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Geister der (Vor-)Weihnacht | von Jens am 11.12.2007, um 17:00 Uhr. |
"Es war die beste aller Zeiten, es war die schlechteste aller Zeiten ..." - Charles Dickens muss es gewusst haben. Der im 19. Jahrhundert lebende englische Schriftsteller zählt zu den einflussreichsten seiner Zunft und formte mit seinen Werken wie Oliver Twist die Gesellschaft stellenweise neu. Auch sEine Weihnachtsgeschichte gehört zu denjenigen Romanen, an die man zu dieser Jahreszeit immer wieder denken muss. Die Vorstellung, Besuch von den Geistern der Weihnacht zu erhalten, würde viele Menschen in Unruhe versetzen – umso besser, dass dies nur ein Wunschgedanke derjenigen ist, die kein Managergehalt von 56 Millionen EUR im Jahr einstreichen. Reichtum sollte eben für alle da sein. Wie dem auch sei, es neigt sich das Jahr dem Ende zu, doch noch nicht zu stark, um einen Jahresrückblick zu wagen – vielmehr nur eine Bestandsaufnahme, was manchmal gleichsam erschreckend ist. Während also auf Bali eine Klimakonferenz noch so lange genossen wird, wie es die kleine im indischen Ozean liegende Insel überhaupt noch gibt, sei hier nun ein Blick auf die besinnliche Vorweihnachtszeit direkt vor unserer Haustüre gelenkt. Und Weihnachtsstimmung findet sich bekanntlich nicht nur im Radio, wenn ein alter Song nach dem anderen gespielt wird, sondern überall ... |
Denn während sich ein Teil der Bevölkerung auf die kommenden Feiertage freut, eifrig ein Türchen am Kalender nach dem anderen öffnet, kommt ein anderer Teil nicht darum herum, sich allerorts über die gestiegenen Preise zu wundern. So sind Milchprodukte seltsamerweise nicht gestiegen, als dies in der Politik vor einigen Monaten angekündigt wurde (selbstverständlich muss man als Verbraucher in Deutschland mehr bezahlen, wenn China mit einem Milchproduktionsproblem zu kämpfen hat), sondern von einem Montag auf einen Sonntag im November verteuerten sich vielerorts Milch, Butter, Joghurt und andere Produkte urplötzlich um zehn oder 20 Cent.
Da fallen die moderaten Anstiege der Deutschen Bahn gar nicht mehr ins Gewicht, die nun durchschnittlich drei Prozent mehr verlangt – bei Reservierungen zwar 25 % mehr, auch die BahnCard ist teurer geworden als die drei Prozent, aber das spielt ja keine Rolle. Weswegen man beim unbeliebtesten Deutschen Unternehmen Anfang Dezember die Preise anhebt und neue Fahrpläne vorstellt, statt am 1. Januar, ist ebenfalls fraglich. Vielleicht soll der Jahresendspurt somit noch eine Finanzspritze bekommen? Nach der Spritze im Frühjahr versteht sich. Dass gleichzeitig Zugverbindungen weggefallen sind, gleicht die höheren Preise ja aus ...
Solch messerscharfe Kalkulationen findet man übrigens nicht nur bei Tankstellen und der Bahn (sozusagen die "Zapfsäulen des Geldbeutels der kleinen Bürger"), sondern auch im Supermarkt. Während in Elektrogeschäften wie "Ich bin so Olli" oder "Jupiter" fortan immer mehr Produkpromoter der einzelnen Firmen zu finden sind, statt tatsächliche Mitarbeiter der jeweiligen Kette merkt man einerseits am deutlich größeren Fachwissen der Berater. Die beraten zwar nur auf das Produkt ihrer jeweiligen Firma, aber immerhin bekommt man so nicht das Gefühl vermittelt, man würde von einem inkompetenten Facharbeiter zugequasselt (wenn er denn gefunden und festgehalten wurde), sondern man ist sich der fachkundigen Meinung eindeutig sicher.
Diese holen sich auch alle möglichen normalen Supermärkte inzwischen ins Boot, wenn es um die Gestaltung der Ladeneinrichtung geht. Kein Wunder also, dass man die Süßigkeiten (und auch die seit September erhältlichen Weihnachtsartikel) immer in Kassennähe oder die kostspieligeren Markenware auf Augen und Brusthöhe findet. Von "Impulszonen" ist bei der "psychologischen Kundenverführung" zu lesen, wie ein Artikel kürzlich ebenfalls offen legte. Wer also der Meinung ist, wenn er sich von dem kaum zu übersehenden Werberummel rund um die Festtagsartikel in Sicherheit bringt und auf eigene Faust einkauft, wird er weniger manipuliert, der irrt.
Ganz abgesehen davon, dass sich der Einzelhandel wie jedes Jahr prostituiert, um die Kunden so scharenweise und so oft und lange wie möglich in die Läden zu locken. Wer dort tätig ist, und sich besinnlich auf die Feiertage einstimmen möchte, hat die längeren Ladenöffnungszeiten (insbesondere samstags) und für diejenigen Bundesländer ohne gesetzliche Ladenöffnungszeiten auch die verkaufsoffenen Sonntage vergessen.
Hier können sich dann die Mitarbeiter in aller Ruhe darauf vorbereiten, von ihren Liebsten noch weniger zu sehen, beziehungsweise die Überstunden (wenn sie denn notiert werden) auf eine lange, vergilbte Liste zu setzen, die ohnehin nie das Licht der Welt erblickt.
Hat man sich von dem Einkaufsrummel schließlich losgerissen (und man wird auch hier das Gefühl nicht los, die Bevölkerung hätte ausschließlich die Samstage zum Einkaufen der Weihnachtsgeschenke – auch wenn der Termin dieses Jahr nicht wirklich überraschend fällt), stolpert man im besten Fall über einen der vielen Weihnachtsmärkte.
Die sollten auf Grund politischer Korrektheit inzwischen "Glühmärkte" genannt werden, um zu verhindern, dass der Kommerz zu spiritualisiert wird. Dort torkeln morgens, mittags und abends zahlreiche Kinder, Jugendliche und Erwachsene von einem Stand zum nächsten (Glühwein hält bekanntlich warm und das Gehirn wie jeder Alkohol in Ruhezustand) und können aus zahlreichen Ständen viele Produkte auswählen, die man während des restlichen Jahres ebenso kaufen kann – nur eigentlich günstiger. Für eine Bratwurst wird stellenweise ein Betrag von vier Euro fällig (wohlgemerkt, das wären 7,82 Deutsche Mark gewesen!). Andere Preise entsprechend.
Wie man sieht, Weihnachtsstimmung macht sich nicht nur durch das passende Wetter mit Herbsttemperaturen und grausigen Winden breit, sondern auch durch die Gesellschaft um uns herum.
1843 legte Dickens seiner Titelfigur Ebenezer Scrooge die Worte "Weihnachten – Humbug!" in die Mund. Sieht man sich heute an, was von den Vorsätzen und Hintergründen des Festes übrig geblieben ist, bleibt nicht allzu viel übrig. Es liegt an jedem selbst, sich nicht von der Gesellschaft und dem Konsum die weihnachtliche Stimmung diktieren zu lassen, sondern von der eigenen, inneren Einstellung. Die kann von außen zwar manipuliert werden, letztlich liegt es aber an jedem selbst, ob man sich manipulieren lassen möchte.
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