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Der Blog stellt eine Art Internettagebuch dar, in dem die Mitglieder der Redaktion ihre Gedanken mit den Lesern teilen. Er bietet Einblicke in den Alltag und in die Themen, die die jeweiligen Autoren am meisten beschäftigen.Für den Inhalt sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Auch spiegelt die Meinung eines einzelnen Autors nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.
Ich verklag' Dich – ich verklag' Dich nicht ... | von Jens am 22.09.2007, um 08:00 Uhr. |
Es gibt Zyniker, die behaupten, Justitia wäre nicht blind, weil die Gerechtigkeit keine Partei für das Aussehen der Kläger ergreift, sondern weil sie so besser abwägen kann, welche Partei ihr mehr Gold in die Waage legt. Auch das deutsche Rechtswesen ist vor solchen Äußerungen nicht gefeilt, wenn ehemalige Politiker unter Meineid aussagen dürfen, dass sie sich lieber gar nicht äußern möchten, straffrei davon kommen, wenn man nur berühmt genug war, Mörder und Vergewaltiger weniger hart bestraft werden als Steuerhinterzieher und Rennsportprofis die Richterlichkeit erpressen dürfen, indem sie sagen, "ich sage nur etwas, wenn ich nicht verurteilt werde". Manchmal – und da es so selten ist, muss man es auch genießen – scheint es aber, als würde der Gerechtigkeit genüge getan. Doch man sollte nicht zu genau hinsehen, um nicht doch noch einen Haken entdecken zu können. |
Dann kann man gar nicht so schnell zählen, bis man einen Abmahnbescheid im (elektronischen) Briefkasten liegen hat. So geschehen, als eine Internetseite namens DVD-Inside bekannt genug wurde, ehe sich Intel mit ihrem Slogan verletzt sahen.
Auch sonst gibt es pro Jahr inzwischen mehr Abmahnklagen für Internetwebseiten, als Strafzettel ausgestellt werden.
Einer derjenigen Anwälte, der sich darauf mit seiner Kanzlei spezialisiert hat, war Freiherr GvG, der sich schon früh aufmachte, Plagiate zu verklagen und gab in den 1990er Jahren sogar selbst Inserate mit "Bitte um Software-Tausch" unter Pseudonym auf. Wer darauf einging, wurde wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht verklagt.
Der Abmahnanwalt mahnte ab und verklagte, mahnte ab und verklagte, bis er damit eines Tages scheiterte – zu seinem eigenen Erstaunen.
Inzwischen hat er auf bekannten Webseiten Hausverbot (wogegen er unerfolgreich klagte), und jüngst eine weitere Niederlage einstecken müssen – doch genau da fragt man sich dann wieder als normaler Bürger, wie so etwas überhaupt sein kann? So besitzt jener GvG gar eine Vorstrafe wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen, wurde im Dezember letzten Jahres wegen "Veruntreuung von Mandantengeldern" zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden (wogegen er Berufung einlegen möchte) und wurde vor wenigen Wochen gar zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung wegen Betrugs verurteilt worden – wogegen ebenfalls Berufung eingelegt werden soll. Während es einem normalen Menschen also nicht einmal möglich ist, sich gegen einen Strafzettel zu wehren, wurde diese Person schon mehrfach verurteilt, läuft immer noch auf der Straße von A nach B (da die Urteile noch nicht rechtskräftig sind) und darf nach wie vor als Anwalt tätig sein. Nur gut, dass es keine Drei-Klassen-Gesellschaft gibt.
Abmahnbescheide gibt es in Zukunft übrigens auch für all diejenigen, die den Begriff "GEZ-Gebühren" in der Öffentlichkeit (oder im Privaten) gebrauchen. Dies verleiht den offiziell genannten "gesetzlichen Rundfunkgebühren" einen negativen Touch, so die GebührenEinzugsZentrale (GEZ – die heißt noch so). Auch die "GEZ-Gebühr für PCs" ist nicht mehr zulässig, das sind nämlich "gesetzliche Rundfunkgebühren für neuartige Rundfunkempfangsgeräte". Die "GEZ-Fahnder" ("Beauftragtendienst der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten oder Rundfunkgebührenbeauftragter") erhalten auch keine "Kopfprämie", sondern die " Provision des Beauftragtendienstes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder der Rundfunkgebührenbeauftragten". Ab sofort gibt es auf der Post auch keine An- oder Abmeldung für die GEZ mehr, sondern eine " gesetzlich vorgesehene Anmeldung von zum Empfang bereit gehaltener Rundfunkgeräte", beziehungsweise eine " gesetzlich vorgesehene Abmeldung der angemeldeten zum Empfang bereit gehaltenen Rundfunkgeräte".
Wer sich darüber näher informieren möchte, darf dies bei Akademie.de gerne tun – alle anderen dürfen an dieser Stelle kollektiv den Kopf schütteln oder sich über die Techniken der GEZ bei der Augsburger-Allgemeinen informieren.
Es ist, wie es immer ist, wenn man dem Kind einen wohl klingenden Namen geben kann, erscheint es bei weitem nicht mehr so hässlich – zumal ohnehin im Oktober über die zukünftige Regelung der "gesetzlichen Rundfuckgebühren" entschieden wird. Bis dahin heißt es ausharren, weiter zahlen und hoffen, dass Justitia hier zur Abwechslung mal auf die richtigen mit dem Schwert einschlägt.
Angesichts von betrügerischen, hinterzieherischen und (vorläufig) verurteilten Anwälten, von denen "die Öffentlichkeit geschützt werden müsse", wie die Richterin im jüngsten Prozess meinte, die aber nach wie vor keine Zelle von innen gesehen haben, mag man daran gar nicht mehr glauben.
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