Zweck dient. Im Gegenteil, millionenfach heruntergeladen hat sich Chrome bereits eine Fangemeinde geschaffen.
Ob man Googles Firmenmotto "Don't be evil" nun als Behauptung der Firmengründer über sich selbst, oder aber als Warnung an die Nutzer verstehen sollte, mit dem Hintergrund, dass jede böse Tat irgendwo protokolliert und überwacht wird?
Der nächste Coup kommt bestimmt.


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