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Freiheitsschwund | von Jens am 08.01.2008, um 12:00 Uhr. |
Die Freiheit ist ein schönes Gut, angeblich auch ein hohes. Mitunter scheint sie auch selbstverständlich, und so ist es immer wieder an der Zeit, sich in Erinnerung zu rufen, welche Vorteile einem die Freiheit eigentlich bringt, und wo sie einem genommen wird. Selbiges ist momentan groß in den Medien zu leben, wo zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung die Privatsphäre (so zu sagen die Freiheit der persönlichen Entfaltung) zu Grabe getragen wird. Doch während man diese Einschränkungen der persönlichen Freiheit als gesetzestreuer Bürger hoffentlich nicht zu spüren bekommt (denn an dem Gesetz lässt sich im Nachhinein ohnehin nichts mehr rütteln, der ganzen Aufregung zum Trotz), gibt es andere, ebenso akute und auf jeden Fall Publicity-wirksamere Momentaufnahmen, in denen die Freiheit entweder eingeschränkt, oder überdehnt wird. Meistens hat eine Überdehnung der Freiheit des einen auch eine Einschränkung des anderen Menschen zur Folge. |
Nach wie vor wiegt der Schutz der Täter hierzulande deutlich höher als der der Opfer – zumindest in mancherlei Hinsicht.
Dass drakonische Strafen allein der Weisheit letzter Schluss nicht sein können, steht ja außer Frage, aber weswegen sollte man eine solche Gruppendynamik durch passive Sanktionierung wie momentan im Jungendstrafrecht auch noch unterstützen?
Wie gut die Weisung "haltet Euch bitte daran, aber es wird auch nicht geahndet" beim Nichtraucherschutz funktionieren wird, wird sich spätestens zum Oktoberfest dieses Jahr zeigen, wenn die Politiker nicht erneut klein bei geben und das münchner Massenbesäufnis von eben jenen Schutzgesetzen ausschließen.
Der "Opferschutz", der grundsätzlich chronisch vernachlässigt wird, ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem Schutz von Minderheiten, die hierzulande (zumindest solange es denn profitabel und opportunistisch erscheint) auch von Seiten der Politiker Rückendeckung erhalten.
So geschehen beim angestrebten Prozess um den Tatort-Fernsehkrimi "Wem Ehre gebührt", den die Alevitische Vereinigung zum Anlass nahm, zu Tausenden in Köln zu demonstrieren und schließlich auch Strafanzeige wegen "Volksverhetzung" zu stellen.
Der gezeigte, fiktive Krimi, in dem es auch um den Inzest einer Alevitischen Familie ging, schockierte die alevitischen Zuschauer so sehr, dass fortan auch jeder, der den Tatort nicht gesehen hat, weiß, dass Inzest früher von den Aleviten praktiziert wurde (wenn man die Berichte denn so deuten kann), und sie von der muslimischen Welt deshalb seit Jahrhunderten verurteilt werden.
Ohne Zweifel war es nicht gerade der beste Einfall der Autorin/Regisseurin, den Tatort mit jenem Thema in jener Glaubensgemeinschaft anzusiedeln; ob die Reaktion der alevitischen Gemeinde gerechtfertigt war, sei allerdings dahingestellt. Man stelle sich außerdem vor, wenn der Strafantrag auch noch Erfolg tragen sollte. Wie viele Priester könnten klagen, dass sie sich durch Film und Fernsehen verunglimpft sehen, weil einige ihrer (ehemaligen) Mitbrüder dem Zölibat nicht gewachsen waren und selbiges geschildert wurde? Wie viele Nonnen könnten gegen Pinguin-Witze in den Medien klagen? Wie viele Blondinen könnten gegen die Macher des Films Manta, Manta wegen zur Schaustellung von Vorurteilen klagen?
Mitunter mag dies nicht einmal mehr unter die Pressefreiheit, sondern schlicht unter das Recht der freien Meinungsäußerung fallen, was die jeweiligen Programme zeigen. Aber noch hat man diese Freiheit.
Politiker, die sich einerseits für die Alevitische Gemeinde einsetzen und gleichzeitig die Abschiebung der "U-Bahn-Prügler" in ihre Heimatländer fordern, scheinen entweder unter einer Persönlichkeitsspaltung zu leiden, oder aber die Nase immer in den Wind zu halten.
Und doch haben auch diese vermeintlichen Gesellschaftsvertreter das Recht auf eine freie Meinung – immerhin wurde auch Kanzlerin Merkel nicht angeklagt, weil sie ihre Wahlversprechen nicht gehalten hätte.
Die Freiheit – so hat man zumindest manchesmal das Gefühl – ist ohne Zweifel auch ein Luxus, der denjenigen vorbehalten ist, die keiner Mehrheit angehören.
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