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Schere, Messer, Waffe, Licht ...
Treffpunkt: Kritik Man sollte meinen, dass ein gebranntes Kind beim zweiten Mal nicht erneut in die offene Flamme fasst. Und für ein lernfähiges, prinzipiell Vernunft begabtes menschliches Wesen mag dies auch durchaus zutreffen. Die Deutschen allerdings, zumindest diejenigen, die sich in Berlin zusammensetzen und sich jeden Tag aufs Neue überlegen, welch geistigen Meisterleistungen sie denn als nächstes vor laufender Fernsehkamera zum Besten geben, scheinen dazu aber nicht in der Lage.
Anders ist es nicht zu erklären, dass der Deutsche Innenminister wenige Jahre nach dem verheerenden und tragischen Amoklauf eines Jugendlichen in Erfurt nun erwog, das Waffenbesitzrecht so weit zu ändern, dass grünohrige Volljährige Waffen mit nach Hause nehmen dürfen, sofern sie sich gelegentlich im Schützenverein für Zielübungen treffen. Dass sich eben jener Politiker schon seit Amtsantritt mit Plänen zum gläsernen Bürger, dem generellen Verbot der eigenen Meinung und dem kollektiven Schuldig-bevor-die-Unschuld-bewiesen-ist-Prinzip ohnehin nicht beliebt gemacht hat, scheint angesichts solcher Vorschläge (und in Gedenken an seinen geplanten, gezielten Todesschuss bei Terrorverdächtigen) gar nicht mehr relevant.
Nicht zuletzt im zweimillionsten Verfassungszusatz der USA steht geschrieben, dass jeder Bürger das Recht auf eine Waffe hat. Und jenes Recht muss auch ausgeübt werden, sonst gäbe es in manchen Bundesstaaten nicht sogar Gemeinden, in denen jeder Bürger eine Waffe besitzen muss(!). Jenseits des Teiches hat man sehr skeptisch reagiert, als es hieß, die Deutschen würden das Alter für legalen Waffenbesitz bei Sportschützen anheben.
Dabei lässt sich bekanntlich schon darüber streiten, ob das Schießen an sich ein Sport ist, beziehungsweise was sportlich daran sein soll, ein Lebewesen mit Hilfe einer Waffe zu töten, die nicht nur schneller ist, als das Opfer, sondern aus so großer Entfernung abgefeuert werden kann, dass das Opfer den Angreifer nicht einmal zu Gesicht bekommt. Dies alles ist Ansichtssache – für die Schützen jedenfalls.
Völlig außer Frage steht allerdings, weswegen ein Sportschütze die Waffen, die er ohnehin nur im Schützenverein einsetzen darf, zuhause aufbewahren sollte – darunter auch großkalibrige Schusswaffen. Weswegen sollte es notwendig sein, eine geladene Waffe zuhause im Schrank einzusperren, und sie genau dann (in geladenem Zustand) zu reinigen, wenn die ungelegene Lebensabschnittspartnerin gerade im Türrahmen steht? All das gab es bereits und führte zu wenig rühmlichen Eintragungen in den deutschen Geschichtsbüchern der jüngeren Vergangenheit.
Nun sollen also auch wieder 18jährige, die die letzten fünf Jahre laut den Propagandisten damit zubrachten, in Killerspielen ihre Zieltechnik zu verfeinern, ihre neu erworbenen Waffen mit ins Eigenheim nehmen dürfen, um dort die Übungen zu jeder Tages- und Nachtzeit umsetzen zu können – dass das die Konjunktur ankurbelt, steht außer Frage, aber welchen praktischen Vorteil sich der Innenminister davon verspricht, ist für kaum einen anderen Menschen auf dem Planeten erkennbar.

Vielleicht ist dies aber auch nur der neueste Anlauf der Politik, neue Stimmen unter jungen Wählen einzufangen, denn wenn die Sportschützen wieder ins Fadenkreuz der Allgemeinheit geraten, sind die so genannten Killerspieler wieder außen vor. Nicht zuletzt: Weshalb sollte ein vermeintlicher Amokläufer im virtuellen Leben Schießübungen absolvieren, wenn er das von nun an wieder früher im Heim und zuhause tun kann?
Dabei waren die Computerspiele, die wie allgemein bekannt ist einzig und allein für die Gewalt unter Jugendlichen verantwortlich sind, gerade wieder auf dem Wege der Besserung.

Wohl auch deswegen, weil die Mehrheit der sadistisch veranlagten (zum Teil schon ausgewachsenen) Halbstarken ein neues, altes Medium für ihre Veranlagung entdeckt hat: Den Film.
Die Welle der Folter-Killer-Filme schwappt einmal mehr, wie schon vor 30 Jahren, über die Kino- und Videothekenbesucher hinweg und lockt mit noch grausameren Verstümmelungs- und Stückelungsorgien als noch im Jahr zuvor. Je abartiger die Perversion, umso stärker scheint der Zulauf, auf jeden Fall umso lauter der Aufschrei, wenn die FSK endlich richtig reagiert und manch neue Filme von vorne herein als jugendgefährdend deklariert, so dass nicht einmal die erwachsenen Folter-Anarchiefans mehr Zugriff bekommen.
Während sich die Computerspieler rechtfertigen müssen, wenn sie nur eine Runde Golf auf dem virtuellen Rasen spielen wollen, wird die breite Öffentlichkeit erst langsam aufgerüttelt und darauf aufmerksam gemacht, dass einmal mehr eine Unzahl Filme auf die Zuschauer warten, die einzig und allein das Ziel verfolgen, dem Publikum Menschen verachtende Grausamkeiten zu zeigen – die Hauptclientel wird dabei meist im gleichen Maße im Oberstübchen, wie unter der Gürtellinie stimuliert, was das Medium an sich so gefährlich macht.

Doch das Gefahrenpotential, das hier schlummert, scheint man bei den Gesetzeswächtern noch nicht erkannt zu haben, oder nicht sehen zu wollen. Vielmehr möchte man – so scheint es zumindest – den Bürgern einen leichteren Zugang zu Werkzeugen für Schreckenstaten wie vor fünf Jahren ermöglichen.
Man sollte meinen, dass die Regierung, insbesondere das Innenministerium die Menschen vor Gefahren auch von innen schützen sollte. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Politiker diesbezüglich in den eigenen Reihen beginnen.
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