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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.Für den Inhalt sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Auch spiegelt die Meinung eines einzelnen Autors nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.
Living in a box | von Jens am 24.05.2008, um 17:00 Uhr. |
Flirten ist doch an sich etwas Schönes. Gerade im Frühling, wo die Röcke immer kürzer werden, die Tage immer länger – man den Blickkontakt zu einer anderen Person sucht, ihren Blick findet. Dahinter muss sich ja nicht einmal eine Absicht verstecken, aber einfach das Gefühl zu bekommen, man sei interessant, man sei "eines Blickes wert", macht hier doch schon den Reiz aus. Bei manchen Menschen schlägt dieses Gefühl schnell in ein anderes um, wenn beispielsweise die Blicke nicht mehr aufhören, wenn man angestarrt und "von Blicken verfolgt" wird. Man ist Mittelpunkt des Geschehens, ohne dass man danach verlangte. Man ist auf einmal selbst die Hauptattraktion im Zoo des Lebens – und wünscht sich dabei nur zurück in der großen, grauen Masse, die niemand wahrnimmt. Man möchte sozusagen von der Bildfläche verschwinden. Wenn dies denn gehen würde. Jetzt stelle man sich aber vor, man würde "beäugt", beobachtet, kritisch unter die Lupe genommen – ohne dass Sie das merken? Man würde ausspioniert, obwohl man an sich einen vermeintlich uninteressanten Alltag führt. Willkommen im Leben – oder wie es auch genannt wird: "Big Brother – Ob Du willst, oder nicht!". |
Auch der Fast Fooder Burger King sah sich plötzlich in einem Spitzelskandal und möchte, nachdem zahlreiche Angestellte, die der Firmenpolitik öffentlich widersprachen Kündigungen erhalten haben sollen, die Vorgänge nun intern prüfen.
Man möchte beinahe meinen, dass wir in einem Land der Voyeuristen leben, immerhin wurden Journalisten bereits vom Bundesnachrichtendienst ausspioniert. Und nun hat es einen weiteren Konzern erwischt. Die Telekom muss eingestehen, dass vor einigen Jahren Telefonate von Managern und Aufsichtsräten zu Journalisten protokolliert wurden. Gut nur, dass die damalige Konzernleitung nicht mehr existiert und sich somit auch nicht rechtfertigen muss. Dabei ist man hier weiter gegangen, als "nur" die Mitarbeiter abzufilmen. Immerhin saß man bei der Telekom an der Quelle und hat somit die Verbindungsdaten der Telefone überwacht – quasi Datenklau an der Quelle. Rufnummer, Uhrzeit und Gesprächdauer wurden aufgezeichnet. Leider nicht der Inhalt der Gespräche, auch wenn der Herr Minister für die innere Unsicherheit gerne genauere Angaben gehabt hätte. Ob dieser beim Lesen der Überschrift der Tageszeitung übrigens ins Schmunzeln geraten ist, wurde von offizieller Seite nicht bestätigt.
Wie man sieht, ist also niemand sicher, und schon gar nicht in der heutigen Zeit, in der ein Großteil der Gespräche über Datenleitungen abgewickelt werden, die einfacher zu überwachen sind denn je.
Wir sollten uns somit in jedem Moment fühlen, als wären wir unterm Mikroskop, unter ständiger Beobachtung. Man weiß ohnehin ja nicht, ob man beim Nickerchen in der Straßenbahn nicht von einer Horde Jugendlicher gefilmt wird, die noch am selben Tag ein Video ins Internet stellen, auf dem zu sehen ist, wie einem der Sabber auf die Krawatte tropft.
Jeder ist prominent, und sei es nur für ein paar Minuten. Niemand kann sich der Öffentlichkeit entziehen, zumindest nicht, ohne sich dadurch noch interessanter zu machen. Dagegen haben die heutigen Prominenten beinahe schon schlechte Karten, immerhin müssen sie sich geradezu in den Blick der Öffentlichkeit drängen, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Hätte sonst irgendjemand erfahren, dass der Vorstand der Arbeitsverweigerergewerkschaft GDL, Manfred Schell, kürzlich seinen Posten abgetreten hat. Als leidenschaftlicher Autofahrer wird er übrigens kaum in irgendeinem Zug anzutreffen sein; weshalb auch, er kann sich ja ohnehin nicht sicher sein, ob er überhaupt fahren wird.
Oder wüssten wir von Victoria Beckhams wutentbrannter Klage gegen den Hersteller ihrer missglückten Jeans-Reihe? Nicht nur, dass sich ihre Modelinie DVB (was wie einfallsreich für David & Victoria Beckham steht) in den USA als Flop erwiesen hat, nun klagt die abgemagerte Persönlichkeit auf Grund von Gewinnausfällen, weil ihre Jeans im Wert von je 200 US-Dollar keine Käufer gefunden haben.
Hätte sich Robbie Williams nicht ganz öffentlich letzte Woche dazu bekannt, dass er statt unerfolgreich zu singen nun noch viel unerfolgreicher nach UFOs Ausschau halten möchte, hätte sich kaum jemand an den Misserfolg seines letzten Studioalbums erinnert und den drogengeplagten Star in derselben Einrichtung wie Aerosmith-Rocker Steven Tyler vermutet.
Man merkt förmlich, wie sich Stars darum reißen, vor der Kamera zu stehen, wie sie Skandale bestellen oder züchten, während andere froh wären, sie könnten sich vor den zwar kleineren, aber nichtsdestrotrotz immer präsenter werdenden Kameras verstecken. Lidl hat überdies bekannt gegeben, dass demnächst die Kameras in den Filialen wieder aufgebaut werden sollen und auch erneut Detektive losgeschickt werden.
So sind wir alle in gewissem Sinne Stars – zwar nicht im Fernsehen, sondern den so genannten CCTVs (Closed Circuit TVs), aber mit dem ständigen Exhibitionismus muss man sich früher oder später arrangieren. Von wie vielen Kameras man erfasst wird, ehe man morgens den ersten Schritt in die Arbeitsstätte wagt, lässt sich kaum abschätzen.
Aber vielleicht können wir uns ja auch eher damit arrangieren, wenn wir die Welt nicht mehr als Kugel sehen, sondern als Container – so wie die im Fernsehen, nur etwas größer. Und mit besseren Schauspielern.
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