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Krisenmanagement | von Jens am 02.10.2008, um 15:00 Uhr. |
Es scheint eine kritische Zeit zu sein, in der wir leben. Überall kriselt es im globalen Gefüge. In Bayern gibt es eine Regierungskrise, in den USA eine Bankenkrise, in China eine Milchkrise und kaum jemand klagt nicht darüber, dass es bei ihm/ihr nicht auch irgendwo kriselt. Zwar mögen viele dieser einzelnen Krisenherde voneinander abhängen, sich vielleicht gegenseitig auch begünstigen, doch muss man sich mancherorts fragen, ob diese Krisen nicht zum Teil auch selbst gemacht sind. Bezeichnend dabei ist, dass sich selten jemand findet, der für die Krise verantwortlich ist, aber immer sofort jemand, der allen anderen aus der prekären Lage zu helfen bereit ist. Denn im Management, das sieht man schon daran, wie Korruptionsvorwürfe vor Gericht mit einem "das tut doch jeder" abgetan werden, gibt es keine Krisen – dort gibt es immer diejenigen, die genau wissen, wer dafür verantwortlich ist. Nur selbst sind sie nie schuld. |
In Italien sieht es ähnlich aus, die "Unicredit" wurde gar tagelang vom Handel an den Börsen ausgenommen, nachdem lediglich Prognosensenkungen den Aktienkurs der Bank in den Keller getrieben haben. Zwar bemüht man sich auch hier im Schadensbegrenzung bei der Presse, die gerade in Deutschland kaum darüber berichtet und auch das Thema "HRE-Holding" ("Hypo Real Estate") schnellstmöglich wieder aus den aktuellen Seiten verbannt hat, doch die Auswirkungen der US-Finanzkrise sind hier sehr wohl zu spüren. Ein Dow-Jones-Kursverlust in historischen Ausmaßen ist diesbezüglich nur ein lauer Vorgeschmack. Wenn selbst Finanzexperten in Interviews zugestehen müssen, dass man derzeit nicht in Aktien anlegen solle, wenn man denn ruhig schlafen möchte, und auch jedem klar sein müsse, dass es bei der Börse immer diejenigen geben wird, die daran verdienen, stellt sich nur eine Frage: Wer verdient denn momentan?
Wirklich verschwunden sind die Gelder ja in dem Sinne nicht, zumindest nicht in Europa. Kursverluste hin oder her bleibt sich der grundsätzliche Geldbetrag, der im Börsenspiel gehandelt wird, ja gleich – nur dass er momentan umverteilt wird. Wenn also (wie so oft in den letzten Jahren) die Kleinanleger verlieren, muss sich irgendjemand daran eine goldene Nase verdienen. Nur wer?
Da mag man in Bayern fast schon froh darüber sein, dass man nicht mit solch kolossalen Problemen zu kämpfen hat. Lediglich der "harte Kern" des Freistaats, der seit zwei Generationen im Bewusstsein aufgewachsen ist, dass eine Partei zum Führen eines Bundeslandes völlig ausreicht, muss umdenken. Als "Erdrutsch" oder "CSUnami" wurde der "CSUntergang" in Tageszeitungen wie dem Münchner Merkur betitelt. Und während man sich unmittelbar nach der Wahl auch hier keiner Schuld im Management bewusst war, wurde der Druck auf Ministerpräsident Günther Beckstein nun doch zu groß und auch der Parteivorsitz wird neu verteilt. Dabei holt man sich selbstverständlich auch wieder all diejenigen Kandidaten mit ins Boot, die schon beim ersten Anlauf nach der Ära Stoiber nicht als qualifiziert empfunden wurden.
Darunter muss demnach auch der Name des jetzigen Landwirtschaftsministers und fossilisierten Politikers Horst Seehofer sein, der wohlweislich meinte, er sei "in Bayern […] gegen Gentechnik" (jetzt.de). Wie gut, dass ein Bundesminister auch jenseits seiner lokalpatriotischen Grenzen denkt.
Wie gut er seine Sache als Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz macht, sieht man nicht nur daran, wie oft er mit Vertretern der Industrie essen geht und wie selten mit den Verbrauchern, sondern auch daran, dass der chinesische Melamin-Skandal, der nicht mehr nur in Milchpulver, sondern auch in Frischmilch nachgewiesenen Chemikalie, inzwischen auch in Deutschland und Europa angekommen ist.
Dass Herrn Seehofer kein Vorwurf zu machen ist, dass in Holland Melamin-verseuchte Kekse aufgetaucht sind, steht außer Frage. Was jedoch chinesische Importartikel jenseits der 1-Euro-Shops in Deutschland zu suchen haben, ist mehr als fraglich. Milchbonbons, Milchschokolade, ja sogar Frühlingsrollen seien betroffen, wie man nun aus Baden-Württemberg zu hören bekommt.
Als würde es nicht ausreichen, dass das eingeführte Spielzeug explodiert oder aber bei Kontakt allergische Reaktionen hervorruft, will man nun die Kinder schon beim Essen schädigen. Dass die chinesische Wirtschaft in einem solch beängstigenden Maße wächst, mag nicht nur daran liegen, dass die Menschen dafür ausgenutzt werden und unterbezahlt bleiben, sondern – wie an sich auch bekannt – ist mitunter daran, dass mit ganz anderen Grenzwerten und Richtlinien im Hinterkopf produziert wird. Gerade aus dem Grund ist es ja so lachhaft, dass ein Großteil der hier verkauften Bio-Produkte aus China stammt! Hier, wie auch beim Milchpulver scheint es kostengünstiger, selbiges durch die halbe Welt zu fliegen, anstatt es gleich hier zu produzieren.
Und hierfür sollte sich der industriephile Horst Lorenz Seehofer sehr wohl verantwortlich fühlen, anstatt nun am liebsten bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender zusätzlich zu werden. Er scheint seinen bisherigen Aufgaben ja nicht einmal gerecht zu werden. Wobei er diesbezüglich in Berlin ohne Frage in guter Gesellschaft speist.
Sieht man sich die derzeitigen Krisenherde somit rund um den Globus an, kommt man nicht umhin, dass dem Wort Krisenmanagement zwei Bedeutungen anhaften. Einerseits sollte es jemanden geben, der in Krisenzeiten kühlen Kopf bewahrt und das aus den Fugen geratene wieder in geordnete Bahnen bringt.
Andererseits scheint es eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Menschen in Schlüsselpositionen zu geben, die zuerst die Planung, dann die Entstehung und den Verlauf einer Krise managen. Als Architekten bleiben sie meist unerkannt – und sind doch die einzigen Gewinner. Denn, und das hat insbesondere die Börse bewiesen, wo es Verluste gibt, gibt es immer auch Gewinne.
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